Kolumnist Jan Schröter geht der Frage nach, warum Übergriffe auf Polizeibeamte nicht nur in Hamburg und der Region, sondern deutschlandweit zugenommen haben.
Der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer nahm im Gespräch mit dem Abendblatt zur Tatsache Stellung, dass die Zahl der tätlichen Übergriffe auf Polizeibeamte nicht nur in Hamburg, sondern deutschlandweit gestiegen ist. Für Meyer ist ein wesentlicher Grund dafür pandemiebedingt. Denn seit Corona würden Polizisten von etlichen Leuten nicht vornehmlich als Hüter der Ordnung, sondern als „personifizierter Staat“ wahrgenommen.
Soso. Und den Staat muss man anscheinend dringend bepöbeln, bespucken, zusammenschlagen, wenn man ihn schon mal persönlich in die Finger kriegt? Wenn der Staat eine Einzelperson sein kann, sind wir dann 80 Millionen Staaten in Deutschland? Wird sich Deutschland erst dann nach dem Gusto der Staatsgegner ändern, wenn alle, die staatstragend daherkommen (und sei es nur vermeintlich staatstragend), einzeln durchgeohrfeigt sind?
Die meisten derer, die auf Polizisten als „personifizierter Staat“ losgehen, haben ihr Gehirn vermutlich bereits bei der ersten der hier gestellten drei Fragen deaktiviert. Eigentlich hatte ich gehofft, diese Quer-Krawallos hätten ihre große Zeit hinter sich, als sie sich mit kruden Thesen nach Rezepturen des Köchlings Attila Hildmann auf Anti-Coronaregeln-Demos ausleben konnten. Schließlich hat sich neuerdings ja sogar der Quersänger Xavier Naidoo canossamäßig von derartigem Irrweg distanziert.
Doch als jetzt Vizekanzler Habeck zu Wahlkampfauftritten nach NRW reiste, hatte die Quer-Fraktion endlich wieder einen personifizierten Staat als dringend benötigten Blitzableiter für sämtliche Geistesgülle, die sich in ihren überforderten Gehirnganglien anstaut. Geohrfeigt wurde der Vizekanzler nicht, wahrscheinlich war zu viel personifizierter Staat in Uniform um ihn herum.
Argumente wurden seitens der Verquerten jedoch auch nicht vorgebracht, sondern nur schrill gepfiffen, so nach dem Motto: Wenn wir schon nichts zu sagen haben, sollst du auch schweigen müssen. Dafür durfte man nach der Veranstaltung auf zweifelhaften Online-Kanälen erfahren, dass der „Protest“ kaum etwas mit der NRW-Wahl zu tun hatte. Es ging immer noch um den mantraartig vorgetragenen Unsinn, der nun schon seit Pandemiebeginn aus dieser Meinungsecke verklappt wird. Parolen wie: „Von Eliten regiert, von Medien manipuliert.“
Ganz ehrlich, die erste Halbparole beruhigt mich etwas – solange mich Eliten regieren, haben die Spinner nichts zu melden, sonst zählten die Regierenden ja nicht zur Elite. Was die Medien betrifft, zu denen ich mich als Autor und Journalist durchaus bekenne: Wäre das Ziel meiner Arbeit Manipulation, hätte ich bestimmt nicht so lausig wenig Geld auf meinem Konto. Jedenfalls recherchieren seriöse Journalisten in aller Regel sorgfältig. Was auf mindestens einen NRW-Demonstranten eher nicht zutrifft. Der bezeichnete Habeck als „Kinderblut trinkenden Satanisten“ und begründete diese Erkenntnis so: „Wenn ich das weiß, dann wissen das noch viele andere.“
Klassischer Fall von „personifizierter Dummheit“.