Norderstedt. Konzentrationslager Wittmoor eröffneten die Nazis als eines der ersten in Deutschland – es bestand nur sechs Monate.
Das Konzentrationslager im Wittmoor in Norderstedt-Glashütte war eines der ersten seiner Art, das die Nationalsozialisten in Deutschland eröffneten. Schon kurz nach der sogenannten Machtergreifung wurde es am 31. März 1933 eröffnet, aber schon Oktober 1933 wieder geschlossen, die Häftlinge in das Konzentrationslager Hamburg-Fuhlsbüttel verlegt. Gleichwohl ist das KZ Wittmoor ein Ort des organisierten Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch die Nazis. Heute erinnert dort, wo das KZ stand, ein Gedenkstein an die dort Inhaftierten.
Holocaust-Gedenken: Versammlung am Denkmal
Zum heutigen Holocaust-Gedenktag wird es von 15 Uhr an eine Versammlung vor dem Denkmal am Fuchsmoorweg geben. Bundespräsident Roman Herzogs proklamierte am 3. Januar 1996 den 27. Januar zum Gedenktag. Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee die letzten Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz befreit. Die erschütterten sowjetischen Soldaten fanden noch 7000 überlebende Gefangene. 1,1 Millionen ihrer Leidensgenossen waren in den Jahren zuvor vor allem in Auschwitz-Birkenau ermordet worden, die meisten Juden, aber auch Polen, Roma, Russen, sowjetische Kriegsgefangene.
Mit Kranzniederlegungen am KZ Wittmoor soll der Opfer des Nazi-Terrors gedacht werden, der sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden aus ganz Europa und all den anderen Opfern, die in den KZs ihr Leben und ihre Würde ließen. Stadtpräsidentin Kathrin Oehme und weitere Personen aus Politik, Gesellschaft und Kultur werden erwartet. Alle Norderstedterinnen und Norderstedter sind aufgerufen, teilzunehmen. Veranstalter sind der Kulturverein Chaverim – Freundschaft mit Israel und die Stadt Norderstedt.
Konzentrationslager Wittmoor bestand nur sechs Monate
Das Konzentrationslager Wittmoor bestand nur etwas mehr als sechs Monate, und aus Zeitzeugen-Berichten weiß man heute, dass der NS-Terror hier noch nicht so ausgefeilt war wir in späteren Lagern. Todesopfer sind im KZ Wittmoor nicht bekannt, systematische Folter kam nicht vor. Kurz vor der Schließung des Lagers stellte der Hamburger Reichsstatthalter Karl Kaufmann nach einem Besuch im Lager im August 1933 fest, im Wittmoor werde „zu wenig geprügelt“.
Das heißt allerdings nicht, dass es in diesem frühen Lager der Nazis human zuging. Gleichwohl galt es, so der Hamburger Schriftsteller Heinz Liepmann in einem 1933 veröffentlichten Bericht, „als eines der humansten Lager“. Insbesondere SA-Leute aus der Lüneburger Heide, die für die Bewachung der Häftlinge zuständig waren, haben aber nach Liepmanns Worten die Inhaftierten offen misshandelt. „Als sie abgelöst wurden, atmete das Lager auf. Zurück blieben Zerschlagene, Blutige, Verzweifelte, Verblödete“, schrieb er für die im Exil erscheinende Zeitung „Neue Weltbühne“. Der in seinem 1933 in Amsterdam erschienenen Roman „Das Vaterland“ häufig wiederholte Vers „Lieber Gott, mach mich stumm, dass ich nicht nach Wittmoor kumm!“ macht klar, dass das Lager nur im Vergleich mit späterem Terror als „human“ bezeichnet werden kann.
Politische Gegner sollten umerzogen werden
Auf dem Gelände einer stillgelegten Torfverwertung sollten politische Gegner des Nationalsozialismus – mehrheitlich Mitglieder der KPD (darunter der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Alfred Levy), aber auch der SPD, der SAPD und der Zeugen Jehovas – sowie einige Homosexuelle und Transvestiten durch harte Arbeit „umerzogen“ werden. Am 10. April 1933 wurden die ersten 20 Gefangenen hinter Stacheldraht eingesperrt. Deren Aufgabe war es, die verfallenen Gebäude notdürftig herzurichten. Im September 1933 wurde mit 140 Inhaftierten eine Maximalbelegung des Lagers verzeichnet. Die Gefangenen wurden in Torfgewinnung und Moorkultivierung eingesetzt. Ursprünglich war daran gedacht, 800 Häftlinge unterzubringen. Dafür war das Gelände zu klein; auch waren die Unterkünfte nicht winterfest.
Im Zuge der Vereinheitlichung des Systems der Konzentrationslager unter der Führung der SS wurde das Lager auf Anordnung des Justizsenators Curt Rothenberger geschlossen, am 17. Oktober 1933 vollständig geräumt.
„Licht zeigen“: Gedenken mit einem ganz besonderen Foto
Im Gedenken an die Opfer des Holocaust gibt es heute auch eine landesweite Aktion: „LichtZeigen“. Das Kultur- und Bildungsministerium Schleswig-Holstein schickte mit Unterstützung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Aufkleber von einem Foto mit einem Chanukka-Leuchter und einer Hakenkreuz-Flagge im Hintergrund an alle schleswig-holsteinischen Schulen mit der Bitte, diesen Aufkleber gut sichtbar an Türen und Fenster zu kleben.
Das Foto machte Rahel Posner, die Ehefrau des letzten Kieler Rabbiners Akiba Posner, 1932, ein Jahr, bevor das NS-Regime die Macht in Deutschland übernahm. Der Chanukka-Leuchter wird heute in der Gedenkstätte Yad Vashem ausgestellt und gilt als Mahnmal gegen den Antisemitismus. Die Landespolizei gedenkt mit einer Kranzniederlegung am Grab des jüdischen Rechtsanwaltes Friedrich Schumm auf dem jüdischen Friedhof in Rendsburg an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors.
Stolperstein in Kiel erinnert an Familie Schumm
Schumm war 1933 von SA und SS-Angehörigen im Kieler Polizeigefängnis erschossen worden – Polizisten hatten die Schergen nicht daran gehindert. Die Mörder wurden für die Tat nie zur Rechenschaft gezogen. Heute erinnert ein Stolperstein an der Holtenauer Straße in Kiel an die Familie Schumm.
„Die Kranzniederlegung ist mehr als ein Symbol oder eine Geste, es ist mir ein persönliches Anliegen. Ein wesentliches Element des heutigen Selbstverständnisses einer demokratischen Bürgerpolizei und der werteorientierten Ausbildung, die diese Verpflichtung auf grundgesetzliche Werte wie Würde, Gleichheit und Freiheit vermittelt, ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte“, betont Landespolizeidirektor Michael Wilksen.
Das NS-Regime sei damals wesentlich von der Polizei gestützt worden, und auch die Landespolizei habe sich in ihrer Gründungszeit noch weitgehend auf belastete Führungskräfte gestützt.