Kisdorf. Die 20 Jahre alte Kisdorferin gewinnt in Millstreet auf Carismo die Goldmedaille in der Einzelwertung und siegt auch mit der Equipe.

Hanna Knüppel liebt offenbar den Nervenkitzel: Bei ihren letzten Auftritten auf der großen Vielseitigkeits-Bühne machte es die Reiterin aus Kisdorf stets richtig spannend.

Bei den Deutschen Meisterschaften in Kreuth lag die 20-Jährige vor dem abschließenden Springen vorne und durfte sich einen Abwurf leisten. Das tat sie auch, es reichte aber zum ersten Platz im Endklassement.

In derselben Ausgangslage befand sie sich nun bei den U21-Europameisterschaften der Jungen Reiter in Millstreet (Irland). Auch hier führten Knüppel und ihr 13 Jahre alter Holsteiner Wallach Carismo nach Dressur und Geländeritt, auch hier durfte das Duo nur einmal patzen.

Das taten die Jugend-Mannschaftseuropameisterin von 2015 und ihr Pferd gleich am zweiten Hindernis. „Warum Carismo da einen Fehler gemacht hat, war nicht ersichtlich. Wahrscheinlich war er noch nicht ganz wach, nach dem Abwurf aber auf jeden Fall“, so Hanna Knüppel, die die letzten neun Hürden ohne Probleme meisterte und sich so ihren ersten internationalen Einzeltitel sicherte.

Damit nicht genug: Auch im Team gab’s Gold, zusammen mit Jerome Robiné (Darmstadt), Lara Schapmann (Ostbevern) und Jan Matthias (Durlangen). „Das war wirklich unglaublich“, sagte die angehende Pferdewirtin selbst ein wenig überrascht.

Die Teilnahme an der EM in Irland stand lange auf der Kippe

Dramatisch verlief nämlich nicht nur die Europameisterschaft, sondern auch die Zeit davor. Lange war nicht klar, ob die Kisdorferin, die am Olympiastützpunkt in Warendorf lebt und arbeitet, wegen einer Schulterverletzung, die sie sich vor vier Wochen zugezogen hatte, überhaupt nach Millstreet fahren würde. „Ich wollte meine Pferde von der Koppel holen, da hat mein Nachwuchspferd Calesco ausgetreten und mich am linken Arm getroffen. Die ärztliche Untersuchung ergab einen Haarriss in der Schulter. Anfangs konnte ich gar keine Bewegung mehr machen.“

Doch Hanna Knüppel gab nicht auf, absolvierte fleißig Krankengymnastik und wurde für die EM gerade noch rechtzeitig fit. Carismo und Cales­co wurden in der Zwischenzeit von den Teamkameraden geritten.

„Beim Turnier habe ich dann eine Schutzschiene getragen, die den Bewegungsradius des linken Arms einschränkt, ihn dafür aber stabilisiert. Bei einem Sturz wären die Folgen nicht so schlimm gewesen. Aber ein gewisses Risiko bestand trotzdem.“

Durch den Doppelerfolg erhöhte Hanna Knüppel ihre Medaillenbilanz bei Nachwuchs-Europameisterschaften auf dreimal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze. Und ein Ende der Erfolge ist noch nicht abzusehen, denn 2018 darf sie noch einmal bei den Jungen Reitern starten.

Jetzt will Knüppel allerdings erst einmal in Ruhe ihre Schulterblessur auskurieren und Urlaub machen. „In Irland war das Wetter zu schlecht. Mal schauen, wo es mich hinzieht.“ Carismo hat ebenfalls Pause und darf es sich auf der heimischen Koppel in Kisdorf so richtig gut gehen lassen.

Der Mut von Bundestrainer Frank Ostholt wird belohnt

Dass Bundestrainer Frank Ostholt Hanna Knüppel trotz ihres Handicaps überhaupt nominierte, lag auch an den Ergebnissen des Sichtungslehrgangs in Warendorf, bei dem sie nur zuschauen konnte. „Da lief einiges schief, auch deswegen wurde ich wohl mitgenommen.“ Die mutige Entscheidung des Nationalcoaches erwies sich in doppelter Hinsicht als goldrichtig...