Eintracht Norderstedt besiegt Oberliga-Club Altona 93 in einem dramatischen Finale nach Verlängerung und spielt nun im DFB-Pokal.
Nick Brisevac posaunte die Selbstverständlichkeit im Print-Magazin des Online-Portals Fussi Freunde heraus: „Eintracht Norderstedt ist nicht der FC Bayern München“. Der Mittelfeldspieler des Oberliga-Clubs Altona 93 wollte vor dem Oddset-Pokal-Finale gegen den klassenhöheren Regionalligisten so noch einmal deutlich machen: Wir sind ein Kontrahent auf Augenhöhe, haben keine Angst.
Pech für ihn und seine Mannschaftskollegen: Die favorisierten Garstedter waren vor 4705 Zuschauern im Stadion Hoheluft zwar meilenweit von der Spielkunst des deutschen Rekordmeisters entfernt, taten sich bei ihrem 4:1 (0:1/1:1)-Erfolg nach Verlängerung auch sehr schwer – aber sie hatten den legendären Bayern-Dusel.
Oddset-Pokal: Großer Jubel bei der Eintracht
Zunächst deutete alles auf einen Überraschungserfolg von Altona 93 hin. Die Elf von Trainer Berkan Algan war nach einem flach vor das Eintracht-Tor geschlagenen Eckball mit 1:0 in Führung gegangen, Ricardo Balzis stocherte den Ball aus dem Getümmel heraus über die Linie (5.). „Ein Albtraum-Auftakt und ein Albtraum-Treffer. Da ist wie schon in den letzten Punktspielen so ziemlich alles Negative zusammengekommen, was zusammenkommen konnte“, sagte der Norderstedter Coach Thomas Seeliger.
„Das 1:1 war die Entscheidung“
Sorgen machte sich der 49 Jahre alte Fußball-Lehrer in der Anfangsphase der Partie allerdings nicht. „Es gab ja viel Zeit, um das Match noch zu drehen.“ Eineinviertel Stunden später, am Ergebnis hatte sich nichts geändert, sah dies schon ganz anders aus. Seeliger wurde nervös, schaute immer und immer wieder auf seine Armbanduhr, die Minuten der Restspielzeit verrannen wie Sekunden – und dem Coach drohte die zweite Niederlage in einem Hamburger Cup-Endspiel nach 2009. Damals hatte er als Trainer von Altona 93 gegen Außenseiter SC Concordia mit 1:2 den Kürzeren gezogen.
Dann die Szene, die seine Hoffnung auf ein positives Ende gen null sinken ließ. Als Altonas Keeper Joshua du Preez einen Kopfball von Jakob Sachs in die Hand nahm, entschied der gute Schiedsrichter Sven Ehlert (Groß Flottbeker Spielvereinigung) auf indirekten Freistoß wegen unerlaubten Rückpasses (75.). Doch Eintracht-Kapitän Philipp Koch hämmerte den Ball nicht etwa in die Maschen, sondern an den Kopf eines 93-ers. „Da hatte ich das Gefühl, die Kugel geht nicht mehr rein.“
Ging sie doch. Weil Deran Toksöz in der 89. Minute mit dem linken Fuß und dem Mut der Verzweiflung aus 20 Metern abzog und sich der Ball über du Preez hinweg ins Netz senkte. Eintracht-Präsident Reenald Koch: „Das 1:1 war die Entscheidung. Altona war in der Schlussphase platt, die Verlängerung deshalb eine Formsache.“ Auch Koch hatte sich allerdings schon mit dem Gedanken an eine Niederlage vertraut gemacht. „In der 88. Minute waren Thomas Seeliger und Stefan Siedschlag entlassen“, sagte er augenzwinkernd, „aber jetzt ist alles gut.“
Trainer musste schwierige Entscheidung treffen
Wie groß die Anspannung beim Clubchef vor und während des wichtigsten Spiels der Vereinsgeschichte gewesen war, wurde beim Essen von Funktionären und Mannschaft im Ristorante La Fontana am Rugenbarg deutlich. Koch musste seine kurze Ansprache ans Team zweimal unterbrechen, weil ihm vor Rührung die Stimme versagte. „Ihr habt zwar nicht gut gespielt, aber wen interessiert das noch? Dieser Erfolg ist unglaublich wichtig für die Stadt Norderstedt und den Verein. Und ich wünsche mir, dass er der Beginn einer Serie von Pokalsiegen ist.“
Einer der ganz großen Helden des Tages hörte dem „Präsi“ aufmerksam zu – dabei hatte Torhüter Johannes Höcker, der in den Regionalliga-Partien als Nummer eins gesetzt war, nicht eine Sekunde gespielt. Ihm war beim Frühstück von Thomas Seeliger mitgeteilt worden, dass gegen Altona 93 Ole Springer zwischen den Pfosten stehen würde. Die Begründung des Trainers: „,Höcki‘ hatte in den vergangenen Wochen Probleme mit dem Ellenbogen, außerdem ist Ole ist schwächer auf der Linie aber stärker, wenn es um die Strafraumbeherrschung geht. Das war eine sehr schwierige Entscheidung, aber ich habe sie nicht gegen den Menschen, sondern für die Mannschaft getroffen.“
Norderstedt gewinnt Hamburger Pokal-Finale
Und wie reagierte der auf die Reservebank degradierte Schlussmann? Mit vorbildlichem Sportsgeist. Johannes Höcker unterstützte seinen Kollegen, als hätte er nie etwas anderes getan. „Eine Selbstverständlichkeit“, sagte er, „und im DFB-Pokal stehe ich dann ja wieder im Kasten.“ Grund: Ole Springer wird die Eintracht verlassen und sich einen neuen Club suchen.
Bleibt noch die Frage zu klären: Wen wünscht sich der Oddset-Pokal-Gewinner des Jahres 2016 in der ersten Runde des DFB-Pokals, die am Sonnabend, 18. Juni, ausgelost wird? Für Reenald Koch gibt es da keine zwei Meinungen: „Den FC Bayern München. Und zwar nicht nur, weil wir dann den Deutschen Meister zu Gast hätten, sondern weil die Bayern immer sehr großzügig sind und dem Amateurverein die kompletten Zuschauereinnahmen überlassen.“ Gespielt werden würde dann im Millerntorstadion des FC St. Pauli, das 29.546 Besucher fasst...
Eintracht Norderstedt – Altona 93 4:1 (0:1/1:1) nach Verlängerung. Tore: 0:1 Ricardo Balzis (5.),1:1 Deran Toksöz (89.), 2:1 Jan Lüneburg (96.),3:1 Philipp Koch (112.), 4:1 Marco Schutz (120.+2).
Eintracht Norderstedt: Springer – Coffie
(54. Schultz), Karikari, Mandic, Rose – Koch – Marxen, Toksöz, Zekjiri (66. Kunath), Lindener
(71. Kummerfeld) – Lüneburg.