Norderstedt. Nach zweieinhalb Jahren im Westen spielt Sinisa Veselinovic wieder bei Eintracht Norderstedt – und traut seinem Club eine Menge zu.

Als Sinisa Veselinovic an der Ochsenzoller Straße beim Trainingsauftakt von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt mitmischt, ist für ihn fast alles wie früher. „80 Prozent der Jungs kenne ich noch und habe sofort gemerkt: Alle sind weiterhin menschlich top – und fußballerisch noch stärker“, so Veselinovics Fazit.

Eines aber hat sich gewaltig geändert für den 26 Jahre alten Hamburger Stürmer mit serbischen Eltern, dieser 1,96 Meter und 92 Kilo schweren Mischung aus Brecher und spielendem Angreifer, die schon in der Saison 2014/15 ein halbes Jahr für die Eintracht auf Torejagd ging: Sinisa heißt jetzt Knut! „Trainer Dirk Heyne hat gesagt, er kann mich nicht „Sini“ nennen, also hat er mir im Mannschaftskreis den Spitznamen „Knut“ verpasst. Ob der sich durchsetzt, ist noch nicht raus“, sagt Sinisa „Knut“ Veselinovic und grinst über das ganze Gesicht.

Von Heyne schwärmt er. Seinen neuen Coach findet er „fachkompetent, sehr professionell und unheimlich witzig“. Und dass er sich selbst festspielt im Sturmzentrum der Eintracht, ob mit oder ohne Spitznamen, daran glaubt er ganz fest.

Der Blick auf Veselinovics Karriere legt die Vermutung nahe, im Fußball-Lexikon erscheine unter dem Begriff „Wandervogel“ sein Konterfei. Stattliche sechs Vereine in acht Jahren zieren seine Transferhistorie. Und sieben Wechsel, denn für die Eintracht kickt er ja zum zweiten Mal. Seine Stationen lauten in der Oberliga Hamburg Bergedorf 85 (2009-2010) und SV Curslack-Neuengamme (2010-2012), in den Regionalligen West und Nord die Sportfreunde Siegen (2012-2014), Eintracht Norderstedt (Sommer 2014 bis Winter 2014), SV Rödinghausen (Winter 2014-Sommer 2016), SC Verl (2016-2017) – und nun ist wieder die Eintracht dran.

Veselinovic wuchs in Mümmelmannsberg auf

„Ich habe es darauf nie angelegt, würde gerne bei einem Verein länger bleiben“, sagt Veselinovic. Er wirkt dabei glaubwürdig, wie das Arbeiterkind aus Mümmelmannsberg, das er ist. Die vielen Luftveränderungen erklärt Veselinovic mit unterschiedlichen Gründen. Sein Studium (Sportmanagement und Kommunikation) an der Deutschen Sporthochschule Köln bedingte eine Nähe zu Westdeutschland, bei der Eintracht fühlte sich der Angreifer damals extrem wohl, aber der SV Rödinghausen unterbreitete ihm ein überragendes Angebot. Bei den Sportfreunden Siegen erlebte Veselinovic „die bislang schönste Zeit meiner Karriere“. Zwei fünfte Plätze, Sieg im Westfalenpokal, der Stürmer knipste eifrig, das Team war ein verschworener Haufen – doch dann zog sich Mäzen Manfred Utsch nach 30 Jahren als Sponsor zurück. „Von der Hälfte des Geldes hätte ich nicht überleben können, also musste ich leider dort wieder weg“, sagt er.

Zurück in Norderstedt soll der hochaufgeschossene Neuner ein Problem lösen, welches seit dem Regionalligaaufstieg 2013 an der Ochsenzoller Straße virulent ist. Es gibt keinen annähernd gleichwertigen Ersatz in der Angriffsmitte für den direkt nach dem Aufstieg verpflichteten Stürmer Jan Lüneburg. Der ist zwar bullig und abgezockt, aber eben auch ab und an verletzt oder für einen Feldverweis gut. Fällt Lüneburg (39 Tore in 110 Regionalligaspielen) aus oder befindet sich im Formtief, hat die Eintracht ein Problem.

Seit Jahren sucht der Club einen guten zweiten Stürmer

Die erfolglosen Lösungsversuche hießen unter anderem Jürgen Tunjic (damals bereits im Spätherbst seiner Karriere), Morike Sako (zu torungefährlich) und zuletzt Laurynas Kulikas (zu verletzungsanfällig). In der Saison 2014/2015 starteten Lüneburg und Veselinovic, die bereits in der Hamburger Jugendauswahl zusammenspielten, fünfmal von Beginn an gemeinsam. Sie erzielten je zwei Treffer.

Grundsätzlich vertraute Ex-Trainer Thomas Seeliger dennoch seinem 4-1-4-1. „Wenn wir uns um einen Platz streiten müssen, wird der Konkurrenzkampf uns beide pushen“, sagt Veselinovic. „Aber ich spiele auch gerne mit Jan zusammen vorne drin. Wir verstehen uns wirklich gut.“ Unter Heyne scheint ein 4-4-2 statt eines 4-2-3-1 möglich, der Trainer will die Eindrücke der Vorbereitung abwarten.

Viele Tore will Sinisa Veselinovic zusätzlich aus einem anderen Grund erzielen. Er möchte, mit 26 Jahren durchaus ungewöhnlich, immer noch Profi werden. „Das hat nach wie vor eine hohe Priorität in meinem Leben“, sagt der Modellathlet. Allerdings ist ihm klar: In der 1. oder 2. Bundesliga wird er aller Voraussicht nach nicht mehr ankommen.

Doch: „Die dritte Liga ist in Deutschland eine Profiliga. Ich war mehrmals nah dran. Warum sollte der Aufstieg nicht mit Eintracht Norderstedt klappen? Wir haben hier eine klasse Mannschaft und exzellente Bedingungen, der Club ist super aufgestellt. Ich habe extra für zwei Jahre unterschrieben.“