Henstedt-Ulzburg. Zwar haben die Nord-Rocker keine Groupies mehr – aber die Post geht immer noch ab, wenn sie spielen. Besonders in Bayern.
Als Santiano bekannt wurde, waren diese vier Musiker bereits zur Kaperfahrt durch die Untiefen des Rock ‘n’ Roll gestartet: Nordward Ho aus Henstedt-Ulzburg hat sich dem selbst erfundenem Genre des Küstenrocks verschrieben – eine gesalzene Mischung aus Shanty, Rock und Blues, die nicht nur in der Norddeutschen Tiefebene hohe Wellen schlägt. Auch den Bayern hat die Band inzwischen den Unterschied zwischen Hallig und Insel beigebracht.
Wie begrüßt man sich unter musikalischen Fahrensleuten? „Ahoi“, ruft Mike Boller dem Besucher beim Eintritt in den Probenraum zu. Na klar. Was sonst? Er kennt sich aus und muss es wissen: Der Gitarrist mit dem weißen Spitzbart ist jetzt zwar Software-Entwickler, aber als Profimusiker war er tatsächlich auf hoher See. Überhaupt haben drei der vier Bandmitglied eine mehr oder weniger maritime Vergangenheit. Diese Herren wissen also, wovon sie singen.
Nordward Ho: Älter als Santiano und mit Anleihen bei Achim Reichel
Mathias Bohnee (63, Schlagzeug), Mike Boller (64, Gitarre, Mundharmonika), Jens-Peter Hahn (58, Gitarre, Akkordeon) und Dieter Hahn (65, Bass) haben Nordward Ho 2011 gegründet, um fortzuführen, was Achim Reichel schon in den 1970er-Jahren mit Erfolg kreiert hat: Shanty-Rock. Jetzt allerdings gemixt mit moderneren Einflüssen wie Pop, Reggae, Funk, Blues und Boogie.
Das ergibt eine unterhaltsame Mischung, die gut geeignet ist, um die Zuhörer mit einer gehörigen Portion bodenständiger Beats mitzureißen. Ganz ernst nehmen sich die Vier dabei natürlich nicht: „Wir sind Rock’n’ Roll-Fossile“ singen sie und lassen die Zuhörer dabei an den „authentischen Erlebnissen einer Küstenrock-Band in den besten Jahren“ teilhaben. Die Musik ist mächtig, aber sonst: „Keine Roadies, keine Groupies“, heißt es in einer Textzeile. „Selbst die Frauen wollen nicht mehr mit“.
Bei Stadtfesten reißen sie die Massen mit
Tote Hose also? Das ist ein bisschen schlechtgeredet. Denn gemütlich geht es wahrlich nicht zu, wenn Nordward Ho auf der Bühne steht. Eigenkompositionen, gemixt mit starken Traditionals und populären Songs – das ist schon eine Mischung, die bei Stadtfesten die Massen mitreißt. Wissen die Ehefrauen eigentlich, dass bei Nordward-Ho-Konzerten dermaßen die Post abgeht?
„Wir wollen unterhalten, ohne die Menschen zu verblöden“, sagen die vier Musiker. „Alles wird mit einem Augenzwinkern dargeboten, denn wir selbst nehmen uns nicht bierernst.“ Können sie auch nicht: Wer die Textzeile „Hier auf meiner Hallig, da werd’ ich manchmal rallig“ erfindet, der muss schon mit einer gehörigen Portion Humor bestückt sein.
Jens-Peter Hahn hat als Matrose und Mechaniker die Weltmeere bereist
Irische Elemente übrigens, wie etwa bei Santiano, gehören nicht in diese musikalische Mischung. Dafür – und das sagen die Bandmitglieder in aller Bescheidenheit, aber mit Stolz – „ist unsere Musik dreckiger als die von Santiano“.
Die vier Musiker haben sich 2011 zusammengetan, um eine Musik zu spielen, die in die Beine geht und in den den Köpfen bleibt. Alle haben eine lange musikalische Vergangenheit, waren mit verschiedenen Bands unterwegs, meistens als Amateure, gelegentlich und befristet aber auch als Profis. Jens-Peter Hahn war sogar mal ein echter Seemann, der als Matrose und Schiffsmechaniker auf den Weltmeeren unterwegs war. Jetzt ist er technischer Redakteur.
Nordward Ho tritt im August im Allgäu auf
Vor zwölf Jahren war es offenbar der richtige Riecher. Denn die Musiker von Santiano hatten wenig später eine ähnliche Idee, wobei die allerdings gleich als Vollprofis loslegten und sofort ein Major-Label hinter sich hatten. Das hat Nordward Ho – der Name leitet sich vom englischen Badeort Westward Ho! ab, der auf einen Wikinger-Ausruf zurückzuführen sein soll – leider nicht. Trotzdem ist der Bekanntheitsgrad zumindest im norddeutschen Raum immens gestiegen. Immerhin leistet sich die Band seit kurzem ein professionelles Management.
- Küstenrock mit steifer Brise in Bargteheider Club
- Echter Küstenrock erklingt in Norderstedt
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Aber auch in Bayern kommt der Küstenrock aus dem Norden Deutschlands gut an. Am 11. und 13. August sind mal wieder Konzerte im Allgäu geplant: In Schwangau und Eisenberg kennt und liebt das Publikum die merkwürdige Band aus dem Norden bereits. „Wenn wir das das Lied vom ‘Tüddelband’ anstimmen, geht die Post ab“, sagt Dieter Hahn. Matthias Bohnee hatte die Konzert-Idee, weil er in der Gegend gerne seinen Urlaub verbringt. „Wir schmeißen da den Riemen auf die Orgel und geben Gas.“
Konzert im Henstedt-Ulzburger Bürgerhaus im November
Das funktioniert offenbar gut, weil die Bayern sich auf das norddeutsche Gedudel gerne einlassen und, das hat die Band bei den bisherigen Gastspielen deutlich gemerkt, weniger reserviert sind als die Norddeutschen. Mit „Rock‘n Roll auf Fangfahrt“ (2014) und „Tanz & Meuterei“ (2021) gibt es auch zwei CDs, die den Stil von Nordward Ho sehr gut wiedergeben.
Im Oktober steht eine Tournee durch Niedersachsen auf dem Programm, am Sonnabend, 4. November, präsentiert sich die Band mit musikalische Geschichten aus dem Norden und von anderen Küsten dieser Welt im Bürgerhaus am Beckersberg in Henstedt-Ulzburg (20 Uhr). Veranstalter ist der Kulturverein Forum. Tickets zum Preis von 16 Euro gibt es jetzt schon in der Kaltenkirchener Buchhandlung Fiehland und der Henstedt-Ulzburger Buchhandlung Rahmer.