Henstedt-Ulzburg. Können Herzen brechen? Sind Beziehungen gut für die Gesundheit? Dr. Tim Rausche, Chefarzt und Kardiologe, erklärt es.
- „Gebrochene Herzen“ können am Bildschirm so ähnlich aussehen wie ein Herzinfarkt.
- Verliebtheit ist „positiver Stress“ für das Organ, sagt Dr. Tim Rausche.
- Warum eine gute Partnerschaft für ein längeres Leben sorgen kann.
Verliebtheit, Herzklopfen, gebrochene Herzen. Der Valentinstag naht – und bringt die großen Mysterien der Liebe mal wieder auf die Agenda. Zeit, da etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Und was liegt näher, als einen Experten zu befragen, der tagtäglich mit Herzen zu tun hat? Dr. Tim Rausche leitet am Paracelsus-Klinikum Henstedt-Ulzburg den Fachbereich Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin. Ihm haben wir ein paar Fragen über große Gefühle und das große Organ in der Brust gestellt – zum Beispiel die, was eigentlich Frauen- und Männerherzen unterscheidet.
Hamburger Abendblatt: Zum Verliebtsein gehört das Herzklopfen. Können Sie uns einmal erklären, was da eigentlich passiert? Und: gibt es auch „zu viel Herzklopfen“, also Stadien der Verliebtheit, die aus kardiologischer Sicht bedenklich sind?
Dr. Tim Rausche: Generell gilt, dass die Phasen von Verliebtsein oder Trennungen Stress bedeuten. In einem Falle positiver Stress, im anderen Falle negativer Stress. Bei Stressreaktionen werden körpereigene Botenstoffe, sogenannte Hormone, ausgeschüttet. Die Sexualhormone Testosteron und Östrogen, ebenso wie Adrenalin und Cortisol und die sogenannten Endorphine sorgen für Hochgefühl, erhöhen aber auch Puls und Blutdruck. Das hat auch seinen Sinn, da entwicklungsgeschichtlich die Partnerwahl und die Fortpflanzung für den Erhalt der Art wichtige Vorgänge sind. Es ist also folgerichtig, dass die Körperfunktionen „hochgefahren“ sind. Es gibt Fälle, in denen auch durch den positiven Stress kurzzeitige oder auch anhaltende Herzrhythmusstörungen aufgetreten sind. Häufig ist das jedoch nicht.
Abendblatt: Leider enden ja nicht alle Liebschaften gut. Können Sie uns erklären, was das „Broken Heart Syndrome“ ist? Und auch, was sich dagegen tun lässt?
Dr. Tim Rausche: Das „Gebrochene Herz“ ist ja literarisch seit Jahrhunderten bekannt und keine Fiktion. Bei stark negativem Stress wie Todesfällen oder Trennungen können vermehrt Hormone wie Adrenalin ausgeschüttet werden. Bei einer Reihe von Menschen reagieren bestimmte Rezeptoren im Herzen überempfindlich auf diese Botenstoffe und es kommt zu einem plötzlichen Funktionsverlust in diesen Abschnitten des Herzens. Das klinische Bild ist ähnlich einem Herzinfarkt. Die Therapie besteht in einer Überwachung und Gabe von Medikamenten, die den kardialen Stress dämpfen sollen. Generell erholt sich das Herz ohne Folgen innerhalb weniger Tage. Allerdings kann diese Stressreaktion in seltenen Fällen auch schwere Herzrhythmusstörungen mit Reanimationen zur Folge haben. Betroffen sind überwiegend postmenopausale Frauen, aber auch bei Männern tritt dieses Bild auf. Es gibt übrigens Fallbeschreibungen, wo auch das Ergebnis eines Fußballspiels bei einem Fan eine derartige Reaktion ausgelöst haben soll.
Abendblatt: Lässt sich sagen, dass das Leben in einer Partnerschaft generell auch gut für die Herzgesundheit ist?
Dr. Tim Rausche: Viele Langzeitdaten konnten zeigen, dass langfristige Partnerschaften (in den Untersuchungen überwiegend Ehen) insbesondere bei Männern mit einer deutlichen Reduktion an Depressionen, Herz-Kreislauferkrankungen und auch Krebs einhergehen und die Lebenszeit verlängern. Erklärbar wäre dies möglicherweise damit, dass ein Mensch in einer sicheren Langzeitbeziehung weniger Stress auf der Suche nach ständig neuen Partnern zur Fortpflanzung hat. Möglich wäre auch, dass Lebensgefährten sich umeinander kümmern und ein gesünderer Lebensstil, bessere Hygiene und gemeinsame Aktivitäten zu der längeren Lebenserwartung beitragen.
Abendblatt: Was können Paare für die Herzgesundheit tun?
Dr. Tim Rausche: Gemeinsame gesunde und ausgewogene Ernährung statt Fast-Food am PC, gemeinsamer Sport, gemeinsame Urlaube sind sicherlich sehr positive Maßnahmen.
Abendblatt: Gibt es Geschenke zum Valentinstag, die nicht nur ans Herz gehen, sondern auch gut fürs Herz sind, aus ärztlicher Sicht?
Dr. Tim Rausche: Es gibt Hinweise, dass Bitterschokolade in Maßen kardioprotektiv wirken soll. Solche Gerüchte ranken sich um den moderaten Rotweingenuss, allerdings nur bei Männern. Hier wäre vielleicht eher ein Gutschein für einen Schwimmbadbesuch zielführend.
Abendblatt: Was unterscheidet eigentlich Frauen- und Männerherzen?
Dr. Tim Rausche: Das ist tatsächlich eine Frage, die die Wissenschaft in letzter Zeit intensiver beleuchtet. Frauen haben beispielsweise eine höhere Ruheherzfrequenz, bis zur Menopause einen stärkeren Schutz vor Gefäßerkrankungen und ein anderes Fettverteilungsmuster. Diese Faktoren bedingen, dass Frauen sehr viel später als Männer die klassischen Gefäßverschlüsse und Folgeerkrankungen haben. Jedoch sind sie dann im höheren Alter auch gefährdeter, an diesen Erkrankungen zu sterben. Die moderne Medizin nimmt eine genderspezifische Diagnostik und Therapie mehr in den Fokus und es gibt auch bereits angepasste Empfehlungen zur Diagnostik, beispielsweise der Koronaren Herzerkrankung.
Abendblatt: Und zum Abschluss: Wie verbringen Sie denn den Valentinstag?
Dr. Tim Rausche: Unser Team steht natürlich auch an einem solchen Tag rund um die Uhr für die Patientenversorgung zur Verfügung. Von daher werde ich arbeiten und meine Frau hat ihre Ruhe!