Henstedt-Ulzburg. Die vom Bundestrainer nachnominierte gebürtige Henstedt-Ulzburgerin sammelt bei der Frauen-EM in Dänemark internationale Erfahrung.

Hinter Annika Lott liegen aufregende Wochen. Die gebürtige Henstedt-Ulzburgerin feierte bei der Handball-Europameisterschaft der Frauen in Dänemark ihr Debüt auf internationaler Bühne und verpasste mit dem deutschen Team denkbar knapp den Einzug ins Halbfinale.

Dass Lott, die für den Buxtehuder SV in der Bundesliga auf Torejagd geht, überhaupt den Sprung in das DHB-Aufgebot schaffte, war für die 21-Jährige eine große Überraschung. Als Nachrückerin für die verletzte Mia Zschocke (TSV Bayer 04 Leverkusen) stieß sie erst wenige Tage vor Turnierbeginn zur Crew von Bundestrainer Henk Groener.

Nachrückerin für Mia Zschocke

„Ich gehöre zwar schon seit längerem zum erweiterten Nationalmannschaftskader, stand für die EM auf der Reserveliste und habe im Oktober noch an einem Lehrgang teilgenommen, an das Turnier aber nicht gedacht. Ich bin noch jung, die EM war erst einmal kein Thema für mich.“ Doch dann kam der Anruf des Bundestrainers, der sie für den deutschen 18er-Kader nachnominierte.

„Ich saß bei meinen Eltern in Hen­stedt-Ulzburg auf dem Sofa, als Henk anrief“, erinnert sich Annika Lott. Noch am Abend ging es zurück nach Buxtehude. „Am nächsten Tag bin ich dann mit gepackter Tasche nach Frankfurt gefahren, wo sich das Team vorbereitet hat. Das kam alles sehr plötzlich und hat mich etwas überrumpelt.“

Fünf Tore fehlen zum Halbfinale

Das Turnier in Dänemark verlief für Lott und die DHB-Auswahl zunächst gut. Nach dem Einzug in die Hauptrunde war das Halbfinale zum Greifen nah. Nach zwei knappen Niederlagen gegen die Niederlande (27:28) und Kroatien (20:23) fehlten am Ende dann aber genau fünf Tore, um das sportliche Ziel zu erreichen.

„Natürlich waren wir alle sehr enttäuscht, die Stimmung war entsprechend gedrückt. Man fragt sich dann, warum es nicht gereicht hat“, sagt Annika Lott. Für sie persönlich erfüllte sich mit der Teilnahme an der Europameisterschaft aber dennoch ein Kindheitstraum.

„Schon als kleines Mädchen hatte ich das Ziel, einmal in der Nationalmannschaft aufzulaufen. Das DHB-Team hat mich sehr herzlich aufgenommen, und einige Spielerinnen kannte ich ja schon aus der Bundesliga oder von früheren Lehrgängen. Ich bin eher zurückhaltend, habe mich nach kurzer Zeit aber sehr wohl gefühlt und konnte viel lernen. Die Zeit ging wahnsinnig schnell rum.“

Kurzeinsatz beim 21:21 gegen Polen

Auch wenn Lott nicht über einen Kurzeinsatz im letzten Vorrundenspiel gegen Polen (21:21) hinauskam, überwiegen für sie die positiven Eindrücke. „Ich habe ehrlicherweise nicht erwartet, viele Spielanteile zu bekommen. Mein erstes Tor war ein ganz besonderes Gefühl. Ansonsten habe ich das Team von der Bank aus angefeuert.“

Dass wegen der Corona-Pandemie keine Zuschauer erlaubt waren und deshalb eine eher sterile Atmosphäre in den Hallen vorherrschte, war für sie nicht ungewohnt. „Ohne Fans fällt die Aufregung vor dem Spiel geringer aus. Da wir in der Bundesliga schon länger vor leeren Tribünen spielen, konnte man mit der Situation gut umgehen.“

Das Handballspielen gelernt hat Annika Lott beim SV Henstedt-Ulzburg, für den sie bis 2016 in verschiedenen Nachwuchsteams aktiv war. Mit dem SVHU gewann die 1,80 Meter große Rechtshänderin 2015 die Bronzemedaille bei der nationalen B-Jugend-Meisterschaft. 2016 wechselte sie zum TSV Bayer 04 Leverkusen, wurde mit den Rheinländerinnen 2018 Deutscher A-Jugend-Meister und wechselte anschließend zurück in den Norden zum Buxtehuder SV in die Bundesliga.

„Mein Motto war schon immer, einfach mein Bestes zu geben und zu gucken, was passiert“, erklärt Lott ihre Handball-Philosophie. „Bei meinem ersten A-Länderspiel war ich erst 20 Jahre alt. Das ist unglaublich, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich habe dann aber gesehen, dass ich mithalten kann, habe weiter an mir gearbeitet und bin immer optimistisch geblieben. Wenn man für den Handball lebt, ist die Teilnahme an einem großen Turnier immer ein Ziel.“

Lott ist bodenständig und zurückhaltend

Trotz ihrer steilen Karriere, die Annika Lott binnen weniger Jahre vom Nachwuchs des SVHU bis zur Europameisterschaft der Frauen geführt hat, ist die Jura-Studentin immer bodenständig und zurückhaltend geblieben. „Mit einigen Mitspielerinnen von früher bin ich noch gut befreundet. Viele finden meinen Werdegang außergewöhnlich und sagen: ,Verrückt, was aus dir geworden ist.‘ Auch meine Mutter wird öfters auf mich angesprochen. Aber für mich ist das alles total normal.“

Den sportlichen Weg von Annika Lott begleitet hat Frank Hamann. Er trainierte die hoffnungsvolle Nachwuchsspielerin sowohl in der U-18-Auswahl des DHB als auch bei den Frogs-Ladies in der 3. Liga. „Sie stand 2015 in unserem Kader für die U-17-Europameisterschaft in Mazedonien, bekam aber nicht die erhofften Spielanteile. Wir haben dann versucht, sie über die 3. Liga langsam aufzubauen. Es war früh klar, dass Annika die Chance auf eine hochklassige Handball-Laufbahn hat“, blickt der jetzige Grundschullehrer auf die gemeinsame Zeit zurück.

Am 26. Dezember geht’s um Bundesliga-Punkte

„Es freut mich zu sehen, wie die Spielerin ihren Weg gegangen ist, sich weiterentwickelt und auch anfängliche Schwierigkeiten gemeistert hat. Annika ist ein tolles Beispiel dafür, wie man trotz Umwegen ganz oben ankommen kann“, sagt Hamann, „wenn sie gesund bleibt, hat sie die Chance auf weitere Turniere mit dem DHB.“ Basis dafür sei vor allem die Arbeit von Vereinstrainer Dirk Leun. „In Buxtehude ist sie gut aufgehoben. Wie Dirk dort mit den vielen jungen Spielerinnen arbeitet, ist einfach klasse.“

Viel Zeit, um zwischen Europameisterschaft und Liga-Alltag herunterzufahren, bleibt für Annika Lott übrigens nicht. Schon am 26. Dezember steht für die Nationalspielerin das Match bei Frisch Auf Göppingen auf dem Programm...