Norderstedt. Stadtpräsidentin Kathrin Oehme feierlich aus dem Amt verabschiedet: Ihre schönen, traurigen und skurrilen Erlebnisse.
„Jetzt schließe ich die Sitzung“, sagte Kathrin Oehme (81) am Dienstagabend in der Stadtvertretung in Norderstedt. Ihre letzte Amtshandlung. Nach 15 Jahren als Stadtpräsidentin. Norderstedts First Lady geht. Nach dem Motto „Jetzt müssen Jüngere ran!“ legt sie ihr Ehrenamt nieder, das sie am 17. Juni 2008 angetreten hatte.
„Unser damaliger Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote hat mich gefragt, ob ich das Amt annehmen würde, und ich wollte“, sagt Kathrin Oehme. „Ich gehe nicht leichten Herzens, es ist nicht einfach, mich von einer Tätigkeit zu verabschieden, die ich sehr gern ausgeübt habe, und die mehr als 15 Jahre lang mein Leben geprägt hat“, sagte Kathrin Oehme sichtlich bewegt.
Ehrenamt: Norderstedts First Lady sagt Tschüss nach 15 Jahren
Die Hauptsatzung der Stadt Norderstedt beschreibt das Aufgabenspektrum und die Bedeutung des Amtes. Die Stadtpräsidentin oder der Stadtpräsident sitzt der Stadtvertretung vor, vertritt die Belange des höchsten politischen Gremiums gegenüber der Verwaltungsspitze im Rathaus und ist bei allen öffentlichen Anlässen Repräsentant der Stadtvertretung. Alle Beschlüsse der Stadtvertretung und deren Durchführung müssen von ihr/ihm geprüft werden.
Ein Amt, das viel Zeit erfordert. Zwischen Oehmes Berufung 2008 und ihrem Abschied am Dienstag liegen unzählige Sitzungen, runde Geburtstage und andere Jubiläen, unzählige Male Händeschütteln zu guten und schlechten Zeiten, zu fröhlichen und traurigen Anlässen, auf Neujahrsempfängen, bei Stadtfesten, Einweihungen, Feuerwehrversammlungen, Vereinsjubiläen und weiteren politischen und gesellschaftlichen Anlässen.
Unzählige Hände schütteln, unzählige Versammlungen und Feiern besuchen
Kathrin Oehme ehrte Bürgerinnen und Bürger für herausragende Dienste und war ihre Ansprechpartnerin in Freude und Leid. Regelmäßig hörte sie in ihren Sprechstunden von vielen Problemen, persönlichen Schicksalen und auch Hoffnungen. „Man versucht dann, zu vermitteln oder die Probleme weiterzutragen und so zu lösen“, sagt Oehme. Sie zeichnete Ehrenamtler für ihre unermüdliche Arbeit aus und schlichtete Streit in den politischen Gremien. Es sei immer eine ganz besondere Freude gewesen, Probleme wirklich gelöst zu haben.
„Der Anfang als Stadtpräsidentin war für mich herausfordernd, denn als ich das Ehrenamt annahm, änderte sich mein Leben“, erinnert sich Oehme. Aus der Fülle ihrer Begegnungen rage eine besonders heraus: „Als ich Pastor Tegtmeyer aus seinem Amt verabschiedet habe“, sagt Oehme. Stark in Erinnerung bleibt ihr auch die Rede zum 100-jährigen Bestehen des Bestattungsinstituts Sönke Wulff: „Für meine Rede habe ich mich intensiv mit dem Sterben auseinander gesetzt, das war sehr lehrreich und prägend. Daraufhin habe ich meine eigene Beerdigung schon komplett organisiert und bezahlt.“
Prägende Reden zu feierlichen Anlässen – mal freudig, mal traurig.
Gern erinnert sie sich auch an den 60. Jahrestag zum Kriegsende am 8. Mai 2005 in Norderstedts französischer Partnerstadt Maromme, als sie dort am Ehrenmal eine Rede halten durfte: „Das war eine große Ehre, denn schließlich waren es ja die Deutschen, die den Krieg begonnen haben.“ Auch den vom Kulturverein Chaverim – Freundschaft mit Israel initiierten Norderstedt-Wald an der Negev-Wüste in Israel hat Kathrin Oehme mit eingeweiht.
Doch es ging auch skurril zu in ihrer Amtszeit: „Ich wollte einen Jubiläumsbesuch machen, doch als mir die Tür geöffnet wurde, sagte man mir, dass der Jubilar in der Nacht verstorben ist. Man hatte nur vergessen, es mir zu sagen.“
Stadtvertretung: Trotz Gegenwind immer den Ausgleich und Kompromiss gesucht
Als Stadtpräsidentin habe sie auch Gegenwind aushalten müssen. „Dagegen musste ich ansteuern und habe dann auch große Loyalität, Fairness und Respekt vor meinem Amt erfahren“, sagt Oehme. „Bei allen parteipolitischen Unterscheidungen verbindet uns, für die Menschen in Norderstedt zu arbeiten, da zu sein und ihre Interessen zu vertreten“, sagte sie ans Plenum gerichtet. „Wir waren nicht immer einer Meinung, doch gerade die Auseinandersetzungen erweitern die Horizonte und bringen neue Impulse, und für mich war es immer elementar, auch in Konfliktsituationen Kompromisse finden zu können, das ist gelebte Demokratie“, ergänzte Oehme.
„Kathrin Oehme war immer da und auch, wenn sie einmal krank war, leitete sie zuverlässig die Stadtvertretung, denn die Erfüllung ihrer Pflicht stand für sie immer an erster Stelle“, lobte Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. Kathrin Oehme sei 2010 an der Seite von Uwe Seeler beim ersten Spatenstich für das HSV-Haus gewesen, sie habe mit Carlo von Tiedemann Torten für den guten Zweck angeschnitten, sie wurde zum Vorbild und sei fraktionsübergreifend geschätzt worden. Kathrin Oehme habe die Jugendarbeit und den Ausbau Norderstedts zu einer seniorengerechten Stadt gefördert. Dafür gab es unter anderem auch die Freiherr-vom-Stein-Verdienstnadel.
Auch Stellvertreterin Sibylle Hahn wurde verabschiedet
Auch von den Fraktionen der Stadtvertretung gab es nur Lob. „Sie haben die Stadt immer hervorragend vertreten“, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Katrin Fedrowitz. „Wir fühlten uns 15 Jahre lang bei Ihnen gut aufgehoben“, meinte der FDP-Fraktionsvorsitzende Tobias Mährlein.
Roeder hielt auch die Laudatio auf Sibylle Hahn, die ihr Ehrenamt als erste stellvertretende Stadtpräsidentin niederlegt. Sibylle Hahn habe sich für die Jugendhilfe, die Schulsozialarbeit und Kinderbetreuung, für die Stadtentwicklung und für die Umwelt engagiert und beispielsweise die Baumschutzsatzung maßgeblich angeschoben.
Kommunalpolitik: Oehme übernimmt jetzt bei der Hörzeitung
Kathrin Oehme dankte Hahn ebenfalls: „Sie geben mir das wohlige Gefühl, meine Arbeit als Stadtpräsidentin stets wertgeschätzt zu haben.“ Um dann mit Blick auf die vielen Dankessträuße in typisch trockener Oehme-Art nachzusetzen: „Das ist ja hier wie im Blumenladen.“ Damit kaschierte sie aber auch gekonnt ihre Rührung.
Kathrin Oehme, die sich ohnehin schon als Präsidentin und Ehren-Präsidentin des Verbands der Hamburger Amateurtheater und 30 Jahre als Vorsitzende des Norderstedter Amateur-Theaters (NAT) stark für die Kultur engagierte, wird auch nach ihrem Amt als Stadtpräsidentin weiterhin kulturell für die Stadt aktiv sein. Sie hat das Management für die Hörzeitung des DRK übernommen. „In der Stube sitzen und nur Fernsehen gucken ist meine Sache nicht“, sagt die 81-Jährige.
Wer Nachfolgerin oder Nachfolger von Oehme wird, das entscheidet sich nach den Kommunalwahlen am 14. Mai. In Oehmes Partei, der CDU, hat die Stadtvertreterin Petra Müller-Schönemann bereits die Hand gehoben. Sie ist seit zehn Jahren Vorsitzende im Jugendhilfeausschuss und traut sich das Amt zu.