Norderstedt. Parkplätze mit Solardächern, Solarparks auf Feldern: Wie die Stadt Norderstedt sich innerhalb von 16 Jahren klimaneutral machen will.
Die Stadt Norderstedt soll bis zum Jahr 2040 klimaneutral sein. Das ist das erklärte Ziel der Stadtvertretung, die dies vor einem Jahr so beschlossen hat. Das deckt sich mit den Klimazielen des Landes. Denn auch die Landesregierung hat angekündigt, Schleswig-Holstein als „erstes Industrieland“ bis dahin CO₂-frei zu machen und dafür ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen.
Was dieses Ziel für Norderstedt bedeutet, hat jetzt der Experte für nachhaltige Stromversorgung bei den Stadtwerken, Dennis Wischnewski, dem Stadtwerkeausschuss vorgestellt. Demnach müssten die Stadtwerke bis 2040 zwischen 70 und 80 Millionen Euro in neue Solarenergieanlagen und Fotovoltaik investieren, rund 4,5 Millionen Euro pro Jahr, stellte Wischnewski das höchst ambitionierte Projekt zum Klimaschutz vor.
Solarstrom: „Wir müssen alle Potenziale ausschöpfen“
Dabei verfolgen die Stadtwerke eine dreistufige Strategie. So sollen große Parkflächen mit Solardächern ausgestattet und freie, zum Teil landwirtschaftlich genutzte Flächen mit Solarstrom-Modulen ausgerüstet werden. Auch die Dächer von städtischen Gebäuden wie die Schulen und Sporthallen könnten und sollten mit Fotovoltaik bestückt werden.
Dazu erklärt der zuständige Werkleiter Nico Schellmann: „Um die Klimaneutralität für Norderstedt bis 2040 zu erreichen, müssen wir beim Solarstromausbau alles parallel machen.“ Freiflächen böten sich an, weil dort großflächig die Solarmodule in einem Schwung installiert werden könnten, erklärt Schellmann. Bei Dachflächen würden bereits versiegelte Flächen genutzt, ohne in Natur- oder Grünflächen einzugreifen. „Wenn wir schnell Fahrt aufnehmen wollen, müssen wir alle Potenziale ausschöpfen.“
Experte Wischnewski schätzt das Potenzial für die städtischen Dachflächen auf bis zu fünf Megawatt erzeugten Solarstrom, was drei bis acht Millionen Euro kosten würde.
Erste solche Anlagen gibt es bereits auf dem Dach des Wasserwerks Harksheide. Die beiden Wasserwerke in Garstedt und Friedrichsgabe sollen möglichst noch in diesem Jahr mit Solarstromanlagen ausgerüstet werden, die 100 bis 130 KWp Solarstrom erzeugen können. Die dabei erzeugte Strommenge werde zum Eigenbedarf der Wasserwerke genutzt und sei darum wirtschaftlich zu betreiben, erklärt Wischnewski.
Stadtpark-Parkplatz könnte als Solarkraftwerk dienen
Bei den öffentlichen Parkflächen böten sich die großflächigen Parkplätze am Stadtpark sowie beim Arriba-Bad an. So würde es etwa 2,5 Millionen Euro kosten, den 5000 Quadratmeter großen Parkplatz am Kulturwerk mit Solardächern zu versehen, unter denen die Fahrzeuge parken könnten. Die elektrische Energie, die dabei erzeugt werden könnte, betrüge 1 Megawatt-peak und könnte somit bis zu einer Million Kilowattstunden Strom erzeugen. Was etwa dem Bedarf von 200 bis 400 Haushalten entspräche.
Beim Arriba-Bad wäre eine Überdachung der Parkflächen mit Solarstrommodulen möglich, die für geschätzte 1,8 Millionen Euro etwas weniger Solarstrom produzieren könnte wie am Stadtpark, heißt es in der Expertise der Stadtwerke. Dafür ließen sich dort direkt nebenan auf dem Firmengelände des Schleifmittelherstellers von Saint Gobain ebenfalls großflächig Solardächer über dem 6000 Quadratmeter großen Parkplatz aufstellen, der schon heute von der Stormarnstraße aus von Besuchern des Stadtparks genutzt wird. Geschätzte Kosten etwa drei Millionen bei einer erzeugten Strommenge von bis zu 1,2 Millionen kwh im Jahr.
Solarparks entlang der Autobahn
Insgesamt versprächen solche Solaranlagen auf öffentlichen Parkflächen eine Energieleistung von bis zu zehn Megawatt-peak, also bis zu zehn Millionen kwh Stromerzeugung im Jahr, womit etwa 2000 bis 4000 Haushalte ihren kompletten Strombedarf abdecken könnten. Bis zu 25 Millionen Euro müssten die Stadtwerke dafür investieren. Diese Stellplatz-Solarmodule sind aber mit 2000 bis 2500 Euro je Kilowatt-peak Energieleistung etwa doppelt so teuer wie die auf Freiflächen.
Darum versprechen sich die Stadtwerke das größte Potenzial auf dem Weg zur Klimaneutralität in Norderstedt im systematischen Ausbau von Solarparks auf Freiflächen, wie sie bereits großflächig entlang der A7 zwischen Bimöhlen und Wiemersdorf oder zwischen Schleswig und Flensburg entlang der Autobahn aufgestellt sind. Auch die Norderstedter Stadtwerke halten die landwirtschaftlich genutzten Felder auf Norderstedter Stadtgebiet östlich der A7 Richtung Bönningstedt und Hasloh dafür gut geeignet.
20.000 Haushalte könnten mit Solarstrom versorgt werden
Dort ließen sich für etwa sechs Millionen Euro Solarstromanlagen errichten, die neun Gigwattstunden Strom im Jahr erzeugten, was 9000 Megawatt oder neun Millionen kwh entspricht. Damit ließen sich wiederum 1800 bis 3600 Haushalte mit Strom versorgen. Dies könnte schon im nächsten Jahr beginnen, da die Stadtwerke bereits für einen ersten Solarpark einen Bauantrag gestellt hätten.
Insgesamt böten sich sogar zwischen 100 und 250 Hektar Land rund um Norderstedt für derartige Solarparks auf Freiflächen an, heißt es in der Analyse von Dennis Wischnewski. Das würde den Stadtwerken Investitionskosten von bis zu 50 Millionen Euro verursachen und mit bis zu 100 Gigawatt Strom im Jahr erzeugen, was den Jahresverbrauch von etwa 20.000 Haushalten abdecken könnte.
Privatleute müssen auf ihren Dächern mitziehen
Allerdings müssten diese öffentlichen Investitionen der Stadtwerke von den genannten 4,5 Millionen Euro im Jahr von privater Seite flankiert werden, die noch einmal dem doppelten Potenzial der Stadtwerke entspräche, führte der Experte Wischnewski in seiner Analyse zur Solarstrom-Initiative aus. Die etwa 70 Megawatt-Peak-Anlagen, die die Stadtwerke für 70 bis 80 Millionen Euro realisieren könnten sollten auf privaten Flächen um weitere 150 Megawatt-Peak-Anlagen ergänzt werden: 80 MW auf Freiflächen und jeweils etwa 35 MW auf privaten Hausdächern und Parkflächen.
Werkleiter Schellmann ist überzeugt, dass die Bürgerinnen und Bürger hierbei mitziehen werden. „Für Privatleute lohnt es sich sofort, wenn sie Solarstrom auf dem Dach erzeugen, weil das ihre Stromkosten senkt.“
Norderstedt: Strombedarf wird sich bis 2045 verdoppeln
Dieser enorme Bedarf an Solarstrom sei notwendig, weil der Stromverbrauch in Deutschland in den nächsten Jahren enorm anwachsen wird, insbesondere mitverursacht durch die Mobilitätswende, die mit den Elektrofahrzeugen erreicht werden soll, und den klimaneutralen Umbau der deutschen Industrie. Offiziellen Schätzungen des Bundes gingen davon aus, dass sich der Energieverbrauch bis 2045 um 70 Prozent steigern wird.
Für die Stadt Norderstedt hieße das, dass sich der aktuelle Strombedarf von 373 Gigawattstunden bis dahin auf 634 GWH nahezu verdoppeln würde. 30 bis 40 Prozent davon sollen durch Solarstromanlagen erzeugt werden, wie sie hier beschrieben sind. Das macht etwa 190 bis 250 GWH Solarstrom aus, die dann zu etwa einem Drittel (70 MW) von den Stadtwerken und zwei Dritteln von privater Seite (150 MW) in knapp 20 Jahren in der Stadt Norderstedt aus Sonnenenergie regenerativ erzeugt werden sollen.