Norderstedt. Organisatoren und Kommunen ziehen positive Bilanz des Drogen-Präventions-Zuges. Rauschmittel Konsum beginnt immer früher
Erst wurde kontrovers diskutiert über den „Revolution Train“, dann stand zwar die Zusage für das Gastspiel des tschechischen Anti-Drogen-Zuges im Kreis, ehe die Corona-Pandemie eine Verzögerung bewirkte. 2021 fuhr das rollende Präventionsprojekt dann in Norderstedt, Bad Segeberg und Bad Bramstedt vor. Über 3000 Jugendliche aus den Mittelstufen von weiterführenden Schulen nahmen an dem Programm teil, dazu rund 500 Eltern an den Familientagen. Immer im Wechsel zwischen Filmszenen und aufwendig gestalteten Abteilen wird mit drastischen Bildern eine Fixerkarriere erzählt – vom ersten Bier bis zur Heroinspritze. Teilweise wurden die jungen Menschen interaktiv einbezogen.
Revolution Train soll wieder in den Kreis Segeberg kommen
In einem Restaurant am Ihlsee in Bad Segeberg wurde nun Bilanz gezogen. Die beiden Hauptorganisatoren, Jürgen Schlichting von der Kreisverkehrswacht und Wolfgang Banse vom Kriminalpräventiven Rat in Norderstedt, hatten damals hartnäckig um die Genehmigung gekämpft – unter anderem gegen den Widerstand des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums, das fachlich nicht überzeugt war. Die Finanzierung (110.000 Eur0) trugen letztlich Norderstedt, Henstedt-Ulzburg, der Kreis und Sponsoren.
Banse: „Die Methodik war in der Kritik durch die krasse Abschreckung.“ Auch die Kosten waren ein Punkt. „Aber wenn wir deutsche Züge hätten, dann wären wir bei 30 Prozent der Kosten. Aufgrund der Pandemie mussten wir die Pläne für Norderstedt dreimal schieben. Aber was wir an Rückmeldungen bekommen haben von Schülern, von Lehrern, vom Land, das sich auch informiert hat – dann sagen wir: Der Aufwand hat sich gelohnt.“
Fester Bestandteil der Tour: Die Schülerinnen und Schüler bekamen die Gelegenheit, mit einem anonymen Fragebogen eigene Erfahrungen zu beschreiben. Ein Teil wurde vor der Tour ausgefüllt, der zweite während des Programms, der dritte am Ende.
Oft gibt es den ersten Alkohol über die eigenen Eltern
2933 der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Norderstedt, Bad Segeberg und Bad Bramstedt haben Antworten geliefert. „Das ist für den Kreis schon repräsentativ“, sagt Wolfgang Banse. Die meisten Teenager waren im Alter von 13 bis 15 Jahren. Erfahrungen mit Alkohol, Tabak, Marihuana – das passiert um das 14. Lebensjahr herum. Kreisweit gaben rund 64 Prozent jedoch an, noch nie geraucht zu haben. Das ändert sich jedoch mit dem Alter, denn bei den 15-Jährigen sind es über 40 Prozent, die bereits mindestens einmal eine Zigarette probiert haben. Die häufigsten Gründe: Neugier oder das Beisammensein mit Freunden.
Beim Alkohol fällt auf: Von den 64 Prozent, die Erfahrungen haben, haben wiederum zwei Drittel den Zugang über die eigenen Eltern erhalten. Und: Selbst bei den 13-Jährigen hatten 114 von 682 Befragten in den letzten 30 Tagen etwas getrunken. „Die Tendenz geht in Richtung jünger“, sagt Wolfgang Banse.
Explizit nach Marihuana befragt, hatten 374 Schülerinnen und Schüler schon einmal gekifft, 144 mehr als 20-mal. Auch hier ist die Motivation eindeutig: eine Kombination aus Neugier, Freundeskreisen und Spaß.
Crystal Meth: Beschaffung der Droge zu leicht?
Eine Frage, deren Ergebnis durchaus auch bemerkenswert ist, betraf die Zugänglichkeit zu Crystal Meth. 212 von 2933 Jugendlichen gaben nämlich an, dass die Beschaffung dieser zerstörerischen Droge für sie persönlich „leicht bis sehr leicht“ sei.
Als früherer Jugendbeauftragter der Norderstedter Polizei hat Banse genügend positive wie negative Beispiele in Zusammenhang mit Drogenkonsum und Abhängigkeiten erlebt. Dass drei Viertel der Schülerinnen und Schüler dem Revolution Train die Note „sehr gut“ oder „gut“ gegeben haben, freut ihn. Eine Garantie ist das aber nicht. „Was die Schüler daraus ziehen, muss man sehen. Wir wissen nicht, wie nachhaltig es in den Köpfen bleibt. Das kann man bei keiner Präventionsveranstaltung sagen.“ Klar, auch das beste Konzept verhindert nicht das Ausprobieren, das weiß der langjährige Polizeibeamte aus eigener beruflicher Erfahrung nur zu gut.
Ideenwettbewerb für Schüler zur Nachbearbeitung
Für die Schulen gab es über ein Nachbearbeitungsprogramm einen Ideenwettbewerb – inklusive 500 (erster Preis) und 250 Euro (zweiter Preis) für die Klassenkasse. Platz eins in Norderstedt gewann das Gymnasium Harksheide, den zweiten Platz teilten sich das BBZ und die Gemeinschaftsschule Harksheide. Kreisweit wurden die Richard-Hallmann-Schule (Trappenkamp), die Segeberger Dahlmann-Schule und die Poul-Due-Jensen-Schule (Wahlstedt) ausgezeichnet.
Im Jugendhilfeausschuss am Donnerstag, 10. März (18.15 Uhr, Plenarsaal), wird der Bericht noch einmal kurz vorgestellt. Auch Gespräche mit der Suchtberatungsstelle sind geplant. Banse: „Das Thema Mobbing ist ein ganz wichtiges, das nehmen wir jetzt auf.“ Im nächsten Jahr soll der Anti-Drogen-Zug wieder nach Norderstedt rollen. Geplant ist eine Weiterentwicklung, sagen die tschechischen Initiatoren Patricia Jonson und Pavel Tuma.
Ein Beispiel, so Wolfgang Banse: „Alle, die durch den Zug gehen, bekommen ein kleines Tablet.“ Dann soll die Befragung quasi in Echtzeit erfolgen, die Auswertung schnell möglich sein. Es gibt also viele Ideen. Auch die Story soll etwas überarbeitet und modernisiert werden, ein weiteres Abteil entstehen. „Aber die Geschichte soll so bleiben, das beeindruckt die Jugendlichen ja auch.“