Norderstedt. Umweltaktivisten fordern Norderstedt auf, bundesweiter Initiative für „angemessene Geschwindigkeiten“ beizutreten. Was das bedeutet.
Tempo 30, flächendeckend, auf allen Straßen innerorts. Wenn sich die Norderstedter Ortsgruppe des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) etwas aussuchen dürfte, dann wäre es das. Aus Sicht der Umweltaktivisten sind die Autos in der Stadt immer noch viel zu schnell unterwegs. „Nachts brettern manche doch mit 70, 80 Sachen die Ulzburger Straße rauf und runter“, heißt es in einer Mitteilung. „Und selbst in bestehenden Tempo-30-Zonen fahren manche ebenso schnell.“
Der BUND hätte gerne, dass die Stadt zumindest in allen Wohnvierteln Tempo-30 einführen würde. Und am besten auch auf den Hauptverkehrsachsen – wobei bezweifelt wird, ob umsetzbar wäre. Doch momentan ist dieser Wunsch schon rein rechtlich gar nicht umsetzbar. Selbst wenn Kommunalpolitik, Stadtverwaltung und alle übrigen Bürgerinnen und Bürger sich einig wären und flächendeckendes Tempo-30 befürworten würden – einfach einführen könnte die Stadt die Regelung nicht in ihren Stadtgrenzen.
Verkehr: Tempo 30 – „Am besten flächendeckend in ganz Norderstedt“
Bundesgesetzliche Regelungen stehen dem entgegen. Konkret der umstrittene Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Er erlaubt eine Umgestaltung des Straßenraums nur dann, wenn die Kommunen eine konkrete Gefährdung nachweisen können – etwa für den Radverkehr oder andere Verkehrsteilnehmer.
Die deutschen BUND-Ortsgruppen haben sich vorgenommen, das zu verändern. Die Ortsgruppe ging deswegen in den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr in Norderstedt. „Um mal Bewegung in die Politik und die Verwaltung zu bringen“, wie sie mitteilt. Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung wurden aufgefordert, einer neuen kommunalen Initiative für den „stadtverträglicheren Verkehr“ beizutreten.
Die Initiative würde 2021 von sieben Städten gegründet
„Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ist Titel und gleichsam Ziel der bundesweiten Initiative. Die Städte Freiburg im Breisgau, Leipzig, Aachen, Augsburg, Hannover, Münster und Ulm haben sie im Juli 2021 gegründet. Und fordern den Bund auf „umgehend die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Kommunen ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten.“
276 Städte und Gemeinden in Deutschland haben sich der Initiative mittlerweile angeschlossen. In Schleswig-Holstein sind dies Flensburg, Kiel, Schwentinental, Meldorf, Fargau-Pratjau, Klein-Gadebrügge, Ahrensburg, Plön und seit Juni 2022 auch die Kreisstadt Bad Segeberg. Nur Norderstedt eben nicht.
Norderstedt hat Tempo-30-Zonen eingerichtet – zum Blitzen
Die Politik und die Verwaltung in Norderstedt hätten die Aufforderung nur zu Kenntnis genommen, teilt der BUND mit. Man habe eine schriftliche Antwort versprochen. Der BUND will weiter für die Idee in der Stadt werben. „Um insbesondere für den Fuß- und Radverkehr die Sicherheit und Aufenthaltsqualität maßgeblich zu erhöhen, liegt es im Interesse der Stadt, die Kompetenz zu erhalten, Tempo 30 innerorts dort einzuführen, wo die Stadt es für erforderlich hält.“
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Mit einer ähnlichen Argumentation hat Norderstedt zum Beispiel die Verkehrsüberwachung vom Kreis Segeberg in Eigenregie übernommen. Auf dem Ticket Lärmschutz konnte die Stadt es schaffen, zumindest auf den Hauptverkehrsachsen Poppenbütteler Straße und Niendorfer Straße auf Teilabschnitten Tempo-30 einzuführen – und mit Radarsäulen Raser zu ahnden.
Verkehr: Städtetag befürwortet Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit im Wohngebiet
Und sicher gibt es auch viele Bürgerinnen und Bürger in Norderstedt, die sich auf der einen oder anderen Straße Tempo-30 wünschen. Der Deutsche Städtetag hält die Vorschläge der Initiative für eine gute Grundlage, die in Modellversuchen erprobt werden sollte. Der kommunale Spitzenverband plädiert dafür, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit außerhalb von Hauptstraßen auszuprobieren.
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