Norderstedt. Amtsgericht erteilt Zuschlag für das Gieschen-Areal – doch Mitbieter Jagtar Singh hat zwei Wochen Zeit, Beschwerde einzulegen.
Der kuriose Auftritt eines überraschenden Bieters vor zwei Wochen bei der Zwangsversteigerung von Norderstedts bekanntestem Müllgrundstück hinterließ etliche Fragezeichen. Wie ernst war das Interesse des unbekannten Mannes wirklich? Spielte er es nur vor? Was will er mit einem Gelände, auf dem 15.000 Kubikmeter Abfall lagern? Vor allem stellte sich aber die Frage: Wird er überhaupt beim zweiten Sitzungstermin auftauchen?
Pünktlich um 10 Uhr sitzt Jagtar Singh am Freitagmorgen neben seinem Anwalt in Saal C des Amtsgerichts Norderstedt. Er ist in Anzug und Krawatte gekleidet und trägt an seinem Handgelenk ein goldenes Armband, sein Finger schmückt ein goldener Ring. Kampflos aufgeben will er nicht. Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sitzt ihm als Vertreterin der Stadt siegesgewiss gegenüber – und soll recht behalten. Rechtspfleger Marco Faron erteilt der Stadt den Zuschlag für das plötzlich begehrte Problemgrundstück. Jagtar Singh bleiben zwei Wochen Zeit, um Beschwerde einzulegen.
Rückblick: Bei der Versteigerung vor zwei Wochen hat Oberbürgermeisterin Roeder für die Stadt ein Gebot von 2384,18 Euro für das Grundstück abgegeben, das die Familie Gieschen vor ihrem Verschwinden mit meterhohen Müllbergen hinterlassen hatte. Jahrelang stritten Stadt und Land über die Zuständigkeit – dann tüftelten sie gemeinsam einen Plan aus: Die Stadt sollte die Fläche am Umspannwerk in Friedrichsgabe ersteigern und anschließend verkaufen, um mit dem Erlös die rund 3,8 Millionen Euro teure Räumung des Mülls teilweise zu finanzieren. Die Kosten trägt das Land – beziehungsweise der Steuerzahler.
Norderstedt: Jagtar Singh konnte seinen Ausweis nicht finden
Doch dann betrat mit 20 Minuten Verspätung Jagtar Singh das Amtsgericht und gab mit 2400 Euro ein höheres Gebot ab. Allerdings hatte der Geschäftsführer der Jagtar UG, der zuvor betont hatte, sich mit Zwangsversteigerungsverfahren auszukennen, seinen Personalausweis vergessen. Stattdessen zeigte er Rechtspfleger Marco Faron auf seinem Handy die Gewerbeanmeldung seines Unternehmens aus dem Jahr 2014 – doch die Aufnahme hatte eine schlechte Bildqualität und reichte nicht aus, um Singhs Identität nachzuweisen. Er eilte aus dem Gerichtssaal, um im Kofferraum seines Autos nach seinem Ausweis zu suchen – vergeblich. Marco Faron wies sein Gebot zurück. Ein zweiter Termin für die Zuschlagsverkündung wurde angesetzt. Dort sollte Jagtar Singh dennoch eine Chance bekommen, zu begründen, warum sein Gebot doch gültig ist.
Marco Faron wiederholt am Freitagmorgen, was in der letzten Sitzung passiert ist. Diesmal liegt Singhs Reisepass vor. Sein Anwalt bemängelt, dass das Protokoll unvollständig sei und beantragt dessen Berichtigung. Und dann wird es erneut ominös: Vor zwei Wochen ist eine Vertreterin der Stadt nach dem Gebot von Jagtar Singh nach vorne getreten und hat Rechtspfleger Faron einen Hinweis auf den fehlenden Nachweis der Identität des Bieters gegeben. Daraufhin wurde die Sitzung unterbrochen. Singhs Rechtsanwalt behauptet nun, dass dieser Vorgang fünf Minuten gedauert hätte und möchte dies im Protokoll vermerkt haben. Warum die Zeit eine wichtige Rolle spielen könnte, ist nicht ersichtlich. Oberbürgermeisterin Roeder und Marco Faron sind sich jedenfalls einig, dass es sich höchstens um eine Minute handelte. „Vier Minuten!“, wirft Jagtar Singh ein. „Wir sind hier nicht auf dem Basar. Wir verhandeln nicht über Minuten“, beendet Marco Faron die Diskussion. Ein weiterer Antrag des Anwalts wird abgelehnt. Der Rechtspfleger verkündet den Zuschlag zugunsten der Stadt und beendet nach gut einer halben Stunde die Sitzung.
Die Verwaltungschefin zeigt sich erleichtert. Gezweifelt hat sie aber nicht daran, dass der Stadt das Grundstück zugesprochen wird. „Es ist erwartungsgemäß entschieden worden“, sagt Roeder. Sie gehe nicht davon aus, dass sich trotz der zweiwöchigen Beschwerdefrist etwas an dem Urteil ändern werde. „Heute ist ein guter Tag für Norderstedt!“
Ein Zeitpunkt für die Räumung des Mülls steht noch nicht fest. Sie muss zunächst ordnungsgemäß ausgeschrieben werden. „Wir freuen uns jetzt erst einmal, dass wir den Zuschlag erhalten haben und einen Schritt weitergekommen sind“, sagt die Oberbürgermeisterin.
Ob Jagtar Singh Beschwerde einlegen wird, weiß er unmittelbar nach dem Urteil noch nicht. „Ich überlege noch“, sagt er. Zu seinen Beweggründen will er sich gegenüber dem Abendblatt weiterhin nicht äußern.