Kreis Segeberg. Täter gaukeln ihren oft betagten Opfern vor, Verwandte in Not zu sein – und ziehen ihnen teilweise tausende Euro aus der Tasche.
„Hallo Papa. Mein Mobiltelefon ist kaputt, dies ist die neue Nummer, die du speichern kannst. Bist du heute zu Hause?“ Wer solche oder ähnlich formulierte Nachrichten per WhatsApp von seinen Kindern erhält, sollte Vorsicht walten lassen. Denn Absender ist häufig nicht der eigene Nachwuchs, sondern Straftäter. Immer öfter nutzen Betrüger den Messengerdienst, um ihre ahnungslosen Opfer zu Überweisungen zu veranlassen. „Am Jahresanfang kam es nur zu vereinzelten Fällen. In den vergangenen Wochen und Monaten verzeichnen wir einen stetigen Anstieg“, sagt Sprecher Lars Brockmann von der Polizeidirektion Bad Segeberg.
Im Kreis Segeberg verzeichnet die Polizei „eine mittlere zweistellige Zahl an Fällen“, sagt Brockmann. Im Kreis Pinneberg sei es eine hohe zweistellige Zahl. Landesweit hat sich die Zahl der WhatsApp-Betrugsfälle zwischen Dezember 2021 und April 2022 mehr als verdoppelt. 437 Betrüger wurden angezeigt, in 91 Fällen hatten diese Erfolg und erbeuteten so insgesamt 255.248 Euro. „Die starke Zunahme kann aber auch damit zu tun haben, dass die Fälle einfach mehr angezeigt werden, weil die Leute durch die Aufklärung und Berichterstattung gewarnt sind“, sagt Brockmann.
Doch trotz aller Warnungen verfangen die Betrugsmaschen bei vielen Menschen – selbst wenn diese es nie für möglich gehalten hätten, dass sie darauf hereinfallen könnten. Eine 56-jährige Frau aus Bad Segeberg etwa überwies im März 3300 Euro an einen WhatsApp-Betrüger, der ihr vorgaukelte, dass die Tochter aufgrund eines kaputten Handys eine dringende Online-Banking-Transaktion nicht abschließen könne.
Rufnummern stammen oft aus Datendiebstählen im Internet
Brockmann: „Auffällig ist, dass die Betrüger ihre Opfer unter dem Vorwand der finanziellen Notlage zu Sofort- oder Echtzeitüberweisungen drängen. Hier besteht keine Chance auf Rückbuchung.“
Die Mobilfunknummern, derer sich die Täter bedienen, stammen nach den Erkenntnissen der Polizei zumeist aus Datendiebstählen im Internet, jedoch auch aus öffentlichen Verzeichnissen. „Bei diesem Betrugsphänomen ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da viele Versuchstaten vermutlich gar nicht angezeigt werden, sondern Angeschriebene die Nachricht einfach löschen“, so der Polizeisprecher weiter.
Die Beamten warnen dringend davor, auf Geldforderungen angeblicher Verwandter, die per Messenger-Dienst eingefordert werden, einzugehen. Auch sollten in derartigen Fällen keinesfalls persönliche Informationen wie etwa Daten oder Kontoverbindungen preisgegeben werden. Brockmann: „Die einfachste Methode, die Echtheit des Kontakts zu überprüfen, ist ein Telefonat oder ein persönliches Gespräch mit der angegebenen Person. Auf keinen Fall sollte man den ,alten’ Kontakt löschen, wie von den Betrügern gefordert.“
Um sich vor derartigen Betrugsversuchen zu schützen, rät die Polizei, keinesfalls seine Handynummer im Internet zu veröffentlichen. Profilfotos etwa auf Facebook sollten zudem nur für die eigenen (echten) Kontakte sichtbar sein, um etwa Rückschlüsse auf familiäre Verhältnisse auszuschließen. Brockmann: „Wir raten zudem in jedem Fall zur Erstattung einer Strafanzeige.“ In keinem Fall sollte jemand auf finanzielle Forderungen eingehen, die per SMS, WhatsApp, Mail oder per Anruf eingehen. Wer es dennoch getan habe, solle sich an seine Bank wenden, um die Möglichkeit einer Rückbuchung prüfen zu lassen.
Täter agieren häufig von Callcentern im Ausland aus
Um die Täter ermitteln zu können, versuchen die Beamten, den Besitzer der verwendeten Handynummer ausfindig zu machen. Hier führt die Spur häufig ins Leere, da anonyme Rufnummern genutzt werden, die im Darknet oder in Geschäften erworben werden können. Zum Teil werden die SIM-Karten mit falschen oder Fantasie-Personalien gekauft.
Ein anderer Ermittlungsansatz sind die Kontodaten, auf die das Geld fließt. Brockmann: „Wir stellen fest, dass das Geld nur kurzzeitig auf dem „ersten“ Konto verbleibt und sehr zügig weiter ins Ausland überwiesen wird. Betrüger missbrauchen zum Teil auch unter Vorwänden die Konten leichtgläubiger Bankkunden, die ihre Konten für angebliche Zwecke zum Beispiel für die Marktforschung zur Verfügung stellen.“ Üblich sei es auch, dass Betrüger mit falschen oder gestohlenen Personalien Konten eröffnen und von dort die erlangten Summen ins Ausland transferieren.
Dort kann die Polizei nur dann ermitteln, wenn ein Rechtshilfeersuchen über die Staatsanwaltschaft gestellt und von dem Staat bestätigt wird. Laut Brockmann agieren die Täter häufig von professionellen Callcentern im Ausland aus. Jedoch hätten Ermittlungen auch zu Gruppierungen geführt, die aus Deutschland operieren.