Norderstedt. Ulf Gäde (BSG Stadtwerke Norderstedt) ist ein erfolgreicher Dartspieler – und kann beim kultigen Präzisionssport bestens entspannen.
Wer den ultimativen Kick will, muss live dabei sein. Dafür steht ein Besuch im „Tollhaus“ an, wie das „Ally Pally“ auch genannt wird. Unglaubliche Szenen spielen sich im Alexandra Palace im Norden Londons ab, wenn dort jeweils am Ende eines Jahres die Weltmeisterschaft im Darts stattfindet. Internationale Cracks wie Titelträger Gary Anderson aus Schottland, der Engländer Phil Taylor oder Michael van Gerwen bringen den Saal zum Kochen. Bei einer WM werden täglich fast 3000 Zuschauer gezählt.
Während es an den Tischen ekstatisch und meist mit viel Alkohol zur Sache geht, sind die Könner im Pfeilewerfen mit einer Bärenruhe am Start. Das fasziniert die Massen. Eine Randsportart ist auf dem Weg zum Phänomen, die
TV-Einschaltquoten sind irrsinnig.
Ortswechsel. Ulf Gäde steht vor einem Haus in der Straße Am Böhmerwald in Norderstedt und begrüßt seine Gäste, die spontan erstaunt sind: keine Spur von rauchigem Kneipengeruch, stattdessen ein gediegenes, gepflegtes Ambiente. Es gibt hochwertige Sitzgelegenheiten aus Korbgeflecht, eine Bar, alles ist tipp-topp wie in einer Lounge. Die Stadtwerke Norderstedt haben die Räumlichkeiten aus einem früheren Umspannwerk erstellt. Und: Gegenüber an der Wand sind jeweils zwei Elektronic- und Steeldart-Scheiben angebracht.
„Ja, das hier ist unser kleines Reich“, sagt Ulf Gäde. Er ist seit 18 Jahren Dartspieler. Der 51-Jährige ist bei den Stadtwerken angestellt, gehört zur Betriebssportmannschaft. Außerdem nimmt er an den Wettbewerben der 2. Hamburger Dart-Liga (HHEDL) teil. In der 4. Liga hat er einmal angefangen. „Doch ich wollte weiter hoch, und das ist mir ganz gut gelungen.“ Zum Kreis der besten 100 Hamburger Dartspieler könne er sich inzwischen wohl rechnen, meint er.
Mit einem Mal hört man verschiedene Klingelgeräusche auf der Electronic-Scheibe, fast wie bei einem Glücksspielautomaten. Ulf Gäde gibt Einblicke in den Dartsport, stellt sich mit einem Abstand von genau 2,37 Metern vor der Scheibe auf. Dann konzentriert er sich, Sekunden später saust der Pfeil ins Ziel. Ein präziser Wurf ins sogenannte Triple, wo die Punkte dreifach zählen.
Double Out, so nennt sich das Runterspielen des Punktescores von 501 auf Null. Ein Traum wäre es, dieses Resultat mit neun Pfeilen zu schaffen – das gelingt aber meist nur Topspielern. „Ein Neun-Darter ist ganz schwierig“, bekräftigt Ulf Gäde, der 2013 bei der EM in Prag mit der BSG Stadtwerke die Bronzemedaille holte. Bei der WM Anfang Juni in Palma Nova auf Mallorca reichte es im Einzelwettbewerb zum vierten Platz. In der Mannschaftswertung wurde er mit Sergej Babejew, Volker Florian und Björn Rudwill Dritter.
„Darts fördert den Teamgeist auf besondere Weise“, sagt Gäde. „Das direkte Duell Mann gegen Mann ist für mich eine besondere Herausforderung. Vor allem aber kann man seine Konzentrationsfähigkeit testen. Man lernt, schnell zu rechnen und kann dabei außerdem sehr gut entspannen.“
Überhaupt wird Zielgenauigkeit in der gesamten Familie Gäde groß geschrieben. Ulfs Bruder Niels (50) ist Bogenschütze, und zwar ein sehr erfolgreicher, wie zahlreiche Titel auf deutscher und auf Landesebene unterstreichen. Mutter Gerda gehört noch heute der Schützengemeinschaft Norderstedt an, ihr verstorbener Mann Günter brachte das Bogenschießen nach Norderstedt.
Wäre das denn nichts für den Dartwerfer Ulf Gäde? „Ich habe es mal versucht, es ist aber nicht so mein Ding“, sagt er schmunzelnd.
Vor der Steel-Dartscheibe hat Gäde seine Freundin Corinna kennengelernt, die eine ebenfalls begeisterte Anhängerin dieses Sportes ist. Der gemeinsame, zwei Jahre alte Sohn Corwin wird vielleicht auch eines Tages die Pfeile in die Hand nehmen.
„Ich werde ihm das schon beibringen“, sagt Ulf Gäde, der noch ein weiteres ungewöhnliches Hobby hat. Er ist Schlagzeuger in der Band Diary, die sich regelmäßig in einem Privatkeller trifft und fetzige Rockmusik spielt. So krachend laut wie bei einer Dart-WM mit grölenden Fans im Hintergrund geht es dabei allerdings nicht zu...