Norderstedt. Der 32-Jährige coacht mit großem Erfolg das in Norderstedt beheimatete dritte Herrenteam sowie die U17-Juniorinnen des Hamburger SV.
Eigentlich wollte sich Felix Karch, der Trainer der in Norderstedt beheimateten dritten Fußballmannschaft des Hamburger SV, die Zahl „nur spaßeshalber anschauen“. Beim Blick aufs Display seines Handys war der schon von Berufs wegen schwer zu überraschende Hamburger Kriminaloberkommissar dann platt. 70.000 SMS und WhatsApp-Mitteilungen hat Karch im vergangenen halben Jahr geschrieben. „Gott sei Dank ist mein Datenvolumen unbegrenzt. Natürlich sind Privatsachen dabei, aber ich habe eben auch den Anspruch, immer für den Verein und meine Spieler da zu sein.“
Die Leidenschaft für „seinen“ Verein, den HSV, hat Thomas Doll in ihm entfacht. „Als der hier 2004 Trainer der Profimannschaft wurde, herrschte in der ganzen Stadt eine Euphorie, die mich mitgerissen hat.“ Seitdem trägt er die Raute im Herzen.
Auf kleinerer Ebene eifert Karch Doll nach. Am 5. November 2014 übernahm er als Spieler des dritten Teams den Job auf der Trainerbank von Vorgänger Michael Noffz. Der HSV III dümpelte damals im grauen Mittelmaß der Bezirksliga Nord herum, erregte beim Gesamtverein kaum Interesse. Doch der neue Coach rief recht schnell als Ziel den Aufstieg in die Oberliga Hamburg bis 2018 aus. Viele belächelten ihn dafür, mittlerweile lächelt Karch. Ein Jahr früher als erwartet hat seine Mannschaft den Sprung in die höchste Spielklasse der Hansestadt geschafft.
Ein paar hundert treue Fans kommen regelmäßig zu den Begegnungen seiner Mannschaft, die Flutlichtspiele am Freitagabend auf der Paul-Hauenschild-Anlage an der Ulzburger Straße in Ochsenzoll sind stimmungsvoll, der Fußball ist offensiv und attraktiv.
Zusätzlich trainiert der an der Ostsee aufgewachsene Coach und Yoga-Fan auch noch die U17-Juniorinnen des HSV, führte sie zum erstmaligen Klassenerhalt in der Bundesliga. Basis für seinen Erfolg ist selbstverständlich sein Know-how über Fußball. Doch es lohnt sich, den Typen Felix Karch genauer zu betrachten. Schon seine direkte Sprache fällt auf. „Wenn wir scheiße gespielt haben, dann sage ich das. Sportjournalisten und Fans sehen sowieso.“
Verschwurbelte Rechtfertigungsstrategien? Nicht mit ihm! Persönlich wird er allerdings nie: „Respekt ist mir sehr wichtig. Vor allen.“ Weiterhin brennt in Karch ein unbändiger Ehrgeiz, was er mit einer schmerzhaften Metapher umschreibt: „Verlieren fühlt sich so an, als wenn mir jemand einen Morgenstern immer wieder im Bauch herumdrehen würde.“
Also tut er alles, um oft zu siegen. Ein Wochentag während der Saison sieht so aus: 6 bis 16 Uhr Arbeit, 16 Uhr Sport im Fitness-Studio, 18 bis 21 Uhr Übungseinheit mit mindestens einem seiner Teams plus Besprechungen. Am Wochenende dann die Punktspiele, irgendwo dazwischen die Familie.
Der Kriminaloberkommissar kommt mit wenig Schlaf aus
Wie das geht? „Ich schlafe nur drei bis vier Stunden am Tag, am Wochenende manchmal länger. Mein Zeitmanagement stimmt. Spieler zu fördern, gibt mir viel mehr, als es mir nimmt“, sagt Karch. „Zwei Teams zu trainieren ist eine doppelte Tätigkeit, keine Doppelbelastung. Ich freue mich auf jeden Tag. Mir macht das alles Spaß.“
Bezüglich der Nähe, die der Coach zu seinen Spielern aufbaut, verweist er auf „die spezielle damalige Situation, als ich aus der Mannschaft heraus Trainer wurde“. Seine Karriere als Innenverteidiger hängte er erst im Sommer 2015 an den Nagel. Eine künstliche Distanz aufzubauen sei da nicht authentisch.
„Der Trainer ist sensationell, der Zusammenhalt in der Truppe überragend“, lobte der aus familiären Gründen zu Saisonbeginn ausgeschiedene Top-Torjäger Mladen Tunjic Felix Karch, der sich einen Namen in der Branche gemacht hat. Und der stets dazulernt.
So war sein erster Auftritt in einer Live-Sendung des Abendblatt-Blogs „Matz ab“ nach dem 0:3 des Hamburger SV beim 1. FC Köln am 30. Oktober 2016 hochinteressant. Gemeinsam mit Ex-HSV-Spieler Carsten Kober und Abendblatt-Journalist Marcus Scholz analysierte der Trainer des HSV III die Niederlage des Bundesliga-Dinos. Klartext? Eher nicht. Bei „Matz ab“ fallen öfter mal deutliche Worte, für Karch als HSV-Funktionsträger hatte die Loyalität dem Verein gegenüber aber Vorrang. Im schicken Anzug blieb er stets sachlich. Ihm war wohl klar: Hier haben meine Aussagen mehr Gewicht als auf dem Amateurfußballplatz.
Der Auftritt wirkte ein bisschen wie eine Trockenübung. „Ich kann mir durchaus vorstellen, mal vom Trainerberuf zu leben“, sagt Karch. Mit anderen Worten: Da will es einer auf die große Bühne schaffen. Vorrang hat zwar aktuell der Klassenerhalt mit dem HSV III in der Oberliga Hamburg und den U17-Juniorinnen in der Bundesliga. Doch im Sommer 2018 läuft Karchs Vertrag aus. „Dann schaue ich, was der Verein für Pläne hat.“ Und sollte es für den sympathischen Workaholic noch höher hinaus gehen, dürfte bald die Zahl 100.000 auf dem Display seines Handys blinken...