Kreis Segeberg. Auch die Menschen im Kreis Segeberg packen an und wollen ukrainischen Kriegsflüchtlingen helfen - die Aktionen.
Die Hilfsbereitschaft der Norderstedterinnen und Norderstedter für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ist groß. Etliche Menschen aus der Stadt haben bereits privat Hilfstransporte organisiert und ganze Lastwagen mit gespendeten Waren nach Polen zur Versorgung der dort gestrandeten Ukrainerinnen und Ukrainer geschickt. Manche machen sich auf eigene Faust auf den Weg, packen ihre Autos mit Spenden voll und fahren in Richtung Polen.
Ilka Bandelow, Erste Vorsitzende des Vereins Willkommen-Team Norderstedt, berichtet von sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern, die etwas für Menschen tun wollen, die aus der Ukraine flüchten müssen. „Ich habe drei Anrufe bekommen von Personen, die mit Autos Ukrainer von der polnischen Grenze abholen“, sagt sie. Zudem wisse sie von einer Person, die privat sechs Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht habe.
Das Willkommen-Team, das sich seit 2014 um neu angekommene Geflüchtete in Norderstedt kümmert, bereitet sich derzeit auch auf die Ankunft von Menschen aus der Ukraine vor. Derzeit habe man 140 aktive Mitglieder, im Jahr 2015 waren es etwa 350. „Derzeit melden sich ehemalige Aktive bei uns, die wieder mitmachen wollen“, sagt Ilka Bandelow.
Zudem bekomme sie „wahnsinnig viele Anrufe“ von Menschen, die etwas spenden möchten. Sie bittet aber um etwas Geduld. Bandelow: „Wir wissen derzeit nicht, wie viele Menschen kommen und was genau sie brauchen.“ Wer helfen wolle, solle sich zunächst unter der von der Stadt eingerichteten, zentralen E-Mail-Adresse ukraine-hilfe@norderstedt.de melden.
Zur Arbeit des Vereins gehört es, Geflüchtete, die neu in Aufnahmeeinrichtungen ankommen, mit sogenannten „Willkommensbeuteln“ zu begrüßen. Darin befindet sich eine Erstausstattung mit Dingen wie Besteck, Kochgeschirr, Handtüchern und Toilettenpapier, „Dinge, die in den Einrichtungen so nicht vorhanden sind“, so Ilka Bandelow. Derzeit kümmere man sich um ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan, konkret seien gerade zwei Großfamilien neu in Norderstedt angekommen. Ihr Vorteil gegenüber Geflüchteten aus der Ukraine: Ihr Asyl-Status ist geklärt. Geflüchtete aus der Ukraine hätten derzeit üblicherweise, so Bandelow, nur Touristen-Visa. Auf EU-Ebene wird derzeit diskutiert, dass sie einen besonderen Aufenthalts-Status bekommen sollen. Bandelow: „Darauf warten wir. Dann wissen wir auch besser, wie wir ihnen helfen können, etwa bei Behördengängen.“
Vom Gut Wulksfelde starten vier Lastwagen nach Polen
Die Solidarität mit den vom Krieg betroffenen Menschen kennt aber auch im übrigen Kreis Segeberg keine Grenzen. Etwa auf dem Gut Wulksfelde in Tangstedt, bei einer spontan und in wenigen Stunden auf die Beine gestellten Hilfsaktion, gemeinsam mit der Gutsküche und Spitzenkoch Matthias Gfrörer.
Am Donnerstag konnten die Menschen dort Hilfsgüter abgeben. Um kurz vor 9 Uhr standen die Spenderinnen und Spender Schlange auf dem Gut. Einige hatten Isomatten und Decken unter den Armen, andere Tüten mit Windeln oder Zahnbürsten. Dringend gebraucht wurden Medikamente, Erste-Hilfe-Kästen, Zelte, Generatoren, Decken und Hygieneartikel für die Menschen im Krisengebiet.
„Wir wollten einfach aktiv etwas tun“, sagt Rolf Winter, Geschäftsführer des Gut Wulksfelde. „Wir haben die Kapazitäten – Lastwagen sowie Mitarbeiter – und wollen diese für die Menschen in Not einsetzen.“ Bereits am Montag sollen die gesammelten Spenden mit vier Lastwagen und einem Transit an die polnisch-ukrainische Grenze in der Region Lemberg gebracht und an einen polnischen Rotary Club übergeben, der sich dort um die Verteilung an Geflüchtete kümmert. Den Kontakt hat Geschäftsführer Hauke Rüsbüldt hergestellt, der Mitglied im Rotary Club Hamburg-Walddörfer ist und den Hilfstransport persönlich begleiten wird.
Als Angela Günther von der Aktion hörte, machte sie sich sofort auf den Weg, um 14 Taschenlampen, 10 Verbandskästen, 30 Zahnbürsten und 30 Pakete Schmerzmittel einzukaufen. Fast vier Stunden war die 63-Jährige unterwegs, bis sie alles zusammenhatte. „In einigen Läden waren die Bestände schon stark reduziert. Ich musste drei Läden anfahren, bis ich die Verbandskästen aufgetrieben hatte“, sagt die Hummelsbüttlerin.
Auch Maike Tiedemann brachte Isomatten, Decken und ein Zelt vorbei. „Als wir die Sachen gekauft haben, waren sie für einen Camping-Urlaub mit unseren Kindern – jetzt sind sie für den Krieg. Was für eine schreckliche Vorstellung“, so die Ohlsdorferin.
Mit einem Telefon in der Hand läuft Matthias Gfrörer, Inhaber der Gutsküche auf dem Guts Wulksfelde, zwischen Kartons und Helfern hin und her. Asklepios hat ihm Medikamente und Verbandsmaterial zugesagt, ein Hotel Decken. „Als Europäer sind wir alle gefordert“, sagt Matthias Gfrörer.
Zentrale Sammelstelle in Henstedt-Ulzburg für Spenden
Angesichts der Flut an Spenden, wurde in Henstedt-Ulzburg jetzt im Gewerbepark am Tiedenkampg 17 eine zentrale Sammelstelle für Ukraine-Spenden eingerichtet. Ein Unternehmen hat dort eine Halle zur Verfügung gestellt. Montags bis sonnabends, von 15 bis 18 Uhr, können Babynahrung, Lebensmittel (haltbar/Konserven), Snacks (Müsli- oder Schokoriegel), Brot (haltbar, Knäckebrot), Softgetränke (auch zuckerhaltig) und warme Kleidung in allen Größen abgegeben werden. Auf www.sued-se.de gibt es stets eine aktuelle Liste. Die Spenden werden dann mit Transportern an die polnisch-ukrainische Grenze gebracht. Wer freien Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stellen möchte soll sich unter 04193/96 33 41 oder ukraine@henstedt-ulzburg.de melden.
Partnerstädte werden mit Hilfsgütern angefahren
In Kaltenkirchen startete bereits am frühen Donnerstagmorgen ein Hilfstransport mit Spenden für Flüchtlinge in die polnische Partnerstadt Kalisz Pomorski. Firmen, Hilfsorganisationen und die Stadtverwaltung haben den Transport gemeinsam vorbereitet. Bürgermeister Hanno Krause begleitet die Reise.
Ein weiterer Transport startet am frühen Sonnabendmorgen in Bad Bramstedt. Die Organisatoren der Stadt und der Hilfsorganisationen haben sich mit Helfern aus Neustadt/Holstein zusammengeschlossen und werden mit mehreren Lastwagen in die Bramstedter Partnerstadt Drawsko Pomorski fahren, um Flüchtlingen zu helfen.
Für die Fahrt hat die Weddelbrooker Spedition Boyens einen Lastwagen plus Fahrer bereitgestellt. Zum Konvoi gehören auch zwei Kleinbusse, um Flüchtlinge nach Bad Bramstedt zu bringen.
„Ich denke dabei besonders an Frauen und Kinder“, sagt Bürgermeisterin Verena Jeske, die die Reise begleiten wird. „Für die Unterkunft bei uns gesorgt.“ Ob alle Hilfsgüter aus der Sammelstelle am Schäferberg mitgenommen werden können, ist noch offen. „Andernfalls fahren wir ein zweites Mal“, sagt Jeske. Die Organisatoren haben auch Geldspenden gesammelt und inzwischen 45.000 Euro zusammen.
In Drawsko Pomorski sind die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine eingetroffen. Die Unterstützung vor Ort wird erschwert durch einen fast einwöchigen Stromausfall. Die Stürme der vergangenen Woche haben in der polnischen Stadt einige Hochspannungsleiter zerstört. Trotz aller Widrigkeiten: „Es ist schön, die große Hilfsbereitschaft zu sehen“, sagt Jeske. „Die Menschen rücken enger zusammen.“