Norderstedt. Julia Karsten-Plambeck will das Image des 2003 gegründeten Fußballclubs verbessern und setzt dabei auch auf die sozialen Medien.

Julia Karsten-Plambeck (36) amtiert seit November 2016 als Vizepräsidentin von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt. Nach ihrem 2001 verstorbenen Großvater Edmund ist das Stadion des Vereins benannt, Vater Horst (75) engagiert sich als Vorstandsmitglied und Schatzmeister. Als Gesellschafterin beim familieneigenen Wohnungsunternehmen und als geschäftsführende Gesellschafterin im Obi-Baumarkt an der Niendorfer Straße ist Karsten-Plambeck beruflich bereits in Führungspositionen aufgestiegen. Sie ist verheiratet, hat einen vierjährigen Sohn und liebt Fußball. Mit dem Abendblatt sprach sie über die emotionale Verbindung zur Eintracht, Ziele und Visionen – und ihren geplanten Besuch in der Mannschaftskabine am 27. Mai.

Wie ist die Idee entstanden, für den Vorstand von Eintracht Norderstedt zu kandidieren?

Julia Karsten-Plambeck: Das ist die lange Geschichte einer wechselhaften Beziehung. Darf ich etwas ausholen?

Wir bitten darum.

Als kleines Mädchen war ich mit meinen Großeltern und meinem Vater schon beim 1. SC Norderstedt. Leider existierte keine Mädchenmannschaft. Zum Kicken ging es mit Freunden auf die Straße. Trotzdem: Den SCN fand ich als Verein toll. Das drehte sich in der Pubertät komplett und hielt längere Zeit an. Ich kann mich noch sehr gut an meine Reaktion erinnern, als Eintracht Norderstedt 2003 gegründet wurde. In einem Satz: Ihr könnt mich alle mal.

Und jetzt sind Sie Vizepräsidentin...

Tja, irgendwann habe ich leise über Umwege mitbekommen, was der Verein alles tut, wofür er steht, wie er sich engagiert. Wie der Club sich von weit unten nach oben gekämpft hat. Solide und langfristig denkend. Ohne Hauruck-Aktionen, mit Verstand und Vernunft. So wie mein Vater in seinem über 40-jährigen Geschäftsleben. Sponsorenbetreuer Eddy Münch hat oft versucht, mich zu überreden, ein Spiel zu besuchen. Vor zwei Jahren gab ich mir schließlich einen Ruck…

Was sicher eine besondere Erfahrung war?

Und wie! Ich hatte schweißnasse Hände. Mein Mann fragte besorgt, ob ich Kreislaufprobleme habe. Doch ich war emotional überwältigt. Beim Passieren des Stadiontors war da dieser Moment, in dem ich verstand: Das hier ist mein Opa. Das hier ist mein Vater. Das ist ihre Leidenschaft. Das löste Bewunderung in mir aus. Das und mit wie viel Herzblut die Menschen hier bei der Sache sind. Ein halbes Jahr später sagte ich zu meinem Vater: Papa, ich hätte Lust, auch was zu machen. Ein wichtiger Unterschied zu den anderen Vorstandsmitgliedern bleibt aber.

Welcher?

Hier gibt es viele Bayern-Fans. Ich bin BVB-Fan und Bayern-Hasser (lacht). Ich habe gleich bei meiner Antrittsrede erwähnt, dass es Zeit wurde, endlich mal einen vernünftigen Fan in den Vorstand zu wählen.

Dort wird die Bundesliga sicher nicht das hauptsächliche Gesprächsthema sein. Worin liegt Ihr Aufgabenbereich?

Im Social-Media-Marketing. Ich will Kontakte zu den Fans aufbauen, die Marke Eintracht pushen. Über Insta­gram, Facebook, Twitter etc. Und zusätzlich über Aktionen wie Fantreffen oder Tage der offenen Tür. Ich soll und möchte den Verein weiterentwickeln. Natürlich immer in Absprache mit dem Vorstandsteam.

Wofür steht aus Ihrer Sicht die Marke Eintracht Norderstedt?

Für Tradition, Kontinuität, Leidenschaft, Verbindlichkeit.

Nicht für Leistung?

Doch, klar. Dafür ist Leidenschaft die Voraussetzung. Ohne Leidenschaft gibt es keine Leistung

Und wofür stehen Sie?

Ich bin offen, direkt und kommunikativ. Und auf jeden Fall ein Teamplayer. Gute Ergebnisse sind nur mit Teamwork zu erreichen. Das ist auf dem Fußballplatz nicht anders als in der Firma.

Haben Sie bereits Initiativen für Eintracht Norderstedt gestartet?

Ja. Wir haben Elbkick.tv als Partner an Bord geholt. Durch Bilder von den Regionalliga-Spielen, Interviews und Live-Übertragungen der Pressekonferenzen erhöhen wir unsere mediale Internet- und Facebookpräsenz. Wir wollen über die Tore Norderstedts hinaus eine Botschaft transportieren: Hier wird guter Fußball gespielt. Darüber hinaus habe ich einen engen Draht zum Ansprechpartner unserer Fanszene, Marcus Sellhorn. Er ist ein toller Typ, hat sehr gute Vorschläge. Von ihm stammt die Idee, ein Interview des Monats mit Spielern oder Verantwortlichen auf die vereinseigene Facebookseite zu stellen, die er ja betreut. Die aktiven Fans sind fantastische Jungs. Ihren Vorschlag, Plakate für die Begegnung gegen den VfB Lübeck zu kleben, habe ich sofort unterstützt, Kleister und Utensilien besorgt. Zusammengefasst kann ich sagen: Über die menschliche Schiene und über die Schiene Neue Medien möchte ich mehr Besucher ins Stadion holen.

Wieso ist der Zuschauerschnitt so niedrig? In der Spielzeit 2015/16 lag er bei 500 Fans, aktuell bei 444…

Das hat drei Gründe. Der HSV und der FC St. Pauli befinden sich zu nah an Norderstedt. Viele SCN-Fans sind inzwischen leider verstorben oder nicht mehr in der Lage, ins Stadion zu kommen. Und es gibt einen gewissen Neid auf uns. Es heißt, wir seien Millionaros oder ein Plambeck-Verein.

Was tun Sie gegen den dritten Punkt?

Argumente dagegensetzen. Der Neid ist für mich totaler Bullshit. Wir sind keine Millionaros. Nur ein Beispiel: Jeremy Karikari wechselt im Sommer zum Oberligisten TuS Dassendorf. Die zahlen ihm mehr als wir. Das war bei uns nicht im Budget drin. Unabhängig von diesem Fall gilt: Unser Verein erwirtschaftet Geld, aber es wird auf keinen Fall sinnlos rausgeschmissen. Wir holen mit unserer guten Jugendarbeit die Kinder von der Straße. Wir sind auch nicht der Vorstand des HSV, zahlen uns keine sechsstelligen Beträge aus. Wir machen alles ehrenamtlich. Mit Emotion, Idealismus und Herzblut.

Manchmal etwas zu vorsichtig, oder? Das DFB-Pokalspiel gegen Greuther Fürth vermarktete die Eintracht von sich aus kaum. Resultat: 3650 Zuschauer, nicht ausverkauft. Muss da offensiver gedacht werden?

Einen Tick offensiver, ja. Die ARD hatte bei uns angefragt wegen eines Trailers für den DFB-Pokal. Präsident Reenald Koch war dagegen, denn der wäre zwei Tage vor dem Oddset-Pokalfinale gedreht worden. Ich verstehe ihn da total, es geht schließlich ums Sportliche. Auch ich würde Spieler wie Jan Lüneburg oder Johannes Höcker nicht durchs Dorf jagen, damit sie überall Interviews geben. So ein Film kann aber zu einem anderen Zeitpunkt produziert werden. Dann passt es. Generell bin ich kein Freund davon, zu groß auf die Kacke zu hauen. Und mir ist etwas anderes bezüglich des Themas DFB-Pokal sehr wichtig.

Schießen Sie los...

Das war damals für uns alle eine total neue Situation. Die Auflagen waren der Hammer. Was wir tun dürfen, was nicht. Vieles hat mich geärgert. So wollten wir als Sponsor der Mannschaft Trainingsanzüge mit dem Schriftzug Plambeck-Obi spendieren. Nur fürs Auflaufen. Durften wir nicht. Das ist für mich Schwachsinn. Genau wie das Abhängen der Banden. Unsere Sponsoren können einmal im Leben live im Fernsehen sein, aber das interessiert den DFB überhaupt nicht. Enttäuschend! Oder das Teilen der Einnahmen zwischen Amateurvereinen und Proficlubs. Es braucht einen Schlüssel, damit die Amateure mehr kriegen. Für uns sind 10.000 oder 20.000 Euro zusätzlich eine Menge Geld. Für Fürth oder gar Erstligisten nicht. Der DFB macht es sich hier einfach: strikte Linie, fertig. So, wie das läuft, läuft es nicht gut. Dennoch: Wir haben extrem viel gelernt. Erreichen wir wieder den DFB-Pokal, wären wir einen Schritt voraus.

Der Oddset-Pokalsieg und die damit verbundene Qualifikation für den DFB-Pokal ist in dieser Saison erneut das große Ziel. Was sind Ihre längerfristigen Wünsche für die Entwicklung der Eintracht? Und wann bewerten Sie Ihre Arbeit als erfolgreich?

Wenn wir den Zuschauerschnitt etwas steigern und unser Image verbessern, Norderstedt etwas populärer machen können, wäre das klasse. Langfristig gesehen wollen wir den Verein in Richtung 3. Liga entwickeln. Und mein persönlicher Traum lautet: einmal einen Profiverein schlagen und in die zweite Runde des DFB-Pokals einziehen (schmunzelt). Davon weiß die Mannschaft aber noch nichts.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Team?

Es ist bisher eine Mischung aus ein bisschen Distanz und viel Offenheit. Ich werde herzlich begrüßt, mag die Spieler. Sie sind gute Fußballer und haben was in der Birne. Sollten sie den Oddset-Pokal am 27. Mai verteidigen, möchte ich in der Mannschaftskabine ein bisschen mitfeiern. Bisher habe ich mich nicht getraut, da reinzugehen. In dem Fall traue ich mich (lacht). Da müssen die Jungs dann einfach durch...