Henstedt-Ulzburg. An der Olzeborchschule haben Sechst- und Siebtklässler eine Sporteinheit mit zwei Rollstuhl-Basketballprofis des HSV absolviert
Ein Basketballkorb ist 3,05 Meter hoch. Hier einen Wurf aus der Distanz zu versenken oder einen Korbleger, ist ohne Übung schon kompliziert genug. Die Jugendlichen der Olzeborchschule haben nun einen Eindruck davon bekommen, wie die Sportart funktioniert, wenn jemand eine körperliche Behinderung hat und auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Denn eine solche Einschränkung bedeutet keineswegs, dass Basketball nicht möglich wäre.
Der Hamburger Weg unterstützt die Aktion
„Hier findet ein Perspektivwechsel statt“, sagt Sportlehrer Henrik Preuß. Er hat zwei Rollstuhl-Basketballer der BG Baskets des Hamburger SV und die Abteilungsleiterin Inken Pfeiffer eingeladen, die Aktion wird über die Stiftung Hamburger Weg möglich gemacht. Gruppenweise werden die Sechst- und Siebtklässler in die Besonderheiten der Sportart eingeführt. Das fängt logischerweise mit dem Rollstuhl selbst an. Der HSV hat die Gefährte mitgebracht. „Es ging darum, die Rollstühle als Sportgerät kennenzulernen. Diese haben andere Funktionen als reguläre Rollstühle.“ Das ist auf den ersten Blick zu sehen. So gibt es einen Stoßschutz, um die Füße zu schützen, dazu sind die Räder abgeschrägt. So können die Rollstühle so gut wie nicht umkippen.
Unter der Aufsicht von Inken Pfeiffer sowie den beiden Bundesliga-Profis Luc Weilandt (23) und Kai Möller (31) üben die Kinder zunächst, aus dem Sitzen heraus zu werfen. Der Bewegungsablauf ist ein anderer, das merken sie sofort. Einige der Teenager haben den Dreh allerdings schnell heraus, die Bälle zischen ins Netz. „Ich dachte erst, es wird sehr schwer“, sagt Siebtklässlerin Sarah, die selbst zuvor keine Berührungspunkte mit Rollstühlen hatte. „Aber wenn man es erklärt bekommt, ist es einfach.“ Der Unterschied sei: „Man dribbelt nicht so viel.“
Die Schülerinnen und Schüler werden dann in zwei Mannschaften aufgeteilt für ein Match. „Nicht aufstehen. Und die Füße innen lassen, das ist ganz wichtig“, sagt Inken Pfeiffer und erklärt: „Prinzipiell sind die Regeln genau gleich. Im Rollstuhl-Basketball wird Fünf-gegen-Fünf gespielt.“ Nur diesmal nicht, weil es eben viel mehr Spielerinnen und Spieler sind. Der Korb ist genauso hoch wie üblich in den Ligen, ein Spiel dauert vier mal zehn Minuten. „Und Doppeldribbeln ist erlaubt.“ Maximal zweimal darf der Rollstuhl in Ballbesitz geschoben werden, sonst gilt dies als „Schrittfehler“.
Die Sportart entstand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Sportart ist ausdrücklich inklusiv. Das bedeutet: Bis hoch in die Bundesliga dürfen die Teams auch Mitglieder haben, die nicht aus körperlichen Gründen im Rollstuhl sitzen. Auf internationaler Ebene ist das dann aber nicht mehr erlaubt. Kai Möller hat seit Geburt eine Behinderung, eine Fehlbildung der Wirbelsäule (Spina Bifidia). Basketball spielt er seit zwölf Jahren, er war Mitglied der deutschen Mannschaft bei den Paralympics in Rio de Janeiro 2016, hat an zwei Weltmeisterschaften und drei Europameisterschaften teilgenommen, sogar eine Saison in Italien gespielt. Gerne gibt er seine Expertise und seine Erfahrungen weiter. „Meist sind die Kinder sehr fit. Man merkt, dass sie Bock haben und keine Hemmungen.“
Auch nicht bei der anschließenden Fragerunde. Die Jugendlichen sind neugierig, fragen Luc Weilandt, warum er denn im Rollstuhl sitzt. Der gebürtige Hamburger ist seit einem Kletterunfall 2017 querschnittgelähmt. Das hat sein Leben verändert, allerdings nicht seine Sportbegeisterung. „Früher war ich Windsurfer“, sagt der Psychologiestudent. „Ich habe dann mit Rollstuhl-Basketball angefangen, aber ich habe auch Badminton und Tischtennis gespielt, habe Sitzkiten ausprobiert. Schwimmen ist eine der besten, gesündesten Sachen.“ Auch er ist heute Mitglied im deutschen Team Paralympics. Dort hat Rollstuhl-Basketball eine lange Tradition – 1960 wurden in Rom die ersten Medaillen vergeben. Die Sportart selbst gibt es seit 1946, sie hat ihren Ursprung in den USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es Soldaten, die trotz Kriegsverletzungen weiterhin ihren Sport ausüben wollten.
Bis zu 8000 Euro kostet ein Sport-Rollstuhl
Die Mädchen und Jungen in der Olzeborchschule sollen raten, wie teuer denn ein Sportrollstuhl ist. „25.000 Euro!“, schätzt einer. Nein, nicht ganz so luxuriös. Aber die Wettkampfmodelle kosten durchaus 3000 bis 5000 Euro. „Davon bekomme ich 2100 Euro über die Krankenkasse“, so Luc Weilandt. Der Vorteil als Nationalspieler ist allerdings, dass die Ausrüstung komplett gestellt wird. „Unsere Rollstühle sind Sonderanfertigungen“, sagt Kai Möller. Eine solche kostet bis zu 8000 Euro.
Für das HSV-Team von Luc Weilandt und Kai Möller ist die Saison übrigens bereits beendet, in der RBBL belegten die Baskets den achten Platz, damit gelang knapp der Klassenerhalt. Die Heimspiele werden in der Wilhemsburger edel-optics.de-Arena ausgetragen vor in der Regel 200 bis 300 Zuschauern.
Die ungewöhnliche Sportstunde hat Eindruck hinterlassen. „Ich glaube, es ist eine unheimlich wichtige Erfahrung, die sie mitgenommen haben“, sagt Henrik Preuß, bevor er die Jugendlichen in den Matheunterricht schickt.