Henstedt-Ulzburg. AfD will Landesparteitag in Henstedt-Ulzburg abhalten. Rathaus sieht die öffentliche Sicherheit gefährdet und lehnt ab.

Die Gemeindeverwaltung Henstedt-Ulzburg hat genug von der Alternative für Deutschland (AfD): Nach etlichen Veranstaltungen in der Vergangenheit soll nun endlich Schluss sein mit den Treffen der Rechtspopulisten im Bürgerhaus der Gemeinde. Dem Ansinnen der AfD Schleswig-Holstein, sich am 16. September, von 8 bis 18 Uhr, mit 220 Personen für einen Landesparteitag im Bürgerhaus zu treffen, erteilte die Gemeinde jetzt eine Ablehnung.

Am 27. Juni sei der AfD-Antrag bei der Gemeinde eingegangen, teilt Bürgermeisterin Ulrike Schmidt mit. Der ablehnende Bescheid sei am 13. Juli ergangen. Begründung: „Bereits seit einigen Jahren hat es wiederholt Veranstaltungen der AfD im Bürgerhaus unserer Gemeinde gegeben. Dabei ist es im Umfeld der Veranstaltungen zu Gefahren und Störungen für die öffentliche Sicherheit gekommen“, sagt Schmidt.

AfD in Henstedt-Ulzburg: Öffentliche Sicherheit ist in Gefahr

Kurt Klaus Kleinschmidt, Landesvorsitzender der AfD Schleswig-Holstein, hier beim letzten Landesparteitag im August 2022 im Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus.
Kurt Klaus Kleinschmidt, Landesvorsitzender der AfD Schleswig-Holstein, hier beim letzten Landesparteitag im August 2022 im Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus. © Burkhard Fuchs

Trauriger Höhepunkt sei der Vorfall am 17. Oktober 2020, bei dem ein AfD-Unterstützer mit einem Pick-Up in eine Gruppe von Gegendemonstranten der Antifa fuhr und dabei drei Menschen verletzte. Der Prozess gegen den Mann wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr läuft derzeit vor dem Landesgericht in Kiel. „Selbst die Polizei fühlte sich teilweise bedroht und machte zur Warnung von der Schusswaffe Gebrauch“, erinnert die Bürgermeisterin.

Mit der Ablehnung aufgrund dieser Umstände wagt die Gemeindeverwaltung einen Schritt, den sie bisher aufgrund von rechtlichen Bedenken gemieden hatte. Denn die Satzung des Bürgerhauses lässt grundsätzlich Veranstaltungen für Vereine und politische Parteien zu. Es hätte formal einer Satzungsänderung bedurft, die jegliche politische Veranstaltungen untersagt hätte – dann aber für alle Parteien, wofür es keine Mehrheit in der Gemeinde gab.

Satzung des Bürgerhauses erlaubt Nutzung durch Parteien

Vor dem Landgericht Kiel läuft der Prozess gegen einen 22-Jährigen aus Föhrden-Barl. Er war am 17. Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg nach einer AfD-Veranstaltung mit einem Auto in eine Gruppe Antifa-Demonstranten gefahren, ist unter anderem wegen versuchten Totschlags angeklagt. Das Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg begleitet das Verfahren mit Solidaritätskundgebungen.
Vor dem Landgericht Kiel läuft der Prozess gegen einen 22-Jährigen aus Föhrden-Barl. Er war am 17. Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg nach einer AfD-Veranstaltung mit einem Auto in eine Gruppe Antifa-Demonstranten gefahren, ist unter anderem wegen versuchten Totschlags angeklagt. Das Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg begleitet das Verfahren mit Solidaritätskundgebungen. © Christopher Mey

Und deswegen sah sich die Gemeinde über Jahre nicht in der Position, die AfD in ihrem Bürgerhaus verhindern zu können, so lange diese nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten würde – selbst eine Einstufung als extremistischer Verdachtsfall ändere daran nichts, teilte die Gemeinde mit.

Bewusst nimm man nun in Kauf, dass die AfD gegen die Entscheidung klagen wird. Tatsächlich habe die Partei auch schon Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vor dem Verwaltungsgericht eingelegt. „Aktuell läuft dementsprechend ein Gerichtsverfahren, dessen Ausgang es abzuwarten gilt“, sagt Bürgermeisterin Schmidt.

Henstedt-Ulzburg will nicht „Symbol einer rechtsextremen politischen Kraft“ sein

Wenige Tage, nachdem der 22-Jährige Angeklagte in eine Gruppe Demonstranten der Antifa gefahren war, verteilte die AfD in Henstedt-Ulzburg Flyer, die ein Verbot der Antifa forderten. Hier der AfD-Kreisvorsitzende Julian Flak und der Norderstedter Fraktionsvorsitzende Sven Wendorf (rechts).
Wenige Tage, nachdem der 22-Jährige Angeklagte in eine Gruppe Demonstranten der Antifa gefahren war, verteilte die AfD in Henstedt-Ulzburg Flyer, die ein Verbot der Antifa forderten. Hier der AfD-Kreisvorsitzende Julian Flak und der Norderstedter Fraktionsvorsitzende Sven Wendorf (rechts). © AfD/facebook

Der Leidensdruck in der Großgemeinde, immer wieder die AfD-Veranstaltungen und die damit verbundenen Gegen-Demonstrationen und Zwischenfälle erdulden zu müssen, hat offenbar im Rathaus dazu geführt, es nun mit allen rechtlichen Mitteln zu versuchen, die Rechtsextremen zu vertreiben.

Im Übrigen sorgten die AfD-Veranstaltungen für ein negatives Image für Henstedt-Ulzburg. Alle Fraktionen der Gemeindevertretung und der Bürgervorsteher Henry Danielsky seien besorgt, dass die Gemeinde zunehmend als „symbolische Basis einer sich in Schleswig-Holstein formierenden rechtsextremen politischen Kraft“ wahrgenommen werde.

Dazu trägt derzeit auch der Prozess um den AfD-Anhänger vor dem Landgericht bei. Gepaart mit der Zuspitzung des öffentlichen Meinungsstreits zur zunehmend rechtsextremen Entwicklung der AfD, seien nun bei zahlreichen Einwohnerinnen und Einwohnern Vorbehalte gegen Veranstaltungen der Partei in ihrem Heimatort vorhanden, sagt Bürgermeisterin Schmidt.

Bündnis für Demokratie und Vielfalt forderte Haltung von der Gemeinde

Besonders eindringlich formulieren diese Vorbehalten die Bürgerinnen und Bürger, die sich im Henstedt-Ulzburger Bündnis für Demokratie und Vielfalt engagieren. Das Bündnis, bestehend aus Personen eines breiten politischen und bürgerlichen Spektrums, organisierte die friedlichen Proteste gegen die AfD-Veranstaltungen im Bürgerhaus.

In einem offenen Brief hat sich das Bündnis an Bürgermeisterin Schmidt und die Kommunalpolitik gewandt und sie aufgefordert, den Landesparteitag im September zu verhindern. „Zeigen Sie Haltung! Keine Räume und damit keine Unterstützung für die AfD!“

Der Prozess vor dem Landgericht gegen den AfD-Anhänger habe offenbart, „zu welch schrecklichen Taten Menschen bereit sind, weil sie durch den Hass und die Hetze der AfD und durch das von der AfD konstruierte, antifaschistische Demonstranten betreffende Feindbild angestachelt werden“, argumentiert das Bündnis.

Protestierende müssten vor rechtsextremen Übergriffen geschützt werden

Henstedt-Ulzburg Bürgervorsteher Henry Danielski (CDU) und Bürgermeisterin Ulrike Schmidt sind sich einig in der Ablehnung der AfD: „An erster Stelle steht für uns die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger!“.
Henstedt-Ulzburg Bürgervorsteher Henry Danielski (CDU) und Bürgermeisterin Ulrike Schmidt sind sich einig in der Ablehnung der AfD: „An erster Stelle steht für uns die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger!“. © Christopher Mey

„Wenn Menschen gegen die AfD und gegen AfD-Veranstaltungen protestieren, sind sie einer potenziellen Gefahr rechtsextremer Übergriffe ausgesetzt“, so das Bündnis. Entsprechend sehe man die öffentliche Sicherheit rund um das Bürgerhaus bei einem AfD-Landesparteitag gefährdet. „Nicht von den Menschen, die sich für die Demokratie stark machen und die gegen die AfD protestieren, sondern von der AfD und ihren Veranstaltungen geht eine Gefahr aus“, teilt das Bündnis mit.

Und dieser Umstand würde es der Gemeinde sogar nach der bestehenden Satzung für das Bürgerhaus erlauben, die AfD auszuladen. Dort stehe nämlich explizit, dass Veranstaltungen abgelehnt werden können, „die nach Art und Umfang geeignet seien, die öffentliche Sicherheit zu gefährden“.

AfD klagt vor dem Verwaltungsgericht gegen Entscheidung

Ob sich die Verwaltungsrichter dieser juristischen Einschätzung anschließen werden, bleibt abzuwarten. Aber auch Bürgermeisterin Ulrike Schmidt sieht rund um die AfD-Veranstaltungen im Bürgerhaus ein zunehmendes Konfliktpotenzial. Initiativen der Bürgerschaft nähmen zu, sich einer solchen Entwicklung in den Weg zu stellen – ebenso wie die Bereitschaft, durch Gegendemonstrationen gegen Veranstaltungen der AfD im Bürgerhaus zu protestieren.

„Ich bin erleichtert, dass unsere Verwaltung diese Entscheidung getroffen hat“, sagt Bürgervorsteher Henry Danielski. „Denn eins ist klar: Würde die Veranstaltung stattfinden, würde es zu Gegendemonstrationen kommen. Dabei bestünde die Gefahr, dass es erneut zu Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Ähnlichem kommen könnte.“ Bürgermeisterin Schmidt und Bürgervorsteher Danielski sind sich einig: „An erster Stelle steht für uns die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger!“