Kiel/Ellerau. Anklage wirft Familienvater (39) Heimtücke vor. Schwer verletztes Opfer überlebte dank Not-OP. So verlief der erste Tag vor Gericht.
Wegen versuchten Mordes am neuen Liebhaber seiner getrennt lebenden Ehefrau muss sich seit Freitag ein 39 Jahre alter Familienvater aus Ellerau vor dem Kieler Landgericht verantworten. Am Abend des 1. Juli soll er den jüngeren Nebenbuhler in seiner Wohnung aufgesucht und völlig überraschend auf ihn eingestochen haben.
Täter und Opfer (27) lebten in unmittelbarer Nachbarschaft in der 6300-Einwohner-Gemeinde. Zwischen den Mehrfamilienhäusern an der Königsberger Straße liegen nur wenige Meter. Laut Vorwurf der Staatsanwaltschaft suchte der Angeklagte den rumänischen Staatsbürger gegen 22 Uhr in dessen Wohnung auf.
Prozess Kiel: Erste-Hilfe-Maßnahmen und Not-OP retteten das Opfer
Im Treppenhaus forderte der aus Aserbaidschan stammende Angeklagte den Rumänen vergebens auf, zwecks einer Aussprache auf die Straße zu kommen. In der Wohnung hielten sich auch ein Cousin des Opfers und dessen Bruder auf. Sie retteten dem Verletzten durch Erste-Hilfe-Maßnahmen, die von der Notrufzentrale telefonisch gesteuert wurden, wahrscheinlich das Leben.
Die Zeugen und die Ehefrau des Angeklagten sollen an späteren Verhandlungstagen gehört werden. Das durch einen Stich in den linken Oberbauch lebensgefährlich verletzte Opfer nimmt als Nebenkläger am Verfahren teil. Seine Aussage im Kieler Landgericht wird am Montag erwartet, teilte sein Rechtsanwalt Sebastian Knops mit.
Messerstich in den Oberbauch verletzte den Herzmuskel
Die Klinge des vom Täter entsorgten Messers verletzte den Herzmuskel des Opfers und verursachte hohen Blutverlust. Der Angeklagte behauptet, er habe ein Taschenmesser aus seiner Zeit als Paketzusteller eingesetzt. Geöffnet habe er es erst, als sich der andere plötzlich auf ihn zubewegt habe.
Eine schnell eingeleitete Notoperation habe das Leben des Geschädigten gerettet, sagte Staatsanwältin Ulrike Nötzelmann. Der Angeklagte äußere sich nicht selbst zum Vorwurf, teilten seine Verteidiger mit. Die Anwälte Philip Storjohann und Narman Fenari verlasen eine schriftlich abgefasst Erklärung, die den Täter vor einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts bewahren soll.
„Es wäre für mich ein Leichtes gewesen, noch einmal zuzustechen“
Der Angeklagte hatte nur ein einziges Mal zugestochen. „Es wäre für mich ein Leichtes gewesen, noch einmal zuzustechen“, behauptet er nun in der mit seinen Verteidigern abgestimmten Erklärung. Denn das Opfer habe zunächst nicht sichtbar auf den Stich reagiert.
Kommt auch die Schwurgerichtskammer zu diesem Schluss, könnte sie auf einen strafbefreienden Rücktritt vom Tötungsversuch erkennen. Dann wäre möglicherweise „nur“ eine gefährliche Körperverletzung zu ahnden.
Landgericht Kiel: Auf Herzinfarkt und Insolvenz folgte die Trennung
In seiner Erklärung zur Person stellte sich der Angeklagte als fleißiger und fürsorglicher Familienvater mit Abitur vor. Nach jahrelanger unterbezahlter Knochenarbeit als Paketzusteller habe er sich selbstständig gemacht. Infolge einer Insolvenz und strafrechtlicher Ermittlungen wegen hinterzogener Gelder habe er einen Herzinfarkt erlitten.
Nach dem wirtschaftlichen und gesundheitlichen Ruin habe sich dann auch noch seine Frau abgewandt, berichtete der Angeklagte. „Im Mai sprach sie erstmals von Scheidung.“ Begründet habe sie dies mit der hoffnungslosen Finanzlage für sie und die Kinder. Erst nach der Tat habe er aus der Akte erfahren, dass die beiden schon eine Weile ein Paar waren.
„Sie hat mir vorgeworfen, ich sei kein Mann mehr“
Dass seine Frau, wie er schon länger vermutete, einen „Neuen“ hatte, habe sie stets abgestritten, so der Angeklagte. Bis er das Pärchen in flagranti beim Schmusen überrascht habe. Stunden vor der Tat habe er mit seiner Frau eine Flasche Whisky geleert. „Sie hat mir vorgeworfen, ich sei ein Invalide, könne nicht mehr arbeiten und sei kein Mann mehr.“
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Da habe er sich auf den Weg zu dem Nebenbuhler gemacht, den er vom Sehen aus der Nachbarschaft kannte. Weil er den 27-Jährigen öfters beim Rauchen auf dem Balkon beobachtete, habe er den Weg zu seiner Wohnung leicht gefunden.
Prozess Kiel: „Seinen Tod wollte ich aber nicht“
„Ich wollte ihn allein sprechen“, so der Angeklagte in seiner Erklärung. Vor den anderen Männern habe er sich nicht blamieren wollen. „Ich wollte nur mit ihm reden.“ Doch in seiner Verzweiflung und wegen des Alkohols habe er wohl die Kontrolle verloren.
Laut Blutprobe hatte der Angeklagte, der sich nach kurzer Flucht selbst der Polizei stellte, dreieinhalb Stunden nach der Tat noch 0,6 Promille. „Seinen Tod“, beteuert der im Kern geständige Messerstecher, „wollte ich aber nicht.“