Henstedt-Ulzburg. Wie die Gemeindebücherei zu einem Treffpunkt für das Lernen und die Gemeinschaft werden kann.
Es sind die ersten Impressionen, wie die Henstedt-Ulzburger Gemeindebücherei in wenigen Jahren aussehen könnte nach ihrer Verwandlung in einen „Dritten Ort“. Bei denen, die kürzlich bei einer internen Präsentation dabei waren, haben sie Vorfreude geweckt.
Jochen Brems ist einer von ihnen. Der Geschäftsführer der Volkshochschule leitet das Projektteam, zu dem weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VHS, der Bücherei und der Verwaltung gehören. Vor knapp vier Jahren hatte er die Idee erstmals im Bildungsausschuss vorgestellt. Seitdem ist viel passiert. Die Standortsuche und die breit angelegte Befragung der Menschen im Ort wurden von der Pandemie zwar nicht ausgebremst, aber doch eingeschränkt. Doch das Vorhaben hat die Corona-Krise überdauert.
Der „dritte Ort“ kommt aus der Soziologie
„Dritte Orte“ haben nichts mit Science-Fiction zu tun. „Es ist ein Begriff aus der Soziologie“, sagt Brems. Der US-Amerikaner Ray Oldenburg habe diesen kreiert. „Wo halten sich Menschen auf? Am meisten zu Hause, das ist der erste Ort. Der zweite ist die Arbeit. Und es gibt dritte Orte, wo sich Menschen auch gerne aufhalten, austauschen. Bei Oldenburg war es noch weit gefächert, Sportvereine, Eiscafés. Mittlerweile hat sich das weiterentwickelt, der Lernaspekt ist hinzugekommen. Und dann ist es eher eine Lern- und Begegnungsstätte. Entscheidend sind die Niedrigschwelligkeit, die Zugänglichkeit, die öffentliche Finanzierung.“
Das große Vorbild ist das Bildungshaus in Norderstedt
Das geplante Bildungshaus in Norderstedt sei ein Premiumbeispiel hierfür. Der niederländische Architekt Aat Vos, der in Henstedt-Ulzburgs Nachbarstadt mit seiner Agentur Includi maßgeblich beteiligt ist, entwickelt auch das Projekt in der Großgemeinde. Zwar moderater, aber für die dortigen Verhältnisse trotzdem ambitioniert. Und mit einem Vorteil: Ein Neubau ist nicht nötig. „Es gab drei Standorte, die wir uns genauer angeschaut haben. Letztlich ist politisch entschieden worden, dass es die Gemeindebücherei wird“, sagt Jochen Brems. „Sie ist jetzt voll verfügbar, die Fläche ist gemietet, es sind 1200 Quadratmeter, so viel Platz hätten wir im CCU nicht. Und das Bürgerhaus hätte den Nachteil: Es wird schon gut genutzt.“
An einer Onlinebefragung zu den Bedürfnissen nahmen 600 Menschen teil. „Das war deutlich mehr als gedacht. Die Zielvorgabe war 150. Wir haben viel gestreut, Vereine, Politik, die Schulen angeschrieben, Wochenmärkte und Jugendzentren aufgesucht.“ Bei der Auswertung wurden die Schnittmengen sichtbar. „Wir haben gemerkt, dass bei den Menschen der Wunsch besteht, zu uns zu kommen. Freunde zu treffen und zu finden, inspiriert zu werden – das deckt sich mit der Kernthese, dass wir Begegnungsräume brauchen.“
Darauf basierend entstand das Konzept. Die Grundidee: Es gibt mehrere Info-Punkte, eine freie Fläche, andere Bereich, die modular sind. Der Raum wird durch ein deckenhohes Regal getrennt, das begrünt sein soll, aber nicht blickdicht. „Dahinter können Arbeitsbereiche in verschiedenen Formen entstehen. Dann gibt es eine Bühne, die wie ein Wohnzimmer aussieht. Einen Bereich für Kinder, ein Café, eine abgetrennte Ruhezone“, so Brems. „Überall gibt es Möglichkeiten, wo sich Leute zurückziehen können – zu zweit, dritt, viert, fünft.“ Weiter vorgesehen: ein Seminarraum, eine Werkstatt, ein Gaming-Bereich vorzugsweise für junge Menschen. „Und es wird viele verschiedene Lichtquellen mit unterschiedlichen Wirkungen geben.“ Die aktuellen Visualisierungen sind noch nicht die Endversion. Die Farben, der Boden, die Möbel, da fehle noch Feinschliff. „Aber von der Funktionalität ist es perfekt.“
VHS und Bücherei würden räumlich in der neuen Einrichtung aufgehen. „200 Quadratmeter grenzen direkt an die Volkshochschule. Wir würden einen Übergang schaffen. Und vorschlagen, zusammen das Kulturmanagement zu machen. Vorträge, Musik, Bühnenprogramm. Kostenfrei. Dafür brauchen wir ein Budget, damit man auch mal Kleinkünstlern eine Gage zahlen kann.“
Noch vor den Sommerferien soll es einen politischen Grundsatzbeschluss in der Gemeindevertretung geben. Zuvor werden die Architekten eine Kostenschätzung machen – vermutlich wird eine niedrige einstellige Millioneninvestition nötig sein. „Es gibt Fördermittel vom Land, vom Bund, der EU. Aber die Gemeinde muss bereit sein, einen großen Teil zu zahlen“, sagt Jochen Brems. Immerhin: Alle politischen Fraktionen hätten sich für das Projekt ausgesprochen.
Die Immobilie selbst gehört einem privaten Konsortium, Mieter ist die Gemeinde, die auch die Verhandlungen führen muss. Brems schlägt vor, einen Generalunternehmer mit der Ausführung zu beauftragen. Der Umbau würde im laufenden Betrieb stattfinden, zeitweise wäre die Bücherei dann geschlossen. Sofern die Mittel bereitgestellt werden, könnte die Umsetzung 2023 beginnen. „Wir glauben, es ist die richtige Richtung“, so Jochen Brems. „Aat Vos hat es treffend gesagt: Bis vor Kurzem ging es darum, Einrichtungen möglichst effizient zu machen. Jetzt geht es darum, Aufenthaltsqualität zu schaffen.“