Kaltenkirchen. Geschichte des ehemaligen KZ-Außenlagers wird anschaulich gemacht. Verein kämpfte dafür jahrzehntelang.
Jahrzehnte musste der Trägerverein der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen-Springhirsch um eine gründliche Erforschung mit anschließender Ausstellung der Verbrechen des NS-Regimes im Zwangsarbeiterlager Kaltenkirchen-Springhirsch kämpfen. Die ersten Bürgerinnen und Bürger, die die menschenverachtenden Machenschaften der Nazis in dem Außenlager des KZs Hamburg-Neuengamme auf dem Gebiet zwischen Kaltenkirchen und Nützen erforschten, wurden sogar als Nestbeschmutzer beschimpft, darunter der Kaltenkirchener Historiker Gerhard Hoch.
Der Alvesloher setzte alles daran, in dem Waldstück neben dem ehemaligen Flughafen der NS-Luftwaffe Reste des KZ-Außen- und Todeslagers für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Springhirsch auszugraben und die Nazi-Verbrechen öffentlich zu machen. Gegen teils massive Widerstände aus den umliegenden Gemeinden. Gerhard Hoch sorgte beharrlich dafür, die Nazi-Gräuel zu enttabuisieren. Er war es auch, der die Gedenkstätte gründete. Heute wird Gerhard Hoch, der vor fast zehn Jahren im Alter von 92 Jahren starb, noch als Ehrenvorsitzender des Trägervereins geführt.
Ehrenvorsitzende ist auch Uta Körby. Die heute 78-jährige Pädagogin hat ebenfalls maßgeblich dafür gearbeitet, dass die grausame NS-Geschichte aufgedeckt und dokumentiert wird. Schockiert erfuhr die Pädagogin 1997, dass ein Bagger die Fundamente der Wasch- und Latrinenbaracke des KZs freilegte. Uta Körby war auch Vorsitzende der Landesarbeits-Gemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein.
Mit diesen maßgeblichen Anfängen konnte der dritten Täter-Generation endlich eine umfassende Aufklärung und Darstellung der grausamen Geschehnisse in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende des Holocausts gelingen.
Informationsmaterial gibt es auf Deutsch und Englisch
Nun, nur wenige Tage nach dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, eröffnete der Trägerverein unter der Leitung seines Vorsitzenden Hans-Jürgen Kütbach die neue Ausstellung „Zum Beispiel Kaltenkirchen: Geschichte und Nachgeschichte eines KZ-Außenlagers“. Dazu wurde knappes, deutsch-englisches Informationsmaterial wie Flyer und eine kleine Broschüre aufgelegt, die zu weiteren Informationen auf die Website der Gedenkstätte unter www.kz-gedenkstaette-kaltenkirchen.de führen. Ein umfassender Katalog folgt demnächst und wird im Buchhandel erhältlich sein.
In dem KZ-Außenlager verübten SS- und Wehrmachtsangehörige noch 1944 und 1945 zahllose Misshandlungen, Folterungen und Morde an mehreren Tausend Männern aus ganz Europa.
„Dank 383.000 Euro an Spenden konnten wir diese neue Ausstellung jetzt umsetzen“, sagte Hans-Jürgen Kütbach und dankte unter anderem der Kuratorin Béatrice Busjan, die mit ihrem Team und der Lenkungsgruppe des Trägervereins die Schau in dem Dokumentenhaus neben der Ausgrabungsstätte eingerichtet hat.
Der Alt-Bürgermeister von Bad Bramstedt erklärte: „Wir wollen die Besucherinnen und Besucher nicht mit erhobenen Zeigefinger umzingeln, wir wollen möglichst authentisch zeigen, was war, und wir wollen möglichst viele Menschen erreichen.“ Jetzt wolle der Trägerverein die Arbeitsbedingungen für Forschende und Denkmalschutz verbessern. Zudem muss geplant werden, wie die Originalplätze, beispielsweise die Grundmauern der Wasch- und Latrinenbaracke, erhalten bleiben.
„Hier werden historische Quellen gezeigt. Wie konnten solche Verbrechen geschehen, wie konnte das solange verschwiegen werden?“, fragte Dr. Philipp Salamon-Menger, stellvertretender Leiter der Kulturabteilung in Schleswig-Holsteins Kultur- und Bildungsministerium, der Kulturministerin Karin Prien vertrat. Dieses Engagement sei heute wichtiger denn je.
Salamon-Menger zog auch eine klare Linie von der Notwendigkeit der KZ-Gedenkstätten-Pflege zum Massaker der Hamas-Terroristen am 7. Oktober in Südisrael, den Jüdinnen und Juden als zweiten Holocaust erleben: „Der 7. Oktober hat weltweit das Leben von Jüdinnen und Juden, das Leben von uns allen, von Grund auf verändert.“
Jugendliche machten Namen ehemaliger Häftlinge wieder lesbar
„Die neue Dauerausstellung schafft wichtige Grundlagen für die Vermittlungsarbeit“, sagte Salamon-Menger. Gleichzeitig frage die Ausstellung, wie solche Verbrechen geschehen konnten, und warum über das Geschehen so lange geschwiegen wurde. „Unsere Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich engagierte Menschen für Projekte der Aufklärung, der Menschlichkeit und der Freiheit einsetzen“ sagte der Bildungspolitiker.
Kuratorin Beátrice Busjan ging darauf ein, die Gedenkarbeit gemeinsam mit Jugendlichen umzusetzen, wie es auch bei der neuen Ausstellung geschehen ist. So hätten Jugendliche die Namen ehemaliger KZ-Häftlinge wieder lesbar gemacht. Mittlerweile sind mehr als 900 Namen öffentlich zugänglich. Auch die Namen der Täter sollen jetzt erforscht werden. Busjan berichtete auch, dass unter den zirka 5000 Gästen pro Jahr viele ausländische Gäste seien. Daher seien alle Beschriftungen mehrsprachig gestaltet.
Gedenkstellenleiter Marc Czichy verwies ebenfalls auf die intensive Bildungs- und Vermittlungsarbeit für Schulen, Polizei und Bundeswehr. Die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen-Springhirsch sei zu einem professionellen und pädagogisch fundierten Lern- und Bildungsort geworden. „Gleichzeitig beleuchtet die neue Ausstellung detailliert den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit den historischen Ort nach 1945“, sagte Czichy.