Bad Oldesloe. Bürger-Stiftung Stormarn ist trotz Pandemie und Niedrigzinsen erfolgreicher denn je. Stifter berichten, warum sie stiften.

Sein Großvater hieß Karl. „Er hat 1930 die Selbstständigkeit als Hausverwalter gewagt und sich in kurzer Zeit einen guten Namen gemacht“, sagt Kay Gladigau. Er habe ihm viel zu verdanken. Neben einer Erbschaft wohl auch die Fähigkeit, erfolgreich im Beruf zu sein. Der Oldesloer ist ein gefragter Bauingenieur, wichtiger Ansprechpartner ungezählter Bauprojekte in der Region. Damit verdient er genug, um sich ein schönes Leben zu machen.

„Das Erbe meines Großvaters brauche ich dafür nicht“, so der 64-Jährige. Er habe keine große Freude an maßlosem Konsum, brauche keinen Ferrari vor der Tür oder andere Luxus-Accessoires. Viel wichtiger ist es Kay Gladigau, den Namen seines Großvaters in Ehren zu halten. Und zwar in Verbindung mit etwas, das nicht nur der Familie, sondern vielen anderen Menschen zugute kommt. Genau dafür setzt Kay Gladigau das Erbe ein, als er im vorigen Jahr damit die ,Karl Gladigau-Hospiz-Stiftung’ gründet. Sie ist einer der derzeit 38 Stiftungsfonds innerhalb der Bürger-Stiftung Stormarn, die als sogenannte Dachstiftung konzipiert ist. Heißt, sie kümmert sich um Verwaltung, Geldanlage und Formalitäten und nimmt dem Stifter damit zeitraubende Arbeit ab.

Marianne Dräger gründete zwei Stiftungsfonds

„So kann ich mich ganz auf den eigentlichen Zweck der Stiftung konzentrieren“, sagt Kay Gladigau. Den hat er ganz bewusst gewählt. Als seine langjährige Bekannte Sabine Tiedtke ein Hospiz in seiner Heimatstadt plant, ist er von der Idee sofort angetan. Er steht ihr nicht nur während des Baus mit Expertenrat und -tat zur Seite. Mit der Gründung des Stiftungsfonds und den Erträgen daraus unterstützt er das Projekt auch finanziell.

„Ohne das Geld der Stiftung könnten wir den hohen Anspruch, den wir an unsere Arbeit haben, nicht erfüllen“, sagt Hospiz-Gründerin Sabine Tiedtke. Die gelernte Krankenschwester hatte die Vision, sterbenden Menschen einen Raum zu bieten, in dessen Atmosphäre ein würdiger und vor allem liebevoll umsorgter Abschied vom Leben möglich ist. Entstanden ist mit dem Hospiz Lebensweg im Bad Oldesloer Westen ein Haus voller guter Energien mit zwölf Gästezimmern und zwei Appartements für Angehörige.

HHHH

Obwohl die Stiftung quasi von allein ihren Ertrag zur Verfügung stellt, ist Kay Gladigau regelmäßig mit Sabine Tiedtke in Kontakt. „Es ist so schön zu sehen, wie sinnvoll das Geld hier eingesetzt wird“, so der Stifter. Das sei ohnehin seine Empfehlung: Bereits während Lebzeiten zu stiften. „Nur dann kann man einschreiten und die Satzung gegebenenfalls noch einmal anpassen“, sagt Gladigau.

Auch Marianne Dräger will miterleben, was ihre Stiftungen bewirken. Als jüngste Tochter des Unternehmers Heinrich Dräger wuchs sie behütet auf. „Dieses Glück möchte ich gern teilen“, sagt die 67-Jährige. Bereits 2008 gründete sie mit einem Teil ihres Erbes gleich zwei Stiftungsfonds: Mit der Dorothea-Stiftung unterstützt sie finanziell den Schulverein der Dorothea-Schlözer-Schule in Lübeck. „Niemand sollte seine Ausbildung abbrechen müssen, weil er es sich nicht leisten kann“, so Dräger. Sie finanzierte neben vielen anderen Zuwendungen zwölf neue Netbooks für die Schule.

HHH

Der zweite Stiftungsfonds trägt ihren Namen. Die Marianne-Dräger-Stiftung fördert Projekte und Publikationen, die sich der Aufarbeitung der Geschichte des Kreises Stormarn und der Hansestadt Lübeck widmen. So erscheint demnächst ein Buch über schleswig-holsteinische Schlösser, das die Stifterin mit einem Druckkostenzuschuss unterstützt. Marianne Dräger sagt: „Die Verwaltung der Stiftungsfonds gebe ich gern in professionelle Hände ab. So kann ich weiterhin kreativ sein und neue Projekte entwickeln.“

Das sei auch der Grund gewesen, ihre Stiftungen unter dem Dach der Bürger-Stiftung Stormarn zu errichten. „Mir gefiel die Idee, mich mit anderen Spendern zusammenzuschließen, um Gutes zu tun in meiner Region.“

HHH

Der Vorstand der Bürger-Stiftung Stormarn (v. l.): Michael Ringelhann, Uwe Sommer, Christa Zeuke, Ernst-Jürgen Gehrke und Ralph Klingel- Domdey.
Der Vorstand der Bürger-Stiftung Stormarn (v. l.): Michael Ringelhann, Uwe Sommer, Christa Zeuke, Ernst-Jürgen Gehrke und Ralph Klingel- Domdey. © HA | Verena Künstner

Außerdem profitiere sie vom reichen Erfahrungsschatz der 2007 gegründeten Dachstiftung, in der sich Jahr für Jahr mehr engagierte Menschen zusammenschließen. Sie spenden Zeit, Geld und Ideen, um sich gemeinsam für unterschiedliche, aber stets gute Zwecke stark zu machen. Jeder Spender zählt, denn Geld allein macht aus einer Stiftung noch kein Erfolgsmodell: Es muss Menschen geben, die den Stiftungszweck tatkräftig unterstützen. Das freiwillige Engagement sogenannter Zeitspender wiegt in der Bürger-Stiftung Stormarn millionenschwer: Im vergangenen Jahr waren es allein 265 Freiwillige, die rund 15.500 Stunden ihrer Zeit gespendet haben. Rein rechnerisch entspräche dies einem Stiftungskapitalbetrag von mehr als zehn Millionen Euro.

„Wir sind sehr froh, dass sich inzwischen so viele Menschen mit uns zusammen für das Gemeinwesen im Kreis einsetzen“, sagt Vorstandsmitglied Ralph Klingel-Domdey. „Sie alle tragen dazu bei, dass die Bürger-Stiftung Stormarn inzwischen ein Stützpfeiler bürgerlichen Engagements im Kreis ist. Dafür gebührt all denen Dank, die uns unterstützen“, sagt Klingel-Domdey und appelliert: „Machen Sie mit! Für dieses Engagement bekommen Sie zwar kein Geld, aber sie werden — im ideellen Sinne — auf jeden Fall reicher.“

HHH

Dass viele Stiftungen der Bürger-Stiftung Stormarn ganz persönliche Herzensprojekte sind, beweist auch das Entstehen der Brigitte Voß-Stiftung. Im Alter von 67 Jahren stirbt die Oststeinbekerin, unerwartet und von einer Sekunde auf die andere. Brigitte Voß war vielfältig ehrenamtlich engagiert, leitete über Jahrzehnte die örtliche Volkshochschule, war Mitbegründerin eines Bürgervereins.

Ihr plötzlicher Tod bringt Ehemann Holger Voß noch während seiner tiefen Trauer zum Nachdenken. Hätte schnellere Hilfe ihr Leben retten können? Wie könnte diese Hilfe organisiert werden? Der Witwer recherchiert, die Söhne Thomas und Christian unterstützen ihn. Im Internet werden sie auf die Handy-App „Meine Stadt rettet“ aufmerksam. Hier werden registrierte Ersthelfer bei einem Notfall in der Nachbarschaft über ihr Smartphone alarmiert. Bis zum Eintreffen des parallel alarmierten Rettungsdienstes sorgen sie in den ersten, bei einem Herzstillstand über Leben und Tod entscheidenden Minuten für Hilfe.

Die Bürger-Stiftung hat auch 265 sogenannte Zeitspender

„Dieses System war aber noch nicht flächendeckend aktiv. Besonders im Kreis Stormarn nicht“, sagt Holger Voß. „Wir fanden in Jörg Schumacher, dem Geschäftsführer der Bürger-Stiftung Stormarn einen Partner, der diese Idee sofort aufgriff und mit großem persönlichen Einsatz veranlasste, die App kreisweit in den Notruf einzubinden.“

Bereits kurze Zeit später wurden erste lebensrettende Einsätze registriert. Die Erträge der Brigitte Voß-Stiftung sponsern die Kosten für die Ausbildung der freiwilligen Ersthelfer und deren Ausstattung mit technischem Equipment wie Defibrillatoren und Beatmungsmasken.

Ob aus ganz persönlichem Schicksal oder dem allgemeinen Wunsch heraus, Veränderungen möglich zu machen – allen Stiftern ist vor allem eines wichtig: Mit ihrem Vermögen Gutes zu bewirken, auch weit über deren Lebenszeit hinaus. Marianne Dräger teilt ihr geerbtes Glück. Und auch Kay Gladigau sagt: „Es macht mir große Freude, mit dem Geld Positives und Nachhaltiges gestalten zu können.“ Das könne man mit einem Ferrari nicht.