Norderstedt. Die Stadt will den Hempberg in Norderstedt zur Fahrradstraße machen. Bei den Anwohnern brachte das die Emotionen zum Kochen.
Die Aula der Willy-Brandt-Schule in Norderstedt war voll besetzt. Es ging um den Plan der Stadt, die Straße Hempberg zu einer Fahrradstraße umzuwidmen – der vierten ihrer Art in Norderstedt. Doch bei den Anliegern ließ das die Emotionen hochkochen. Die Stadtverwaltung hatte keinen leichten Stand, vor den etwa 150 Bürgerinnen und Bürgern in der Willy-Brandt-Schule.
Viele Anwohnerinnen und Anwohner lehnten den Vorschlag ab. Lautstark. Die Ausführungen der Stadtverwaltung bei dem Informationsabend am Dienstag wurden laufend durch Zwischenrufe unterbrochen. Aus unterschiedlichen Gründen. Einige sorgten sich wohl um ihre wenigen Auto-Stellplätze, die verloren gehen könnten, oder sie befürchteten weite Umwege, wenn der Hempberg zur Einbahnstraße oder Sackgasse für den Autoverkehr werden würde.
Die Norderstedter machten ihrem Ärger über die Fahrradstraße Luft
Andere prophezeiten noch mehr Durchgangsverkehr als ohnehin schon. Und die Nachbarn aus dem Memelweg sahen sich als künftige Opfer weiterer neunmalkluger Autofahrer, die einen Schleichweg suchen. Norderstedts Baudezernent und Erster Stadtrat Christoph Magazowski war der Kopf einer zehnköpfigen (!) Delegation der Stadtverwaltung. In der hitzigen Diskussion überließ er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Saal die Vorstellung und Verteidigung des Projektes.
Da mussten sich Christine Haß von der Arbeitsgemeinschaft Radverkehr und Julia Pörschke von der Verkehrsaufsicht richtig anstrengen, um Gehör zu finden. Die extra für den Abend bestellte Moderatorin, wirkte völlig überfordert, die widerstreitenden Meinungen zu kanalisieren. Sie war nicht in der Lage die Stimmung zu beruhigen.
Der Baudezernent mahnte zur Einhaltung der Diskussionskultur
Erst als ein Mann in der ersten Reihe aufgebracht schimpfte: „Fahrradstraße, Fahrradstraße, ich hör‘ immer nur Fahrradstraße – das ist doch der größte Blödsinn!“, griff Magazowski ein und appellierte an die „Diskussionskultur“, bitte jeden aussprechen zu lassen. „Es geht nicht, meine Mitarbeitenden so herunterzuputzen.“ Das wirkte. Später holte die Moderatorin einen Teil der Wortführer in einen Stuhlkreis, den sie „Fishbowl“ nannte. Was eine Dame im Saal erheitert kommentierte: „Jetzt ist Sozialpädagogikstunde.“
Aber worüber regten sich die Menschen eigentlich so auf? Die 620 Meter lange Verbindungsstraße zwischen der Ochsenzoller Straße und der Ohechaussee soll die vierte Fahrradstraße nach der Glockenheide, der Coppernicusstraße und dem Waldbühnenweg werden. Das heißt: Autos dürfen zwar noch fahren. Aber die Höchstgeschwindigkeit bleibt bei 30 km/h. Auf Radfahrende, die hier auch nebeneinander radeln dürften, sei besondere Rücksicht zu nehmen, erklärte Christine Haß.
Schon jetzt fahren auf dem Hempberg viele Radfahrende
Auf den Hempberg sei die Verwaltung gekommen, weil dort „die Beschwerdelage groß“ sei und der Radverkehr heute schon 60 Prozent des Verkehrs ausmache: 620 bis 770 Radfahrer kämen auf 1050 bis 1230 Verkehrsteilnehmer, wie Verkehrszählungen von 6 bis 20 Uhr Mitte 2020 ergeben hätten.
Um die Fahrradstraße sicher einzurichten, kämen verschiedene Varianten in Frage, führte Christine Haß aus. Etwa eine Sperrung der Straße durch hohe, versenkbare Poller, entweder an der Ochsenzoller Straße oder an der Ohechaussee. Diese hydraulischen Poller seien natürlich nur von der Polizei und Rettungsdiensten einzufahren, betonte sie auf Nachfrage aus dem Publikum. Eine weitere Möglichkeit wäre es, eine Einbahnstraße von Norden nach Süden einzurichten. Damit wäre die Einfahrt von der Ohechaussee – für Linksabbieger schon jetzt verboten – vollends unmöglich.
Vorschläge, Fragen und Wünsche der Anwesenden
Jetzt war Tohuwabohu im Saal. Die Vorschläge, Fragen und Wünsche der Anwesenden schwirrten nur so durch die Luft. Ginge es nicht auch, eine Spielstraße einzurichten, fragte jemand. Nein, dafür sei die Straße zu lang und nicht ebenerdig geschaffen, verneinte Julia Pörschke.
Auch eine Anliegerstraße wurde vorgeschlagen. „Die gab es doch früher zum Weg am Sportplatz, die wir deshalb ‚Uwe-Seeler-Straße‘ nannten“, sagte ein anderer. Auch das sei nicht möglich und sogar illegal gewesen, erklärte Pörschke. „Das ist nur auf Privatstraßen und nicht auf öffentlichen Straßen möglich.“ Eine Anwohnerin forderte Parkraumbewirtschaftung auch im südlichen Teil des Hempberges, weil da so viele Dauerparker die wenigen Stellplätze am Wochenende blockierten „und wir mit unseren schweren Einkäufen zu Fuß laufen müssen“.
Schließlich können sich alle auf eine Variante einigen
Eine Veränderung der Parkflächen sei ebenfalls nicht vorgesehen, verneinte die Verwaltung auch diesen Vorschlag. Ein anderer Besucher erinnerte an den paradiesischen Zustand in dieser Wohnstraße, als bis in die 1970-er Jahre hinein die Straße Lütjenmoor nicht befahrbar und der Hempberg keine Abkürzung für Stau-Umfahrer der Ohechaussee zur Ulzburger Straße gewesen sei.
Diesen Aspekt brachte Anwohnerin Ingrid Nadolny schließlich auf den Punkt: „Die Verbote werden nicht beachtet.“ Keiner halte sich im Hempberg an Tempo 30 und vom Lütjenmoor und von der Ohechaussee werde verbotswidrig in den Hempberg hineingefahren. „Wir alle, als Autofahrer, befolgen die Regeln einfach nicht.“
Auch interessant
Auch interessant
Auch interessant
Hempberg: Überwiegend akzeptierte Kompromisslösung gefunden
Und so kristallisierte sich – trotz aller Ablehnung und der anfänglichen Empörung über die Fahrradstraßenpläne – die Absperrvariante als überwiegend akzeptierte Kompromisslösung heraus. „Der Hempberg sollte dichtgemacht werden, am liebsten direkt an der Ohechaussee“, sagte Petra Knaak und hatte die Anwohner Tim Borgstädt und Antje Lehmann auf ihrer Seite.
Denn mit einer Einbahnstraßenregelung würde es „nur schlimmer“, weil morgens weiterhin die autofahrenden Arbeitspendler über Lütjenmoor und Hempberg die Umfahrung des Staus Richtung Autobahn nutzten, während ihnen gleichzeitig die radfahrenden Schüler begegneten. „Das muss unbedingt verhindert werden, damit meine Tochter sicher zur Schule kommt“, forderte eine Mutter.