Norderstedt. Stadtwerke investieren massiv in Lade-Infrastruktur. Wo die Säulen stehen sollen und mit wie vielen Elektroautos man bis 2030 rechnet.
Die Stadtwerke Norderstedt planen einen massiven Ausbau ihrer Lade-Infrastruktur im Stadtgebiet. Wie das städtische Unternehmen im Ausschusses für Stadtentwicklung und Verkehr mitteilte, sollen bis 2030 an 45 öffentlichen Standorten 90 weitere Ladepunkte mit Wechselstrom (AC) sowie etwa ein Dutzend Schnelladestationen mit bis zu 24 Schnellademöglichkeiten für Gleichstrom (DC) neu geschaffen werden.
In diesem und nächsten Jahr sind 20 AC- und zwei DC-Ladestationen mit 44 Lademöglichkeiten in Norderstedt geplant. Insgesamt 180 öffentliche Ladepunkte würde es danach in sechs Jahren in Norderstedt geben, dreimal so viele wie heute. Bis 2040 sollen es dann sogar 500 Ladepunkte sein.
Diese Ausbaustrategie stieß bei der Kommunalpolitik auf wohlwollende Zustimmung. Der zuständige Stadtwerke-Ausschuss soll möglichst schon im Februar die Planung beauftragen, „um den Hochlauf der Elektromobilität in Norderstedt zu fördern“. Bislang haben die Stadtwerke eine Million Euro in diese Infrastruktur investiert.
34 Ladesäulen betreiben die Stadtwerke derzeit im Stadtgebiet
An 29 Stellen im Stadtgebiet – im Stadtpark, am Rathaus, vor dem Herold-Center und an der Ulzburger Straße – betreiben die Stadtwerke 58 Ladepunkte, an denen die Elektrofahrzeuge mit bis zu 22 Kilowatt (Kw) Wechselstrom aufgeladen werden können. Das kann bis zu fünf, sechs Stunden dauern, weil die E-Autofahrer dafür ihre eigenen Ladekabel nutzen müssen und mit nur 11 Kw pro Stunde aufladen können. Weitere 24 AC-Ladepunkte gibt es an zwölf Standorten von privaten Anbietern, die meist von überregionalen Energieversorgern betrieben werden. Etwa 130 private Lademöglichkeiten, überwiegend sogenannte Wallboxen, sind zusätzlich installiert.
An fünf Orten sind von den Norderstedter Stadtwerken zudem zehn Schnelladestationen installiert, die die Autobatterien mit bis zu 150 Kilowatt pro Stunde aufladen können, sodass diese je nach Batterieleistung innerhalb von 20 bis 60 Minuten vollaufgeladen ist. Hinzu kommen bisher drei private Schnelladestationen an Supermärkten und Tankstellen.
1620 E-Autos sind derzeit in Norderstedt gemeldet
Der Grad der Elektromobilität in Norderstedt ist zurzeit noch überschaubar, wächst aber rasch. So ist deren Anzahl in Norderstedt im Jahr 2023 um 25 Prozent auf 1620 E-Autos und im Kreis Segeberg sogar um 30 Prozent auf 5370 E-Autos gestiegen, teilt die Zulassungsstelle der Kreisverwaltung mit. Mit Stand vom 30. Januar 2024 sind es 1668 E-Fahrzeuge in Norderstedt und 5531 im gesamten Kreisgebiet. Zusätzlich wurden 2023 rund 800 Hybrid-Fahrzeuge, die mit Strom und Benzin fahren, in Norderstedt neu zugelassen. Jetzt sind es hier knapp 3900 Hybrid-Fahrzeuge. Im gesamten Kreis Segeberg fahren jetzt rund 10.000 Fahrzeuge mit Hybridmotoren, etwa 2400 mehr als noch Ende 2022.
Dieses Tempo soll stark zunehmen. So rechnen die Stadtwerke bis 2030 mit etwa 15.000 reinen Elektroautos sowie etwa 5000 Hybridfahrzeugen in Norderstedt. Das entspräche beinahe einer Verzehnfachung des heutigen Bestandes an E-Autos. Diese Prognose orientiert sich am Zielwert der Bundesregierung, dass bis dahin von den gut 50 Millionen Fahrzeugen in Deutschland 15 Millionen vollelektrisch sein sollen. Bis Oktober 2023 hatte sich die Zahl der reinen E-Fahrzeuge bundesweit auf 1,3 Millionen im Vergleich zu 2022 mehr als verdoppelt.
15.000 E-Autos bis 2030 in Norderstedt, dazu 5000 Hybride
Der Straßenverkehr hierzulande ist für etwa 20 Prozent des gesamten CO₂-Ausstoßes verantwortlich. Ein Drittel erzeugt die Energiewirtschaft, ein Viertel die Industrie, 15 Prozent die fossil betriebenen Heizungsanlagen in den Privathaushalten und acht Prozent die Landwirtschaft. Die E-Mobilität ist also ein wichtiger Faktor, um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Das wird den Stromverbrauch in Deutschland bis dahin gemäß dieser Prognose in etwa auf 1000 Terawattstunden (TWh) verdoppeln. Allein die E-Mobilität soll dann 175 TWh verbrauchen, etwa sechsmal so viel wie heute.
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Damit die E-Mobilität sich wirklich positiv auf das Klima auswirkt, werden alle Ladestationen der Stadtwerke mit Ökostrom überwiegend aus Windkraftanlagen gespeist. Rund 670 TuWatt-2Go-Kunden, so heißt dieser Tarif, zählen die Stadtwerke, von denen etwa zwei Drittel monatlich ihr Fahrzeug so aufladen. Hinzu kommen die Ladevorgänge von Kunden anderer Anbieter an den Ladesäulen der Stadtwerke. Der Strombedarf an allen Ladesäulen betrug etwa 400.000 kwh im vergangenen Jahr. Was einer durchschnittlichen Gesamtfahrleistung von zwei Millionen Kilometern entsprechen würde.
Geplant ist nun, vor allem an den oft frequentierten Standorten wie Park-and-Ride-Plätzen, Einkaufszentren, Sportstätten, Freizeiteinrichtungen, Supermärkten und Schulen zusätzliche Ladestationen zu errichten. Bis zu 300 mögliche Standorte gebe es dafür in Norderstedt, so die Stadtwerke. Die Nähe zu bereits vorhandenen Stationen, ihre Nutzungshäufigkeit und die sich daraus ergebende Wirtschaftlichkeit sollen die entscheidenden Kriterien sein, wo bis 2030 die genannten rund 60 zusätzlichen Ladestationen mit jeweils zwei Ladepunkten errichtet werden sollen.
Kommunalpolitik: „Strategie ist richtig!“
„Diese Strategie ist völlig richtig“, findet FDP-Fraktionschef Tobias Mährlein. Gerade Mieter in Mehrfamilienhäusern hätten keine Möglichkeit, ihr Fahrzeug zu Hause aufzuladen. „Wir stehen hinter dieser Strategie“, sagt Julia Glagau von der Fraktion WiN-Freie Wähler. Norderstedt müsse hierbei seinen Beitrag zur Klimaneutralität leisten. „Diese Strategie ist richtig, weil auch der Trend zum E-Auto da ist“, sagt Arne Lunding (Grüne). Vor allem die „Hotspots“, wie das Herold-Center, wo die Ladestationen oft besetzt seien, sollten als erstes ausgebaut werden.
Für die SPD könnte der Ausbau durchaus noch schneller gehen, findet Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl. „Grundsätzlich ist es gut, dass die Ladeinfrastruktur ausgebaut werden soll“, sagt er. „Die Stadtwerke sind auf dem richtigen Weg.“ Aber da die E-Mobilisten ihre Fahrzeuge an diesen öffentlichen Standorten nicht zum Aufladen über Nacht stehen lassen könnten, werde der Bedarf gerade auch in den Wohngebieten immer größer, sagt er.
Strompreis ist noch relativ hoch
Auch die CDU unterstütze dieses Vorgehen der Stadtwerke, sagt Ausschussmitglied Arne-Michael Berg. „Die Strategie ist gut.“ Allerdings seien die Stadtwerke nicht alleiniger Anbieter und müssten darauf achten, wie und wo die privaten Betreiber die E-Ladestruktur auszubauen gedenken. Dabei spiele dann auch der Strompreis eine Rolle, den die Stadtwerke den E-Autofahrern in Rechnung stellten, sagt Berg. „Der ist hier relativ hoch. Die Frage ist, ob das so bleiben kann.“
Zum Jahreswechsel hatten die Stadtwerke, wie berichtet, den Stromtarif an ihren 58 Ladepunkten um rund 20 Prozent auf rund 55 Cent (AC) bis 67 Cent (DC, jeweils brutto) erhöht. Der ADAC bietet seinen Mitgliedern hierbei einen festen Tarif von 60 Cent je kwh für AC und DC-Ladungen an. Bein einem bestimmten Energieversorger, den der ADAC zum Partner erklärt hat, sind es sogar nur 51 Cent/kwh brutto.