Kreis Segeberg. Schultheater-Gruppen stürmten Waggons und spielten zwischen den Sitzen. Es gab Applaus – aber auch unerwartete Probleme.

Es ist ein normaler Vormittag. Die Menschen fahren mit der AKN zur Arbeit, zum Einkaufen oder nach Hause. Doch plötzlich stürmen 23 Gestalten in Schutzanzügen in den Zug und fangen an, das Abteil zu untersuchen. Wenig später schreien Sie: „Zurück in die Zukunft!“ und sind wieder verschwunden. Aber damit noch nicht genug: Kurz danach wird es wieder laut und weitere Jugendliche laufen durch die Waggons

Das Spektakel in der AKN der Linie 1 zwischen Kaltenkirchen und Eidelstedt war eine Theater-Performance von Schülerinnen und Schüler des Elsensee-Gymnasiums aus Quickborn und des Auenland Gymnasiums aus Bad Bramstedt. Die beiden 12. Klassen führten ihre Stücke zum Thema „Klimawandel – Mobilität der Zukunft“ für die AKN-Fahrgästeauf.

AKN: Theater in der Bahn – Fahrgäste reagierten sehr verschieden

Das Projekt „Hin und Weg“ wird seit 2011, mit Ausnahme in der Corona-Pandemie, alle zwei Jahre von der AKN iniziiert. Teilnehmen können Schulen, die entlang der AKN-Bahnstrecke liegen. Die AKN gibt ein Thema vor und die Schülerinnen und Schüler denken sich dazu Handlung und Texte selbst aus. Hilfe bei der Umsetzung erhalten sie von professionellen Regie- und Performancekünstlern. Die beiden weiterführenden Schulen aus Quickborn und Bad Bramstedt beteiligten sich beide schon zum zweiten Mal.

Dieses Jahr wurde die 12. Klasse des Elsensee-Gymnasiums von ihrer Fachlehrerin Stefanie Schwerin und dem Schauspieler Florian Weigel bei der Erarbeitung unterstützt. Die Jugendlichen aus Bad Bramstedt haben wiederum ein Dreivierteljahr lang mit dem Fachlehrer Philipp Stöß und der Theaterpädagogin und Regisseurin Julia Hart geübt.

Stücke behandelten die Frage, wie eine ferne Zukunft aussehen wird

Die Proben fanden in den Schulen und später in einem leeren abgestellten Zug der AKN statt. Dadurch konnten die Jugendlichen ein Gefühl für die Bahn als Bühne entwickeln.

Das Quickborner Ensemble hatte sich folgenden Plot erarbeitet: Kleine Grüppchen fahren zusammen mit der Bahn. Doch plötzlich fährt der Zug immer schneller und der Waggon reist im rasanten Tempo durch Raum und Zeit. Auf einmal befinden sie sich die Fahrgäste in der Zukunft und staunen, wie Menschen auf E-Scootern oder Hoverboards mit Lichtgeschwindigkeit durch die graue Gegend fahren.

Fragen werden unter den Spielenden laut: „Wann beginnt unsere Zukunft? In 50 Jahren? In 20 Jahren? In 3 Jahren? Oder morgen?“. Laut, im Chor gesprochen, kommt die Antwort: „Nein jetzt! Heute!“. Denn die Schülerinnen und Schüler aus Quickborn wollen den Zuschauern ans Herz legen, sich bewusst für ihre Zukunft zu bemühen.

In Schutzanzügen verkleidet spielen die Schülerinnen und Schüler aus Bad Bramstedt Wissenschaftler aus dem Jahr 2222. Sie inspizieren ihre Umwelt und versuchen herauszufinden, wie alte Techniken funktionieren. Ihr Forschungsobjekt: ein Bahnsitz.
In Schutzanzügen verkleidet spielen die Schülerinnen und Schüler aus Bad Bramstedt Wissenschaftler aus dem Jahr 2222. Sie inspizieren ihre Umwelt und versuchen herauszufinden, wie alte Techniken funktionieren. Ihr Forschungsobjekt: ein Bahnsitz. © Melina Hempf

Das Szenario der Klasse aus Bad Bramstedt ist genau umgekehrt. Denn sie kommen genau aus solch einer Zukunft, allerdings einer sehr tristen. Als Wissenschaftler springen sie in den Zug und werden 200 Jahre in das Jahr 2022 zurückgefahren. Die Akteure untersuchen dort die alte Technik und schauen sich die alte Welt genau an. Dabei fällt ihnen auf: „Die Bäume – noch so grün. Der Himmel – noch so blau. Die Menschen – noch so frei.“ Denn im Jahr 2222 ist alles grau und der Himmel verdeckt durch Wolkenkratzer. Ihr Appell an die Menschen von damals (also heute): „Die Zukunft könnte anders sein. Ihr habt noch eine Chance.“

Enger Raum, direkt vor dem Publikum – eine Herausforderung

Mit dem Projekt der AKN wird den Schülerinnen und Schülern eine Chance geboten, ihr Schauspiel in einer völlig neuen Kulisse zu erweitern. „Die Herausforderung, in der AKN zu performen, ist eine ganz andere. Man weiß nie genau, was passiert“, sagt Stefanie Schwerin, Lehrerin des Elsensee-Gymnasiums. Der Auftritt in einer Bahn sei eine große Herausforderung. Man muss auf engstem Raum, direkt am Publikum spielen. Die Reaktionen der unfreiwilligen Zuschauer sind ungewiss. „Es ist eine komplett neue Erfahrung“, sagt der Schüler Ole Tegelhütter aus Quickborn.

Das Ziel der Performance war es aber auch, die Fahrgäste aus ihrem alltäglichen Trott zu holen. Denn die meisten sind mit sich selbst oder ihrem Handy beschäftigt. Die Jugendlichen wollten deshalb die Bahnfahrenden aufwecken, begeistern und zum Nachdenken anregen. Doch ist dies auch gelungen?

AKN: Es gab Applaus, Gleichgültigkeit – aber auch eine Panikattacke

Manche Fahrgäste lauschten gebannt, filmten mit und applaudierten. Andere ließen sich nicht von dem Spektakel beeindrucken und hatten – wie zum Schutz vor Einflüssen – die Kopfhörer auf. Auch negative Resonanz bekamen die Jugendlichen zu spüren. „Ein Mann hat sich beschwert, dass wir nicht so laut sprechen sollen“, erzählt der Schüler Ole Tegelhütter.

Und leider mussten die Schülerinnen und Schüler auch die Erfahrung machen, dass die spontane Performance bei manchen Menschen auch völlig unerwartete und ungewollte Reaktionen auslöste. Bei einer Aufführung sei eine Frau im Waggon gewesen, die sich angesichts der plötzlichen Menge an Menschen im Abteil erschrak und verunsichert reagierte. Ein AKN-Mitarbeiter, der das Projekt begleitete, kümmerte sich um die Frau und konnte sie beruhigen.