Norderstedt. Pakt des SPD-Vorstands mit der CDU bei der OB-Wahl erschüttert Partei. Nun schmiss eine prominente Sozialdemokratin hin.

Die Entscheidung des Ortsvereinsvorstandes der SPD Norderstedt, den CDU-Kandidaten Robert Hille in der Stichwahl für das Amt des Oberbürgermeisters am 5. November zu unterstützen und gleichsam die engere Kooperation mit der CDU-Fraktion in der Stadtvertretung zu suchen, wird zur Zerreißprobe für die Genossinnen und Genossen in Norderstedt.

Teile der SPD-Basis sind mit der Entscheidung des Ortsvereins alles andere als einverstanden. Neben einigen anderen hat nun auch eine prominente Vertreterin der Sozialdemokratie in Norderstedt ihren Austritt aus der Partei erklärt. Sybille Hahn, seit 38 Jahren SPD-Mitglied, seit 33 Jahren als SPD-Stadtvertreterin engagiert und davon 15 Jahre als stellvertretende Stadtpräsidentin. In einer Mitteilung auf ihrem Facebook-Profil teilte sie mit, dass sie „am Boden zerstört“ sei.

Sybille Hahn tritt nach 38 Jahren aus der SPD aus

Sybille Hahn, 71, verlässt die SPD, weil sie die Entscheidung des Parteivorstandes nicht mittragen kann.
Sybille Hahn, 71, verlässt die SPD, weil sie die Entscheidung des Parteivorstandes nicht mittragen kann. © SPD Norderstedt | SPD Norderstedt

„Nach den herben und schmerzhaften Verlusten der SPD in Norderstedt bei der Landtagswahl, Kommunalwahl und der aktuellen Oberbürgermeister*innenwahl, hat sich ein kleiner Kreis von Verantwortlichen in der SPD für eine Wahlempfehlung für den CDU-Kandidaten Robert Hille ausgesprochen“, schreibt Hahn. „Diese Entscheidung ist sachlich nicht nachvollziehbar und wird die SPD viel Glaubwürdigkeit kosten. Und das alles ohne Not!“

Hahn zählte nach der Niederlage von SPD-Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder im ersten Wahlgang am 8. Oktober zu den ersten Unterstützern der unabhängigen Kandidatin und Sozialdezernentin Katrin Schmieder, die aber auch das grüne Parteibuch besitzt. „Indirekt wurde mir parteischädigendes Verhalten vorgeworfen, weil ich mich frühzeitig zu der Erstunterschriftensammlung für Katrin Schmieder gemeldet habe. Nur da war die SPD-Oberbürgermeisterin schon ausgeschieden und die Wahlempfehlung für den CDU-Kandidaten nicht öffentlich.“

„Katrin Schmieder ist eine exzellente Kandidatin“

Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (rechts) verabschiedete Sybille Hahn in diesem Jahr als erste stellvertretende Stadtpräsidentin. 15 Jahre hatte sie das Amt.
Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (rechts) verabschiedete Sybille Hahn in diesem Jahr als erste stellvertretende Stadtpräsidentin. 15 Jahre hatte sie das Amt. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Hahns politische Schwerpunkte als Stadtvertreterin waren die Umwelt-, Kinder- und Jugendpolitik. „Jahrelang habe ich gemeinsam mit der jetzigen Sozialdezernentin Katrin Schmieder kommunalpolitisch zusammengearbeitet. Ich habe sie schätzen gelernt, ihre Klarheit, ihren Überblick, ihre Kompetenz, ihre Suche nach Kompromissen und ihre Empathie für Menschen“, schreibt Hahn. Für sie gibt es bei der Besetzung der Oberbürgermeisterin deshalb nur eine Wahl: „Die Menschen in der Stadt haben eine glaubwürdige, exzellente Kandidatin: Katrin Schmieder!“

Hahn betont, sie war keine pflegeleichte Stadtvertreterin für die Verwaltung und die Oberbürgermeisterin. „Immer wieder wurden Vorlagen und Beschlüsse durch mein penetrantes Nachfragen und Änderungsanträge verbessert.
Und das war gut so!“ Die Mitgliedschaft in der SPD sei eine Tradition ihrer Familie und für sie die Erinnerung und das Versprechen an meine Großväter: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ Gleichwohl hätten sie und auch ihr Mann am Freitag den Parteiaustritt erklärt. „Das ist für uns ein sehr bitterer Weg – aber ohne Alternative!“

Weggefährtinnen zollen Hahn ihren Respekt

Die ehemalige Sozialdezernentin Anette Reinders zollte Sybille Hahn ihren Respekt.
Die ehemalige Sozialdezernentin Anette Reinders zollte Sybille Hahn ihren Respekt. © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

Für ihren Schritt erfährt die engagierte Politikerin große Anerkennung und Unterstützung. So schreibt die ehemalige Sozialdezernentin der Stadt Norderstedt und Ex-Oberbürgermeisterkandidatin Anette Reinders: „Respekt für Deine Haltung und dafür, dass Du Dich nicht verbiegen lässt – auch wenn das manchmal unbequem ist. Viele Menschen in Norderstedt können die Entscheidung des Ortsvorstands der SPD nicht nachvollziehen. Ich fürchte, die SPD hat sich selbst keinen Gefallen getan.“

Ilka Bandelow, Erste Vorsitzende des Vereins Willkommen-Team Norderstedt, ist erschüttert über den Weg der SPD.
Ilka Bandelow, Erste Vorsitzende des Vereins Willkommen-Team Norderstedt, ist erschüttert über den Weg der SPD. © FMG | Claas Greite

Ilka Bandelow, Vorsitzende des Willkommen-Team Norderstedt sieht das ähnlich wie Reinders: „Respekt für diese klare Haltung. Ich bin auch erschüttert über den Weg, den die SPD da eingeschlagen hat. Das hat mehr von beleidigter Leberwurst und Retourkutsche als von politischem Interesse. Die SPD verliert mit Ihnen eine großartige Kämpferin und wird es bitter zu spüren bekommen.“