Norderstedt. Die Freunde Stefan Jacobs und Thorsten Boldt gehen auf dem „Camino del Norte“. Was sie von ihrer besonderen Reise berichten.
- 851 Kilometer lang ist ihr weg, bisher haben sie etwa die Hälfte geschafft.
- Der Weg läuft direkt am Meer entlang, an der spanischen Atlantikküste.
- Zu Hause in Norderstedt sind die beiden Pilger als Kampfsportler aktiv.
Allein schon wegen des Namens musste er wohl irgendwann einmal diesen Weg gehen. Der Norderstedter Stefan Jacobs (63), Gründer und Cheftrainer des Vereins für Selbstverteidigung und Kampfsport Kodokan, befindet sich seit zwei Wochen mit seinem guten Freund und Judo-Trainer Thorsten Boldt (60) in Spanien auf dem Jakobsweg. Schon seit mehr als 1000 Jahren wandern Pilger dort zum Grab des Apostels Jakobus in der Stadt Santiago de Compostela. Heutzutage allerdings nicht mehr nur aus religiösen Gründen, sondern auch, um dem Alltag zu entfliehen und ein wenig Ruhe in der Natur zu finden.
Ausgesucht haben sich Jacobs und Boldt die noch eher unbekannte Route Camino del Norte, den Küstenweg, der direkt am Meer verläuft. Der Start erfolgte für die beiden in der Stadt Irun an der Grenze zu Frankreich. Entlang der Steilküste, über Wiesen, Wälder und Berge, aber auch direkt am Strand geht es dann vorbei an bekannten Großstädten wie San Sebastian, Bilbao, Santander und Gijon rund 851 Kilometer westlich bis nach Santiago de Compostela. Innerhalb von vier Wochen wollen Stefan Jacobs und Thorsten Boldt die Strecke bewältigen.
Jakobsweg: Täglich stehen 25 bis 30 Kilometer Fußmarsch auf dem Programm
Täglich haben sie sich 25 bis 30 Kilometer Fußmarsch vorgenommen. Die ersten beiden Wochen liegen inzwischen hinter ihnen. Und die hätten sie ganz gut überstanden, wie Stefan Jacobs dem Abendblatt via Sprachnachricht wissen lässt: „Wir sind jetzt bei Kilometer 366. Vor uns liegen noch etwa 485 Kilometer. Morgen und übermorgen gehen wir das Bergfest an. Ab dann wird es immer leichter.“
Bis auf einen kleinen Rucksack mit atmungsaktiver Wäsche, die man auch mal mehrere Wochen am Stück tragen kann, ohne sie zu waschen, guten Wanderschuhen und einer leichten Regenjacke hatte Stefan Jacobs beim Abflug von Hamburg nach Biarritz (Frankreich) nichts dabei. Bislang sind er und Kollege Boldt von größeren Blessuren verschont geblieben. „Thorsten und ich sind nach wie vor guter Dinge. Die Füße machen anstandslos mit, wir haben keine Blasen. Wenn man pro Tag an die 30 Kilometer marschiert, merkt man aber schon, dass dann die Gelenke, Sehnen und Bänder anfangen zu zwicken und langsam Probleme machen. So bis Kilometer 25 ist alles gut, aber danach geht es sehr schnell in einen Leidensweg über.“
Ungewöhnliches Geschenk zum 60. Geburtstag
Dass Stefan Jacobs nun zum Pilger geworden ist, hat übrigens nichts mit irgendeiner inneren Einstellung oder Lebensphilosophie zu tun. Zum 60. Geburtstag hat der ehemalige Ju-Jutsu-Bundestrainer und Nationalcoach der Schweiz diese ganz spezielle Reise von seinem Aikido-Kumpel Thorsten Boldt geschenkt bekommen. Als der vor Kurzem ebenfalls 60 wurde, war für beide der passende Zeitpunkt gekommen, den Jakobsweg in Angriff zu nehmen.
„Eine Hilfe, um ein wenig spirituell zu werden, ist das bestimmt. Ich bin aber nicht so der gläubige Mensch. Den meisten Respekt habe ich vor den körperlichen Herausforderungen. Aber auch davor, einfach mal loszulassen. Es wird mir nicht so leichtfallen, ein bisschen Abstand zu gewinnen“, sagte Stefan Jacobs kurz vor der Abreise.
Das Handy ist dabei, aber nur maximal eine Stunde am Abend an
Das Handy ist zwar mit dabei, Jacobs ist aber nur abends für maximal eine Stunde online, um mit Ehefrau Berit und den Kindern Jule und Hannes zu kommunizieren. Das Wetter war bislang eher durchwachsen. Damit hatten die beiden Norderstedter ziemlich zu kämpfen: Auf Höhe von San Sebastian waren es noch 30 Grad. Dann kam aber eine Schlechtwetterfront. Es wurde feucht, sehr windig und kalt.
„Wir gehen hier jetzt bei sieben oder acht Grad durch die Gegend, bewegen uns gerade in den Bergregionen und den ländlichen Gebieten vor allem in Matschgruben und schlittern von A nach B. Es ist schon ziemlich abenteuerlich, sich da durch die Berge zu kämpfen und kostet auch extrem viel Energie. Man kommt nicht so schnell und so weit voran, wie man eigentlich möchte und muss immer aufpassen, dass man nicht umknickt oder sich verletzt“, berichtet Stefan Jacobs.
Übernachtet wird in öffentlich zugänglichen Jugendherbergen
Abends kehren die beiden Pilger auf Spendenbasis in Jugendherbergen ein, wo sie einen Schlafplatz und anschließend ein Frühstück erhalten. Dafür wurde ihnen vorab bei der Online-Anmeldung einen QR-Code zugeschickt. Mit diesem gelangen sie in jede öffentlich zugängliche Unterkunft; auch bei den Pilgern geht man mit der Zeit.
2023 war übrigens ein Rekordjahr was den Jakobsweg betrifft. Insgesamt machten sich 446.035 Pilger aus aller Welt auf die Strecke. Interessant: Es gibt nicht nur einen einzigen Jakobsweg, sondern viele. Auch von Deutschland, Österreich und der Schweiz aus kann man das Ziel erreichen. Man muss sich nur vorab offiziell für eine der Routen online anmelden.
Jakobsweg: Die Route der beiden Norderstedter gilt als Geheimtipp
Der Camino del Norte (sechs Prozent Beliebtheit), gilt als Geheimtipp und ist noch nicht so überlaufen wie die populäreren Camino Francés (65 Prozent) oder Caminho Portugues (16,4 Prozent). Der Küstenweg ist aber auch sehr anspruchsvoll und hat weitaus mehr Höhenmeter als andere Routen. Experten rechnen mit 35 bis 40 Tagen, die man für die Tour einplanen muss.
Jeder Pilger der in Santiago de Compostela ankommt und seinen Pilgerausweis mit den Stempeln der Herbergen vorzeigt, wird in die Statistik aufgenommen. Wer mindestens 100 Kilometer geschafft hat, erhält zudem eine Pilgerurkunde, die sogenannte Compostela. Stefan Jacobs hat es jedenfalls noch nicht bereut, den Küstenweg als Route ausgewählt zu haben: „Die Landschaft ist atemberaubend. Es ist unfassbar, was hier an Natur geboten wird. Manchmal hat man das Gefühl, in Schottland, Skandinavien oder der Bretagne zu sein. Und hier ist alles unheimlich sauber. Nirgends liegt Müll herum.“
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Trotz der vielen Strapazen bleibt also auch immer noch ein Blick für die schönen Dinge am Wegesrand übrig. Und so werden Stefan Jacobs und Thorsten Boldt weiterhin Tag für Tag die Wanderschuhe schnüren, damit sie pünktlich in zwei Wochen das ersehnte Ziel, Santiago de Compostela, erreichen.