Der 19 Jahre alte Mittelfeldspieler von Eintracht Norderstedt wird im U-23-Team von Rodolfo Cardoso eingesetzt
Norderstedt. Jordan Brown wird dieses Match nie vergessen. Das erste Mal auf einer größeren Bühne zu stehen - die Erinnerung daran sorgt immer noch für Glücksgefühle. "Ich war aufgeladen von der Atmosphäre. Ich war so auf Adrenalin, dass ich nur laufen und durchdrehen wollte." Vor 800 Zuschauern gab der junge Fußballer im August 2010 sein Debüt in der Oberliga für Eintracht Norderstedt, erzielte ein Tor gegen den FC St. Pauli II und erhielt Bestnoten.
Heute ist klar: All dies war eine Ouvertüre, ein Vorspiel. Dass Brown dem eine überdurchschnittliche Saison folgen ließ, insgesamt sieben Treffer erzielte und oft herausragende Leistungen im offensiven Mittelfeld ablieferte, war zwar bemerkenswert. Gleichwohl haftet der Oberliga der Ruf an, sie sei in sich geschlossen.
Die Spieler wechseln von einem Konkurrenten zum nächsten und gerne wieder zurück, doch dem semi-professionellen Geschehen entsteigen kaum Kicker in die Regionalligen oder gar höhere Klassen. Es wird an Jordan Brown liegen, zur Ausnahme von der Regel zu werden. Sein Wechsel zur U-23-Mannschaft des Hamburger SV ist vollzogen, nachdem mit dem Interims-Vorsitzenden Carl-Edgar Jarchow und Neu-Sportchef Frank Arnesen die formell Verantwortlichen des Bundesliga-Klubs ihre Unterschriften unter den Zwei-Jahres-Kontrakt gesetzt haben.
Für Eintracht Norderstedt war es sowieso Ehrensache, dem Eigengewächs nicht den Traum zu nehmen. "Ich hatte in Norderstedt einen Zwei-Jahres-Vertrag unterzeichnet - normalerweise breche ich so etwas nicht", sagt Brown zwar, relativiert aber: "Es gibt Entwicklungen, die man beim Schopfe packen muss. Daher habe ich im Gespräch mit Präsident Reenald Koch um meine Freigabe gebeten."
Aus heutiger Perspektive hat ein Probetraining unter HSV-II-Coach Rodolfo Cardoso vor einigen Monaten das neue Kapitel in der Karriere des 19 Jahre alten Rechtsfußes eingeleitet. Doch direkt im Anschluss an die Übungseinheit im Frühjahr hatte der Spieler sich selbst noch bewusst Zurückhaltung auferlegt. "Ich war vom Verein positiv überrascht und konnte mir sofort vorstellen, dort zu spielen. Aber ich bin dann ohne große Erwartungen rausgegangen, weil ich nicht enttäuscht werden wollte."
Die in den Medien hinreichend beschriebene negative Entwicklung des HSV seit Jahren hat ihn nie abgeschreckt. In den Verhandlungen mit Ulf Zimmer, Geschäftsführer des Nachwuchs-Leistungszentrums an der Ulzburger Straße, wurden dem Talent seine Chancen dargelegt. Und auch die öffentlichen Verlautbarungen zuletzt - etwa, dass nun auch das zweite HSV-Team in den Volkspark umziehen soll - sieht Brown als glaubwürdige Indizien für einen Neuanfang.
"Mit Frank Arnesen wird mehr auf den Nachwuchs gesetzt. In Zeiten, in denen finanziell nicht mehr so viel möglich ist, schaut man eben in die eigenen Reihen. Das sind ja keine schlechten Fußballer, sie müssen nur spielen."
Hoffnung und Bescheidenheit halten sich allerdings die Waage. Jordan Brown ist geerdet - seine Mutter hat in dieser Hinsicht vorgesorgt. "Sie berät mich in menschlichen Dingen, da ist sie sehr wichtig für mich."
Andererseits sucht sich Brown sportliche Vorbilder, denen er nacheifern kann. "Es kann ganz schnell gehen, das sieht man bei Muhamed Besic und Heung-Min Son. Gegen die haben wir mit Norderstedt noch gespielt, da sind sie nicht besonders hervorgestochen. Jetzt sind sie in der Bundesliga und in der Nationalmannschaft."
Im Kontrast dazu steht Isaac Akyere. Dieser wechselte 2010 von der Eintracht zum HSV II, konnte sich allerdings nicht durchsetzen. "Isaac ist ein Freund von mir", sagt Jordan Brown. "Für ihn ist es nicht so gut gelaufen, aber das kam primär durch sein Verletzungspech. Jetzt will er durchstarten."
Damit wären sie schon zu zweit. Die Möglichkeit, dass der Schritt doch zu groß ist, hat Jordan Brown realistischerweise mit einkalkuliert. "In den nächsten zwei Jahren wird der Fußball im Vordergrund stehen. Dann werde ich sehen, ob mir der Sprung in den Profibereich gelingt oder nicht."
In der kommenden Woche wird sich Jordan Brown zunächst in seiner mündlichen Abiturprüfung im Fach Biologie zum Thema Evolution den Fragen der Lehrer stellen müssen, dann hat er die Oberstufe erfolgreich abgeschlossen. Ein paar Wochen relaxen möchte er anschließend, ehe die Lehrzeit beginnt. "Ich werde es als Ausbildung sehen. Fußball kann ein Beruf sein, aber das hängt von mir ab."