Norderstedt. Regionalliga-Fußballer bieten dem favorisierten Bundesligisten aus Niedersachsen Paroli und vergeben drei hochkarätige Möglichkeiten.

Höchstens zwölf Zentimeter darf das Gestänge eines Fußballtors breit sein – so steht es in den Regeln des Weltverbandes Fifa geschrieben. Hätte Philipp Koch, Mittelfeldspieler von Eintracht Norderstedt, in der 56. Minute also nur 13 Zentimeter weiter nach rechts gezielt, wäre Bundesliga-Verein VfL Wolfsburg in der ersten Runde des DFB-Pokals arg in die Bredouille geraten, vielleicht sogar wie der Nordrivale Hamburger SV aus dem Wettbewerb ausgeschieden. Doch der von Koch gefühlvoll über die Abwehrmauer gezirkelte Freistoß touchierte den linken Pfosten, anstatt den Weg ins Netz zu finden...

Bitter für den Außenseiter, Glück für die ideenlosen Niedersachsen – und der Knackpunkt der gesamten Partie. 13 Zentimeter weiter rechts, und die Norderstedter wären im mit 4500 Zuschauern ausverkauften Edmund-Plambeck-Stadion in Führung gegangen. Gegen einen Kontrahenten, der gefühlt zwar 80 Prozent Ballbesitz, aber bis auf einen Pfostentreffer von Jakub Blaszczykowski (17.) sowie Chancen für Paul Ntep (82.) und den enttäuschenden Nationalstürmer Mario Gomez (17./81.) keine zwingenden Möglichkeiten hatte.

Bezeichnend: Das Siegtor zum 1:0 (0:0) markierten die Gäste, bei denen nur die mitgereisten 1200 Fans Bundesliganiveau erreichten, nach einer Standardsituation; Yunus Malli schlug eine Ecke vor das Eintracht-Tor, Ignacio Camacho war per Kopf zur Stelle (59.).

„Ich habe leider zu genau gezielt“, sagte Koch, der seit der Gründung des Fußballclubs im Jahr 2003 für die Eintracht aufläuft und vor dem Match von Schatzmeister Horst Plambeck für sein
250. Pflichtspiel im Norderstedter Dress geehrt wurde. „Es ist mir immer eine Ehre, hier zu spielen. Und ich freue mich, dass der Verein einen so Blinden wie mich 250 Partien mit durchgeschleppt hat. Auf die nächsten 250!“, so Koch gewohnt humorvoll.

Die Stimmung bei den Gastgebern – sie schwankte nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Lasse Koslowski (Berlin) zwischen Stolz über eine leidenschaftliche kämpferische Leistung und der Enttäuschung, die Pokalsensation verpasst zu haben. „Wenn wir das 1:0 machen, gewinnen wir. Ich bin mir sicher, dass Wolfsburg dann kein Tor mehr geschossen hätte“, sagte Mannschaftskapitän Marin Mandic, „ich habe den VfL noch nie so schwach gesehen“.

Er und sein Nebenmann Hamajak Bojadgian ließen Superstar Gomez kaum einen Stich. Mandic lieferte sich dabei auch das eine oder andere Wortgefecht mit dem Angreifer. „Da gab’s schon einiges an Trash-Talk zwischen den beiden“, sagte Bojadgian schmunzelnd.

Eintracht-Coach Dirk Heyne machte derweil aus seinem Frust über das Endresultat keinen Hehl. „Wir haben Wolfsburg einen schönen Fight geliefert, aber dafür kann man sich nichts kaufen. Ich bin nicht zufrieden.“

Dafür blieben auf einem anderen Gebiet keine Wünsche offen. Das Spiel des Jahres machte deutlich: Eintracht Norderstedt kann DFB-Pokal – nicht nur sportlich, sondern auch organisatorisch. Vizepräsidentin Julia Plambeck, Corinna Kröger (Geschäftsstelle), Ligaobmann Olaf Bösselmann sowie Platzwart Oliver Schaper machten mit ihrem großen Einsatz ein Fußballfest möglich, von dem in der Stadt noch lange gesprochen werden wird.

Die Mannschaft muss nun möglichst schnell und – im Optimalfall – mit ähnlichem Elan wie gegen den Deutschen Meister von 2009 zum Tagesgeschäft übergehen. „Die Chance auf ein Erlebnis wie gegen den VfL Wolfsburg bekommt man nur, wenn man seine Pflicht erfüllt“, sagte Jordan Brown, der nach dem Match das Trikot von Mario Gomez ergatterte. Das bedeutet: Volle Konzentration auf die Drittrunden-Partie im Oddset-Pokal beim krassen Außenseiter Ahrensburger TSV (Dienstag, 19 Uhr, Klaus-Groth-Straße).


Tor:
0:1 Camacho (59.); Eintracht Norderstedt: Höcker – Marxen, Bojadgian, Mandic, Rose – Koch, Toksöz (80. Meyer) – Brown, Drinkuth, Kummerfeld (70. Kunath) – Lüneburg (65. Veselinovic); VfL Wolfsburg: Casteels – Verhaegh, Brooks (37. Uduokai), Knoche, Gerhardt – Camacho, Bazoer – Blaszczykowksi, Malli (87. Guilavogui), Hinds (74. Ntep) – Gomez.