Kreis Segeberg. Im Wildpark Eekholt wurde der Greifvogel wochenlang gesund gepflegt. Warum die Energiewende zur Gefahr für Tiere werden kann.

Der erste Schritt in die Freiheit ist ein vorsichtiger. Behutsam öffnen Wildtierärztin Dr. Elvira Freifrau von Schenck und Günter Kalin, Vorsitzender der Projektgruppe Seeadlerschutz, den Transportkasten.

Der imposante Greifvogel bleibt zunächst sitzen, blickt sich um. Erst, nachdem von Schenck dem Tier einen kurzen Schubser gibt, hüpft der Seeadler über die Wiese, in den Segeberger Forst, dann den Sandweg entlang und fliegt wenig später durch die Baumwipfel davon. Die Auswilderung ist gelungen.

Windrad zertrümmert Flügel – Wildpark Eekholt rettet Seeadler

Seit dem 17. Mai hatte sich die Vogelpflegestation im Wildpark Eekholt um den ungewöhnlichen Patienten gekümmert. Er war an einem Windpark in Haderau-Hademarschen (Kreis Rendsburg-Eckernförde) aufgefunden worden, mutmaßlich mit einem Rotorblatt kollidiert und hatte sich am linken Flügel eine Trümmerfraktur zugezogen.

Oftmals ist eine solche Verletzung ein Todesurteil. „Bisher hatte fast jeder Seeadler, der mit einer Windkraftanlage kollidierte, so schwere Amputationsverletzungen, dass er entweder sofort vor Ort verstarb oder von seinen Leiden erlöst werden musste“, so von Schenck.

Seeadler trug vier Wochen einen Verband

Doch dieser Seeadler hatte Glück. „Er hatte einen schwierigen Start, war ziemlich apathisch, bewegte sich kaum. Ein paar Tage, in denen er gar nichts fraß, mussten wir ihm das Futter zwangsweise geben. Aber nach einer Woche hat er gefressen, er war ein sehr geduldiger Patient. Das Fliegen musste er nicht wieder lernen. Er hatte für vier Wochen einen Flügelverband. Nachdem der Bruch verheilt war, haben wir ihn hier reingesetzt und sobald wir weg waren, ist er auf die Stange geflogen. Er wusste sofort, dass er die Flügel wieder nutzen kann.“

Günter Kalin, Vorsitzender der Projektgruppe Seeadlerschutz, mit Wildtierärztin Dr. Elvira Freifrau von Schenck und Wildpark-Geschäftsführer Wolf von Schenck in der Voliere der Pflegestation. Hier wurde der Seeadler beringt und ein letztes Mal untersucht.
Günter Kalin, Vorsitzender der Projektgruppe Seeadlerschutz, mit Wildtierärztin Dr. Elvira Freifrau von Schenck und Wildpark-Geschäftsführer Wolf von Schenck in der Voliere der Pflegestation. Hier wurde der Seeadler beringt und ein letztes Mal untersucht. © Christopher Herbst | Christopher Herbst

Im Wildpark werden regelmäßig Greifvögel und andere Vögel wie etwa Störche aufgepäppelt. „Wir haben hier eine vernünftige medizinische Begleitung. Wir bringen die Tiere, die wir auffinden, hier her“, sagt Günter Kalin. Der aktuelle Fall zeigt ein Problem auf, das sich verschärfen könnte. Denn je mehr Windräder gebaut werden, desto größer ist das Risiko für die Seeadler, deren Lebensraum sozusagen zerschnitten wird.

Die bis zu 300 Stundenkilometer schnellen Rotorblätter werden, so die Fachleute, von den Vögeln oftmals nicht wahrgenommen – mit schlimmen Konsequenzen. Und werden erwachsene Adler getötet, verhungert meist der Nachwuchs im Nest.

Fachleute sehen unzureichenden Artenschutz

Günter Kalin: „Wir haben in diesem Jahr in Schleswig-Holstein 138 Revierpaare, Brutpaare ungefähr 90. Wir schätzen, dass wir ähnlich wie im letzten Jahr 130 Jungvögel haben. Die Anzahl ist so, dass wir weiterhin eine Vermehrung der Seeadler erwarten, weil es das Land hergibt. Das soll die Natur bestimmen.“

Deswegen fordert er einen besseren Schutz. Sonst werden die geschützten Greifvögel Leidtragende der Energiewende. „Es muss eine regenerative Energie geben, aber sie muss mit dem Artenschutz abgestimmt werden. Das erfolgt unzureichend. Es werden Vorgaben gemacht, die nicht mit uns abgestimmt sind. Und wenn etwas festgelegt wird, ist es schwer zurückzunehmen. Wir werden spät in solche Prozesse eingebunden. Mir wäre wichtig: Wenn wir Windkraftanlagen bauen, dann größere Komplexe. Wenn wir 30 bis 40 Anlagen an einem Punkt haben, ist es ein Eingriff in die Natur, aber es sind nicht so viele.“

Windräder sind Haupttodesursache für Seeadler

Ist es breiter verteilt, seien es drei- bis viermal so viele. Auch der Abstand zu den Adlerhorsten dürfe nicht von 3000 auf 500 Meter reduziert werden.

Elvira von Schenck wünscht sich einen Dialog, „und dass die Probleme der Adler gesehen werden“. Politik und Betreiber müssten für neue Ansätze offen sein. „Windkraftanlagen sind eine Haupttodesursache für Seeadler, die dort geschreddert werden.“