Norderstedt. 30 von 39 Beschäftigten und mehr als die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner infiziert. Träger spricht von „Grenzsituation“.
Das Paul-Gerhardt-Haus in Wahlstedt erlebt derzeit eine Ausnahmesituation: 54 von 89 Bewohnerinnen und Bewohnern sowie 30 der 39 Mitarbeitenden der Pflegeeinrichtung haben sich mit Corona infiziert. Ein Labor hat herausgefunden, dass es sich bei der Virusvariante um den noch ansteckenderen Omikron-Subtyp BA.2 handelt. In Dänemark gilt BA.2 bereits als dominierende Variante – auch hierzulande breitet sie sich immer weiter aus.
Bereits am 26. Januar seien die ersten Infektionen in dem Pflegeheim entdeckt worden, berichtet Sebastian Wieschowski. „Die Lage hat sich seitdem zum Glück etwas entspannt. Die Leute werden nach und nach wieder aus der Quarantäne entlassen“, sagt der Sprecher des Landesvereins für Innere Mission Schleswig-Holstein, der Träger der Einrichtung ist. Auch hätte niemand in einem Krankenhaus behandelt werden müssen. „Man kann also von milden Verläufen sprechen.“
Omikron-BA.2-Ausbruch in Pflegeheim: Nahezu alle gegen Corona geimpft
Die Impfquote im Paul-Gerhardt-Haus ist hoch. Nahezu alle Bewohnerinnen und Bewohner sowie Beschäftigten sind geimpft, die meisten sogar geboostert. Dennoch: „Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort durchlebt haben, kann man sich kaum vorstellen. Sie haben sich Sorgen um die Bewohner gemacht und hatten zudem Angst, ihre Familien zu Hause anzustecken. Das ist eine Grenzsituation“, sagt Wieschowski.
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Zum Landesverein gehören insgesamt neun Pflegeheime. Das Paul-Gerhardt-Haus habe rechtzeitig Alarm geschlagen, sodass Beschäftigte aus den anderen Einrichtungen umverteilt werden konnten. So war es möglich, den Ausfall von mehr als drei Viertel der Belegschaft aufzufangen. „Einige sind sogar extra aus dem Urlaub zurückgekommen und haben alles stehen und liegen lassen“, berichtet Wieschowski.
Die infizierten Heimbewohner sind angehalten, sich auf ihren Zimmern zu isolieren. „Die Türen sind aber natürlich nicht abgeschlossen. Sie dürfen sich mit allergrößter Vorsicht draußen die Beine vertreten, wenn sie das möchten und sich niemand in der Nähe befindet“, erklärt der Sprecher des Landesvereins. Es müsse immer zwischen der größtmöglichen Freiheit und dem größtmöglichen Schutz der Menschen abgewogen werden. „Das ist nicht einfach.“
Bewohner von Pflegeheimen müssen sich 14 Tage isolieren
Im Kreis Segeberg sind aktuell rund 30 Pflegeeinrichtungen von „kleineren und größeren Ausbrüchen“ betroffen, teilt Kreissprecherin Sabrina Müller mit. „Aufgrund der nach wie vor sehr hohen Arbeitsbelastung im Infektionsschutz ist es derzeit nicht möglich, detaillierte Infos zu einzelnen Einrichtungen zu geben“, sagt Müller. Auch könne keine verlässliche Angabe dazu gemacht werden, welche Corona-Untervariante wie häufig auftrete. „Omikron hat neben BA.1 und BA.2 diverse weitere Untervarianten“, erklärt die Kreissprecherin. Aber nicht jedes positive PCR-Testergebnis werde auf eine Variante untersucht.
Allgemein gilt für Bewohnerinnen und Bewohner von Seniorenheimen eine Isolationszeit von 14 Tagen. Das Vorgehen in Pflegeeinrichtungen weicht von den üblichen Quarantäne-Regeln ab. Im Anschluss an die Isolationszeit müssen Heimbewohner einen negativen PoC-Test vorlegen. Dabei handelt es sich um einen Test, der wie der PCR-Test auch auf der Nukleinsäureamplifikationstechnik basiert, jedoch vor Ort („Point of Care“, PoC) kurzfristig ausgewertet werden kann. Sie sind in der Anwendung nicht auf Labore angewiesen.
Drei weitere Menschen im Kreis sind verstorben
Welche Maßnahmen bei einem Corona-Ausbruch greifen, stimmt der Infektionsschutz des Kreises individuell mit jeder betroffenen Pflegeeinrichtung ab. „Die Maßnahmen hängen unter anderem davon ab, wie viele Personen infiziert sind, ob es sich um Bewohnerinnen und Bewohner oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt, wie hoch die Impfquote ist, wie viele und welche Bereiche einer Einrichtung betroffen sind“, erklärt Sabrina Müller. Auch die Länge der Maßnahmen sei von Einrichtung zu Einrichtung verschieden. Entscheidend, so die Kreissprecherin, sei dabei unter anderem, ob es neue Infektionen gebe, wie lange ein PCR-Test positiv sei und wie sich die allgemeinen Wohnverhältnisse darstellten.
Der Kreis Segeberg hat am Freitagmittag 379 per PCR-Test nachgewiesene Corona-Neuinfektionen gemeldet. Vor einer Woche waren es noch 704. Das Robert Koch-Institut meldet aktuell eine Inzidenz von 856,1. Die Gesamtzahl aller bisher nachgewiesenen Infizierten im Kreis beträgt 28.736. Derzeit sind 9910 Personen mit Corona infiziert. 20 Personen werden in einer Klinik versorgt, eine davon intensivmedizinisch.
Die Gesamtzahl der statistisch erfassten Verstorbenen an oder mit Covid-19 hat sich um drei Personen erhöht und beträgt nun 222. Verstorben sind ein 92 Jahre alter Mann ohne Bezug zu einer Pflegeeinrichtung sowie ein 91 Jahre alter Mann und eine 82 Jahre alte Frau, die in Pflegeeinrichtungen lebten. Zwei der verstorbenen Personen ware