Norderstedt. Regenbogenschule Norderstedt startet im August: Was unterrichtet wird, wer die Lehrkräfte sind und wie viel sie im Monat kostet.

  • Private Grundschule will im August mit einer Gründungsklasse aus 16 Kindern starten
  • Unterrichtet wird in den nächsten fünf Jahren in Containern
  • Montessori-Pädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung wird angeboten
  • Beiträge für Eltern liegen zwischen 60 und 360 Euro im Monat

Lehrerin und Schulleiterin Stefanie Neruda kann es kaum erwarten, bis sie sich in ihrer „Traumgrundschule“ endlich um Pädagogik und die Kinder kümmern kann. Und nicht mehr um Baugenehmigungen und Darlehensverträge. Doch wer eine private Grundschule in Norderstedt aus dem Nichts erschaffen will, muss eben viel Pionierarbeit leisten.

„Regenbogenschule“ soll Nerudas Herzensprojekt heißen, das ab dem 30. August 2024 mit einer ersten Klasse starten soll. 16 Kinder und ihre Eltern haben sich bereits fest für die Schule entschieden. „Und wir wollen dann nach dem Start auf 22 Kinder aufstocken“, sagt Neruda. Der Spatenstich für die „Regenbogenschule“ ist für den 6. Mai, 11 Uhr, geplant. Stadtpräsidentin Petra Müller-Schönemann hat sich angekündigt als Vertreterin der Stadtverwaltung und Kommunalpolitik.

Entstehen soll die Schule in Friedrichsgabe an der Lawaetzstraße 3f. Auf fünf Jahre hat der Trägerverein Regenbogenschule Norderstedt dort ein Grundstück von der städtischen Entwicklungsgesellschaft Norderstedt (EGNO) gepachtet. Momentan ist dort noch keine Schule zu sehen. Aber nach dem Spatenstich und dem Vorliegen der Baugenehmigung soll alles ganz schnell gehen, sagt Neruda.

Unterrichtet wird in Containern

Gemeinsam mit dem Unternehmensberater und Vereinsvorstand Jans Tews, der angeblich schon bei der Entwicklung von zwölf anderen Privatschulen mitgewirkt hat, habe Neruda den Standort, die Immobilie und die Finanzierung des Projektes in „trockene Tücher“ gewickelt.

Der Pachtvertrag zum 1. Mai mit der EGNO wurde schon im Dezember unterschrieben. Und man habe das Angebot, über eine Verlängerung des Vertrages oder langfristig über den Grundstückskauf zu verhandeln. Beim Bildungsministerium sei das Konzept für den Schulbetrieb eingereicht, bis spätestens Juni 2024 rechne man mit der Betriebsgenehmigung.

Den Kauf der Container und den Betrieb der Schule habe man mit dem Vertrag in der Tasche über ein Darlehen der GLS Bank finanziert. Darlehen und Schulgeld aus Elternbeiträgen sollen die „Regenbogenschule“ in den ersten zwei Jahren tragen. Erst ab dem dritten Jahr übernehme das Land Schleswig-Holstein 82 Prozent der Kosten.

Eltern engagieren sich auch finanziell

Stefanie Neruda steckt selbst viel privates Geld in das Projekt. Und die von dem Projekt überzeugten Eltern engagieren sich teilweise freiwillig auch finanziell, als Bürgen für das Darlehen. Das ginge gar nicht anders bei der Gründung einer Schule, sagt Neruda.

Die Bürgschaften seien die Absicherung für den Fall, der aus Sicht von Neruda nicht eintreten werde: „Sollte die Schule aus irgendwelchen Gründen in eine finanzielle Schieflage geraten sein und die Rückzahlung des Darlehens vor der vollständigen Ablösung partout nicht mehr möglich gemacht werden können, dann werden die Bürgen für den dann noch ausstehenden Betrag gleichteilig belastet“, heißt es.

Regenbogenschule – das hat nichts mit queerer Pädagogik zu tun

Derzeit würden sich die bereits angemeldeten Kinder bei privaten Spielnachmittagen besser kennenlernen. Und wenn der Spatenstich erfolgt ist und endlich etwas zu sehen sein wird an der Lawaetzstraße, dann glaubt Neruda auch, dass derzeit interessierte, aber noch zweifelnde Eltern die „Regenbogenschule“ besser kennenlernen wollen und ihre Kinder danach anmelden.

Allein der Name der Schule sorgte in der Vergangenheit für Irritationen. In Sozialen Netzwerken witterten manche bei „Regenbogenschule“ gleich „Genderwahn“, queere Pädagogik oder esoterische Verbrämung. „Mir schrieb sogar eine offenkundig homophobe Mutter und beschimpfte uns – ohne sich wirklich über uns informiert zu haben“, sagt Neruda.

Die Schulleiterin habe den Regenbogen als Name gewählt, weil er für Hoffnung stehe und selbstverständlich auch für Buntheit und Vielfalt in jeder Beziehung. „Aber wir sind keine Schule der Extreme und lassen uns auch nicht in Dogmen pressen“, sagt Neruda. „Im Gegenteil!“

Schulleiterin sieht bei Regelschulen die strukturelle Überlastung

Die Regenbogenschule will eine „Best-of-Pädagogik“ bieten - all das, was angeblich an Regelschulen aufgrund von mangelnder personeller Ausstattung nicht mehr geleistet werde, sagt Stefanie Neruda. 
Die Regenbogenschule will eine „Best-of-Pädagogik“ bieten - all das, was angeblich an Regelschulen aufgrund von mangelnder personeller Ausstattung nicht mehr geleistet werde, sagt Stefanie Neruda.  © Neruda | Regenbogenschule

Man habe nichts mit Waldorf-Pädagogik am Hut, sei nicht von Scientology unterwandert oder würde obskuren Glaubenskonzepten nachhängen. Geboten werde eine Mischung aus Montessori-Pädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Unterrichtsinhalte orientierten sich am Konzept Bildung für nachhaltige Entwicklung des Bildungsministeriums.

„Wir begleiten die Schulkinder auf ihrem Weg zu sozial fühlenden, ökologisch denkenden, verantwortungsvoll handelnden WeltenbürgerInnen“, beschreibt es der Betreiberverein. Empathie, Team-Kompetenz und Resilienz seien wichtige Ziele, sagt Neruda. „Alles, was uns Menschen von der KI unterscheidet.“ Eine Art Best-of-Pädagogik, wie es Neruda nennt. „Also all das, was die vielen willigen Kolleginnen und Kollegen an den Regelschulen gerne umsetzen würden, aber aus infrastrukturellen Gründen häufig nicht umsetzen können.“

Womit sie das nächste Fass aufmacht. Sind die zwölf existierenden Grundschulen in Norderstedt also nicht mehr gut genug für Norderstedts Kinder? „Ich will auf gar keinen Fall die Leistung und das Engagement meiner vielen Kolleginnen und Kollegen in den Grundschulen schlecht machen. Die wollen!“, sagt Neruda.

Zwei Lehrkräfte unterrichten Klassen mit 22 Schülerinnen und Schülern

Die gelernte Intensivkrankenschwester, die sich 2007 nach der Geburt ihrer Söhne umorientierte und ein Lehramtsstudium begann und abschloss, arbeitete selbst an staatlichen Schulen. Und erlebte diese als unterfinanziert. „Es fehlt der Rahmen, um gute Schule zu machen“, sagt Neruda. Es herrschten Personalschlüssel aus den 90er-Jahren. Es würden aber immer mehr Stoff und Aufgaben hinzukommen. Die Familien hätten sich verändert. „Lehrerinnen und Lehrer haben zusätzlich einen Erziehungsauftrag.“

Und da sei es am Ende eben ein großer Unterschied, ob man als Lehrkraft alleine vor 28 Kindern stehe. Oder – wie es in der „Regenbogenschule“ geplant sei – mit grundsätzlich zwei Lehrkräften vor 22 Kindern. Neruda nennt ein Praxisbeispiel: „Wenn zwei Kinder sich in der Pause raufen, den Streit in die Klasse tragen und ich alleine bin, kann ich 25 Minuten Unterricht vergessen, weil ich den Konflikt lösen muss. Sind wir zu zweit, kümmert sich der eine darum und der Unterricht geht weiter.“

Stadt Norderstedt begrüße die Schulgründung

In einem Wohncontainer an der Lawaetzstraße in Friedrichsgabe berät der Trägerverein interessierte Eltern.
In einem Wohncontainer an der Lawaetzstraße in Friedrichsgabe berät der Trägerverein interessierte Eltern. © Neruda | Regenbogenschule

Gleiches gelte auch für den Krankheitsfall. Wenngleich Neruda nicht den Eindruck erwecken will, dass an der „Regenbogenschule“ immer alles glattlaufen werde. „Eine Schule der Heiligen wird es auch bei uns nicht sein.“ Die Privatschule verstehe sich als Ergänzung zur Schullandschaft.

Und die werde von der Stadt Norderstedt ausdrücklich begrüßt, wie Neruda berichtet. „Die Grundschulen platzen ja aus allen Nähten. Und gerade am Standort Friedrichsgabe entstehen viele neue Wohnungen. Eine zusätzliche Grundschule ist da willkommen.“

Nachhaltige Bildung und Draußen- und Epochenunterricht

Nachhaltige Bildung beschränke sich in der „Regenbogenschule“ nicht auf ein Mal die Woche Müll sammeln, sagt die Schulleiterin. Man orientiere sich im Unterricht an den 17 Nachhaltigkeitszielen der UNESCO, mache wöchentlich „Draußenschule“, etwa auf einem Bauernhof in Glashütte, und fächerübergreifenden Epochenunterricht zu übergeordneten Themen. „Auch so etwas, das an Regelschulen selten klappt. Weil die Lehrkräfte die Zeit nicht haben, die Stoffverteilung mit allen Fachlehrerinnen und Lehrern abzusprechen. Am Ende wird dann eine Projektwoche daraus“, sagt Neruda.

So eine „Traumgrundschule“ ist natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Weil je nach Gehalt üppige monatliche Schulgeld-Zahlungen verlangt werden, könnte sich in Friedrichsgabe also so etwas wie eine Elite-Schule für den Nachwuchs solventer Eltern entwickeln. Ein Szenario, dass Stefanie Neruda so gar nicht aufkommen lassen will. „Reiche Eltern, die eine Privatschule als Statussymbol sehen, sind bei uns an der ganz falschen Adresse.“

Sozialstaffel beim Schulgeld: Von 60 bis 360 Euro pro Monat und Kind

Damit aus der „Regenbogenschule“ kein abgehobenes Wolkenkuckucksheim wird, hat der Verein eine Sozialstaffel in der Tarifstruktur eingezogen. Wer bis 20.500 Euro brutto im Jahr verdient, bezahlt 60 Euro Schulgeld im Monat, plus einmalig 200 Euro Aufnahmegebühr, plus monatlich 17 Euro „Materialgeld“ und plus 84 Euro monatlich Essensgeld. Nachmittagsbetreuung bis 16.30 Uhr ist für zusätzliche 90 Euro zu haben. „Außerdem bemühen wir uns um Sponsoren, die Stipendien für Kinder bezahlen“, sagt Neruda.

Wer bis 35.000 Euro brutto verdient, zahlt 110 Euro Schulgeld (110 Euro Nachmittagsbetreuung), bei bis zu 50.000 Euro brutto sind es 160 Euro (130 Euro), bei bis zu 75.000 Euro brutto 210 Euro (150 Euro), bei bis zu 100.000 Euro brutto 260 Euro (170 Euro), bei bis zu 150.000 Euro brutto 310 Euro (190 Euro) und bei bis zu 200.000 Euro brutto 360 Euro (210 Euro).

Verein plant festen Schulbau und will weiterführende Schule werden

Die „Regenbogenschule“ sei eher ein Ort für „Überzeugungstäter“. Eltern, die voll hinter der Idee der Schule stünden. Und Lehrkräfte, die für das Unterrichten sogar ihren Beamtenstatus an Regelschulen aufgeben oder zumindest ruhen lassen. Was aber geschieht nach den ersten fünf Jahren, wenn der Pachtvertrag mit der EGNO ausläuft?

„Wir haben jetzt genug Zeit, uns in alle Ruhe nach einem passenden Standort für einen festen Bau in Norderstedt umzuschauen“, sagt Neruda. Vielleicht klappe es ja sogar mit der Idealvorstellung, die Regenbogenschule an ein Altenheim anzudocken. Neruda: „Weil wir denken, dass der Austausch der Generationen spannend wäre.“ Und in der Schublade der „Traumgrundschule“ liegt auch der Plan, sich zu einer weiterführenden Schule zu entwickeln. Doch dafür bedürfe es eines ganz anderen finanziellen Aufwandes.

Die „Regenbogenschule“ bietet am 21.4. und am 12.5. , jeweils 14.00-16.00, Info-Veranstaltungen in der Kita Regenbogenkinder am Harkshörner Weg 14 an. Infos unter www.regenbogenschule-norderstedt.de.