Kreis Segeberg. Amateure in Schleswig-Holstein dürfen weiterhin nur eingeschränkt trainieren, Testspiele sind nicht erlaubt. Vereine äußern Unverständnis.

Das Fotoshooting vor einer Saison ist für Amateurfußballer ein liebgewonnenes Ritual, es gibt neue Trikots, neue Gesichter, die Vorfreude auf die ersten Pflichtspiele. Die Kaltenkirchener Turnerschaft bietet sogar noch eine außergewöhnliche personelle Besetzung mit gleich drei Brüderpaaren im Kader (Malte und Lennart Pietsch, Nashim und Josef Jueidi, Dominic und Pascal Nickel), dazu kommen Coach René Sixt und dessen Sohn Lennart. Doch das vorherrschende Gefühl am Marschweg ist Frust. „Langsam ist es ein bisschen nervig. Ich kann die Entscheidung nicht so richtig nachvollziehen. Aber es fehlt mir auch die Kenntnis“, sagt der Übungsleiter.

Wie alle Fußballer in Schleswig-Holstein hatte Verbandsligist KT gehofft, ab Montag wieder uneingeschränkt trainieren und auch Freundschaftsspiele absolvieren zu dürfen. Doch die Landesregierung verzichtet auf Lockerungen in diesem Bereich: Bis 31. August dürfen Amateure nur in Zehnergruppen trainieren, Testpartien sind unterhalb des Profibereichs nicht erlaubt. Die Entscheidung stößt auf Kritik. Unter anderem auch, weil es in Schleswig-Holstein bislang keinen Corona-Ausbruch gegeben hat, der auf ein mutmaßliches Fehlverhalten in einem Sportverein zurückzuführen ist.

Sixt: „Die Jungs können nach Mallorca oder in die Türkei fliegen, das geht, aber wir können kein Spiel mit 22 Leuten plus Auswechselspielern machen.“ Zunehmend reisen Clubs in den letzten Wochen in die Bundesländer, die ihnen wie ein Paradies vorkommen: Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, hier finden Testspiele sogar mit Zuschauern statt. Die KT hatte überlegt, wie in der Vergangenheit wieder ein Trainingslager im brandenburgischen Perleberg zu machen. Aber dort hätte es keine Gegner gegeben. „Die fangen schon an mit der Liga.“ Und zwar am dritten August-Wochenende. Die Kaltenkirchener werden neidisch nach Ostdeutschland blicken. „Ich kriege die Jungs schon beschäftigt. Aber ihnen fällt die Decke auf den Kopf, sie scharren mit den Hufen“, sagt René Sixt.

Dominik Fseisi, Trainer des SV Henstedt-Ulzburg: „Einen Saisonstart vor dem 1. Oktober wird es nicht geben.“
Dominik Fseisi, Trainer des SV Henstedt-Ulzburg: „Einen Saisonstart vor dem 1. Oktober wird es nicht geben.“ © Thomas Maibom | Thomas Maibom

Ursprünglich hätte sein Team in der nächsten Woche ein Vorbereitungsspiel gegen den Nachbarn SV Henstedt-Ulzburg (Landesliga) gehabt. Dessen Trainer Dominik Fseisi findet deutliche Worte. „Man darf sich mit 50 Leuten treffen, aber wir dürfen nicht mit 30 Personen auf die Anlage. Wo ist da die Sinnhaftigkeit? Das sehen nicht nur Fußballer so, sondern alle Sportler.“

Ohne Zuschauer, dazu nur innerhalb der Landesgrenzen, das wäre doch okay gewesen, findet er. „Zum Teil haben wir eine aufgehobene Reisewarnung für die Türkei. Das passt doch nicht zusammen. Alle sind am Boden zerstört. Es hat allen die Köpfe weggehauen. Einen Saisonstart wird es nicht vor dem 1. Oktober geben.“

Ihn ärgert, dass in Hamburg sogar Pokalspiele mit Fans durchgeführt werden. Allerdings ist es in der Hansestadt eben auch so, dass nur die Pokalteilnehmer diese Freiheit – diese gilt ebenso für das Training – genießen. Und wer aus dem Wettbewerb ausscheidet, muss sich wieder den Beschränkungen fügen. Fseisi zieht einen weiteren Vergleich: In Schulen würde wieder normaler Präsenzunterricht stattfinden. „Da hocken sie in den Klassen zusammen.“

TuRa Harksheide hatte für den restlichen August acht Testspiele in drei Wochen geplant, „weil wir davon ausgegangen waren, dass unsere Liga Mitte September losgeht. Jetzt fallen die Spiele aus“, sagt Trainer Jörg Schwarzer. „Nun können wir gar nichts anderes machen, als nach Niedersachsen zu fahren. Dabei war ich immer gegen diesen Freundschaftsspieltourismus, das kostet ja auch Geld.“

Harksheides Coach Jörg Schwarzer: „Nun können wir gar nichts anderes machen, als nach Niedersachsen zu fahren.“
Harksheides Coach Jörg Schwarzer: „Nun können wir gar nichts anderes machen, als nach Niedersachsen zu fahren.“ © Thomas Maibom | Thomas Maibom

Noch bitterer ist die Situation beim Oberligameister SV Todesfelde. Der darf zwar dank einer Sondererlaubnis des Kreises trainieren, wollte aber am Dienstag erstmals einen Test (gegen den SC Rönnau 74) spielen – schließlich findet am 22. August das Landespokalfinale gegen Drittligist VfB Lübeck statt. „Das ist eine Ungleichbehandlung. Es kann doch nicht sein, dass in zwei Dritteln der Bundesländer Fußball gespielt wird. Sollen wir völlig ohne Spielpraxis gegen Lübeck antreten?“, fragt der Vereinsvorsitzende Holger Böhm, der auch Chef des Kreissportverbandes ist. „Aber es geht ja nicht nur um uns, es geht um Fußball, um Amateursport, darum, dass Kinder und Jugendliche seit einem halben Jahr ihren Sport nicht mehr ausüben können.“

Der Schleswig-Holsteinische Fußball-Verband (SHFV) reagiert ernüchtert. „Wir gehen damit sehr sachlich um. Dass es in Schleswig-Holstein so glimpflich abgelaufen ist, hängt mit den Maßnahmen zusammen“, sagt der Geschäftsführer Tim Cassel. Aber: „Wir glauben schon, dass moderate Lockerungen nicht unangemessen gewesen wären. Elf gegen elf an der frischen Luft, mit Erstellung eines Hygienekonzepts, so kann man Sport treiben. Bei den Vereinen habe ich den Eindruck, dass sie sehr vorbildlich sind. Es ist schwer zu erklären, dass die Fußballer in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen spielen dürfen.“

Permanent sei man genau wie die anderen Verbände im Austausch mit der Landesregierung. Cassel: „Aber zu prognostizieren, wie die Entwicklung weitergeht, wäre unseriös. Ich möchte auch nicht in der Haut der Politiker stecken, es ist nicht einfach.“