Norderstedt. Der mysteriöse Jagtar Singh könnte den Deal der Stadt Norderstedt mit dem Land platzen lassen. Was über ihn bekannt ist.
Es war ein ominöser Auftritt, der immer noch für Gesprächsstoff sorgt: Die Zwangsversteigerung von Norderstedts wohl bekanntestem Problem-Grundstück, auf dem 15.000 Kubikmeter Müll illegal lagern, stand kurz vor dem Abschluss. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder hatte für die Stadt ein Gebot über 2384,18 Euro abgegeben. Dem Zuschlag schien nichts mehr im Wege zu stehen. Dann öffnete sich plötzlich die Tür und ein unbekannter Mann in olivgrüner Cargohose und weiter Jacke eilte mit 20 Minuten Verspätung in Saal C des Amtsgerichts Norderstedt.
Einige Zuschauer fragten sich, ob sich der Mann in der Tür geirrt hatte – doch Jagtar Singh wusste genau, wo er hinwollte. Er gab mit 2400 Euro ein höheres Gebot als die Stadt ab. Allerdings hatte er seinen Personalausweis vergessen, der zwingend benötigt wird. Er verließ den Gerichtssaal, suchte den Ausweis im Kofferraum seines Autos – konnte ihn aber nicht finden. Marco Faron, zuständiger Rechtspfleger und Geschäftsleiter des Amtsgerichts, wies sein Gebot zurück. Doch den Zuschlag konnte er der Stadt ebenfalls nicht erteilen. Nicht nur die Frage, wer der mysteriöse Bieter ist, drängt sich auf, sondern vor allem: Wie geht das Verfahren weiter?
Dass Singh den Zuschlag erhält, ist unwahrscheinlich
Marco Faron hat einen zweiten Termin für den 6. Mai angesetzt. „Dann wird endgültig entschieden, wem das Grundstück zugesprochen wird“, erklärt der Rechtspfleger. Dass Jagtar Singh neuer Besitzer der Fläche in Friedrichsgabe wird, auf der Familie Gieschen jahrelang illegal Müll angesammelt hat, dürfte unwahrscheinlich sein. Als sein Gebot zurückgewiesen wurde, hätte er sofort Widerspruch einlegen müssen – hat er aber nicht, da er zu diesem Zeitpunkt seinen Ausweis im Kofferraum suchte. Als er zurückkehrte, war die Frist abgelaufen. Theoretisch hat Singh nun bis zum 6. Mai Zeit, eine Begründung abzuliefern, damit Marco Faron sein Gebot doch noch für gültig erklärt. Wie diese aussehen müsste und ob es überhaupt eine Möglichkeit gäbe, ließ der Rechtspfleger im Gespräch mit dem Abendblatt offen.
Fakt ist: Auch wenn die Chancen wohl gering sind, könnte Singh der Stadt ihren wohlüberlegten Plan zunichte machen. Über Jahre konnten sich Stadt und Land nicht einigen, wer die Verantwortung für das vermüllte Grundstück der Familie Gieschen trägt und für die Räumung der Abfallberge aufkommen muss. Dann endlich sind beide Parteien Ende 2021 zu einer Lösung gekommen: Die Stadt sollte die Fläche ersteigern und anschließend verkaufen, um mit dem Erlös die schätzungsweise 3,8 Millionen Euro teure Beseitigung des Mülls zu finanzieren. Sollte ein anderer Bieter das Grundstück ersteigern, platzt der Deal.
Was für ein Interesse könnte Singh haben, diese vorbelastete Fläche zu kaufen? Laut Recherchen ist der Mann ein Tausendsassa: Sein Unternehmen „Jagtar UG“ soll unter anderem mit Textilien, Autoteilen und Blumen handeln sowie Streusalz, Traktoren – und offenbar auch Grundstücke an- und verkaufen. Ob Singh überhaupt zum zweiten Termin erscheint, ist ebenfalls fraglich.