Henstedt-Ulzburg. Wie Freiwillige im „Zentrum der Hilfe“ für die umfassende Unterstützung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen sorgen
Ein Zusammenschluss diverser Vereine und Organisationen, der Gemeindeverwaltung, Parteien und Ehrenamtler unter dem Titel „Henstedt-Ulzburg Hilft“ macht das unmöglich Geglaubte möglich und stampft binnen weniger Wochen verschiedene Unterstützungsangebote für ukrainische Geflüchtete aus dem Boden – zuletzt das „Zentrum der Hilfe“ im City Center-Ulzburg (CCU).
Frank Bueschler, zweiter Vorsitzender im Verein Henstedt-Ulzburg Bewegt, ist eigenen Angaben zufolge „nur eines der vielen Rädchen im Getriebe“, was die Hilfen für ukrainische Flüchtende in der Gemeinde angeht. Er steht lächelnd in einer nicht mehr ganz so leeren Halle an der Außenseite des CCU. In diesem Zentrum der Hilfe finden Geflüchtete seit dem 24. März eine Kaffeestation, gefaltete und sortierte Kleiderspenden, eine Kinderspielecke und reichlich Informationen auf Ukrainisch zu allerhand Themen, die die Neuankömmlinge interessieren. Wo kann ich mir eine SIM-Karte holen? Wo finde ich die Kleiderkammer vom Deutschen Roten Kreuz? An welchen Orten kann ich einen Corona-Schnelltest machen lassen? Zu den Öffnungszeiten – dienstags, donnerstags und sonnabends von 15 bis 18 Uhr – stehen sporadisch Dolmetscher bereit und helfen bei der Verständigung.
Neuer Treffpunkt für die Flüchtenden aus der Ukraine
„Derzeit befinden sich etwa 70 Geflüchtete in der Gemeinde, von denen wir wissen. Viele davon sind aber privat untergebracht, die treffen und kennen sich gar nicht untereinander. Dafür wollten wir einen Raum schaffen“, sagt Bueschler. CCU-Center-Manager Erich Lawrenz wurde angesprochen. „Drei Tage später haben wir schon die Schlüssel getauscht“, sagt Bueschler. Wenngleich die Halle Industriecharme habe, wurde sie doch rasant mit Wärme und Leben gefüllt. Schon am Tag der Öffnung des Zentrums der Hilfe hätten sich gut 30 Menschen aus der Ukraine eingefunden und kennengelernt. Über Facebook und Handzettel wurden sie über die neue Anlaufstelle informiert.
Eine der Geflüchteten im Zentrum ist Greta. Seit dem 2. März befindet sie sich in Deutschland, erzählt die Ukrainerin, die das Zentrum an diesem Tag erstmalig besucht. „Ich will einfach mal Leute kennenlernen!“, sagt sie. Ebenfalls vor Ort ist Eugenia Irmisch, die schon vor zehn Jahren aus der Ukraine nach Deutschland emigriert ist. Sie steht den Geflüchteten mit ihren Sprachkenntnissen zur Seite. „Einige brauchen medizinische Versorgung, manche einen Coronatest, andere fragen, wo sie günstig einkaufen können, wegen einer Arbeitserlaubnis oder der Schule für ihre Kinder.“ Irmisch weiß auf alle Fragen Rat. Ihr geht das Leid der Ukrainer besonders nahe. Ihre 77-jährige Mutter lebt doch in Cherson. Russische Truppen nahmen die Stadt unweit der Krim bereits am 2. März vollständig ein.
Vier 40-Tonner mit Unmengen an Spenden
Etwa 80 Menschen sind ehrenamtlich an verschiedenen Projekten des Spontanzusammenschlusses Henstedt-Ulzburg Hilft beteiligt. Darunter auch Julia Reuters, die hauptberuflich bei einem wissenschaftlichen Verlag arbeitet. „Seit fünf Wochen helfe ich, wo ich gerade gebraucht werde“, sagt sie. Sie sortiert Spenden, verpackt sie so, dass sie auf Europaletten geladen werden können, oder richtet eine Spielecke her – was eben gerade anliegt. „Man sieht hier einfach, wo die Hilfe ankommt. Das ist anders als bei einer Geldspende. Ich sehe meine Interaktion mit den Menschen hier einfach als Unterstützung“, beschreibt Reuters.
Wenn sie nicht gerade im Zentrum der Hilfe mitwirkt, arbeitet sie an der zweiten Anlaufstelle im Tiedenkamp 17. Hier werden dienstags bis sonnabends, von 15 bis 18 Uhr Sachspenden gesammelt. Henstedt-Ulzburg Hilft hat so bereits zwei 40-Tonner mit Lebensmitteln, Getränken, Babynahrung und weiteren überlebenswichtigen Gütern beladen und nach Siret an der rumänischen Grenze beziehungsweise Odessa schicken können. Dort werden die Waren vom Deutschen Roten Kreuz angenommen und weiterverteilt. Spenden werden noch immer zuhauf gebraucht, aber „mit Klamotten gewinnen wir keinen Krieg“, sagt Frank Bueschler. Auf der Webseite der Gruppierung unter sued-se.de ist genau verzeichnet, welche Artikel gerade wirklich benötigt würden. Zwei weitere Lastwagen wollen die Helfer mindestens noch vollmachen.
Der Strom der Hilfsbereitschaft reißt nicht ab. Eine ganz besondere Spende überreichte kürzlich die Klasse 10b der Olzeborchschule dem Zentrum der Hilfe. Eine Woche lang haben die Schüler jeden Tag selbst gebackene Kuchen in der Schule verkauft, die Einnahmen sammelten sie für die Ukraine. Da hat so mancher Schüler die Nächte hindurch gebacken und manch anderer sein ganzes Taschengeld für Charity-Kuchen geopfert. Insgesamt sind 700 Euro zusammengekommen.
Und noch ein Rädchen im hilfreichen Getriebe: Henstedt-Ulzburgs Bürgermeisterin Ulrike Schmidt. Sie steht im stetigen engen Austausch mit dem Netzwerk Henstedt-Ulzburg Hilft und ist bestens informiert, wie es um die Flüchtlingssituation in der Gemeinde steht. In der vergangenen Woche befanden sich ihr zufolge etwa 120 ukrainische Geflüchtete in Henstedt-Ulzburg. Viele davon seien privat untergebracht. In ganz Schleswig-Holstein seien bisher 34.000 Kriegsflüchtige angekommen.
„Wir müssen uns in den Gemeinden darauf einstellen, dass noch mehr kommen. Derzeit bieten viele Menschen private Unterkünfte an, und darauf müssen wir auch zurückgreifen, bis wir andere Lösungen in die Wege leiten konnten“, beschreibt Schmidt die Lage. Laut der Bürgermeisterin ist die Unterbringung der Geflüchteten in Sporthallen und ähnlichen Örtlichkeiten das „letzte Mittel“ und werde „so lange wie möglich herausgezögert.“