Tangstedt. Vakantes früheres Seniorenheim in Tangstedt wird abgerissen. Dann entsteht ein Neubau mit 95 Betreuungsplätzen.
Seit mehreren Wochen wundern sich viele Menschen, die an dem leerstehenden früheren Alten- und Pflegeheim an der Dorfstraße in Tangstedt vorbeikommen, über das, was dort zu sehen ist. Beziehungsweise, was nicht. Denn nachdem im hinteren Teil des Grundstücks die ersten Abrissarbeiten begonnen hatten, schien es so, als würde das Neubauvorhaben einer Seniorenresidenz Fahrt aufnehmen. Doch mittlerweile ruht die Baustelle längst wieder.
Das Misstrauen ist unbegründet, betont allerdings der Projektentwickler – die Firma GWK aus Seelze bei Hannover. Prokurist Uwe Weber erklärt den Sachstand. „Wir haben eine Baugenehmigung, haben Baurecht und mit dem Abriss der hinteren Gebäude begonnen.“ Das sei wichtig gewesen, um Vermessungen vorzunehmen. „Jetzt sind wir bei den Ausschreibungen und der Auftragsvergabe für die Erdarbeiten und den Rohbau. Wir machen ab circa Mitte Februar weiter.“
Tangstedt: Das vorherige Pflegeheim ging 2020 insolvent
Dann wäre die Geschichte des einstigen Hauses Sommer endgültig beendet. Was dort vor zwei Jahren geschah, ist im Ort ein wunder Punkt. Das mehrteilige Gebäude steht seit Ende 2020 leer. Damals hatte sich die Situation binnen Wochen zugespitzt. Die frühere Betreiberin hatte im Juli 2020 einen Insolvenzantrag gestellt. „Heruntergewirtschaftet“, so nennt Bürgermeister Jürgen Lamp diese Entwicklung rückblickend. Der Insolvenzverwalter suchte eine Übergangslösung, die aber nicht möglich war. Wohl auch, weil der Abriss sowieso feststand, denn GWK hatte das Grundstück zu diesem Zeitpunkt bereits gekauft. Das mehr als 50 Jahre alte Gebäude noch einmal für einen kurzen Zeitraum wirtschaftlich zu betreiben, und das während einer Pandemie und mit dem bestehenden Fachkräftemangel, zudem auf einer Baustelle, erwies sich als nicht machbar.
Im September 2020 stand fest, dass das Haus Sommer mit seinen etwa 40 Plätzen nicht mehr zu retten war, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten für Ende Oktober damals die Kündigung. Alle Bewohnerinnen und Bewohner mussten also neue Heime finden. Eine Tortur für viele Betroffene, zumal es zu diesem Zeitpunkt auch noch zu einem Infektionsausbruch kam. Anfang November war das Haus dann endgültig verlassen, in den Wochen darauf wurde entrümpelt, zum Teil sogar Einrichtung auf Ebay angeboten.
Tangstedt: Pragmatismus setzte sich durch
Dass sich die Fraktionen im vorletzten Herbst in mehreren Sitzungen zunächst über die notwendige Änderung des Bebauungsplans nicht einig wurden, weil die anvisierte Größe (95 Plätze) teilweise als überdimensioniert galt, passte zu der komplizierten Gemengelage. Gerade noch rechtzeitig setzte sich Pragmatismus durch.
Doch das ist mittlerweile eineinhalb Jahre her. Jürgen Lamp ist ungeduldig. „Tangstedt braucht ein Seniorenheim. Ganz, ganz dringend. 6700 Einwohner und kein Seniorenheim? Das kann nicht sein. Das wäre genauso, als wenn die Tangstedter Mühle, die Sparkasse oder Aldi nicht mehr da wäre.“
Er hat sich mit Traute Lange und Ursula Braun vom Seniorenbeirat vor dem Haus Sommer getroffen. Dieses sei zwar von der Ausstattung schlecht gewesen, berichten sie. „Aber die sind mit den Leuten ganz toll umgegangen.“ Derzeit gibt es nur noch im westlichen Ortsteil Rade eine Betreuungseinrichtung, das Landhaus Ruhetal für ungefähr 20 Personen. Lange: „Es fehlt in allen Ortsteilen an seniorengerechten Wohnungen. Es geht nur langsam voran. In der letzten Legislaturperiode hatte uns Herr Hübener (der damalige Bürgermeister; d. Red.) versprochen, dass Ende 2018 an der Kuhteich-Wiese die ersten Bewohner einziehen können.“
Tangstedt: In zehn Jahren bis zu 300 pflegebedürftige Personen
Auch so ein Reizthema. Nach der Kommunalwahl 2018 hatte die neue Mehrheit diese Pläne gestoppt. Und auch hier sind die Verhandlungen mit dem Investor langwierig. Kürzlich, so Lamp, habe es ein informelles Treffen gegeben, „zwei Leute von jeder Fraktion, die Verwaltung und Herr Thede von der Firma Semmelhaack“. Zwei Entwürfe hatte es 2021 gegeben, einmal mit 40, einmal mit 22 Wohneinheiten. „Die Politik sagte: 40 sind zu viel, 22 zu wenig. Jetzt haben wir einen Kompromiss.“ Dieser soll in der kommenden Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses beraten werden. Das wäre nach jetzigem Stand aber erst am 29. März.
Bei GWK verfolgt man durchaus auch die grundsätzliche Problematik in Tangstedt. Geschäftsführer Torsten Schulz rechnet vor: „Bei 6000 Einwohnern sind es in den nächsten zehn Jahren vielleicht fünf Prozent, die in die Pflege, in das betreute Wohnen wollen. Da reden wir von 300 Personen.“ Aktuell hätte Tangstedt hierfür kein Angebot. „Überdies ist es ein Kreislauf. Familien ziehen neu in die Häuser, es findet eine Durchmischung von Generationen statt.“ Wenn das nicht möglich sei, „blutet eine Gemeinde aus“.
Tangstedt: Entwürfe für neues Altenheim liegen vor
Uwe Weber fügt hinzu: Es sei ungewöhnlich, dass ein Ort mit der Größe Tangstedts keine adäquate Pflegeeinrichtung habe. Das führt in Konsequenz dazu, dass Menschen wegziehen müssen, fort vom gewohnten Umfeld. „Wir fühlen uns in die Pflicht genommen. Wir kennen die Bedürfnisse, weil viele Leute darauf warten, die vielleicht in die Pflege gehen wollen, ohne ihren Wohnsitz zu wechseln. Die alten Menschen gehören ja nicht an die Peripherie, sondern in die Mitte. Es ist wichtig, dass die Pflege im Ortszentrum ist.“ Das ist auch für den Bürgermeister dringend geboten. „Dieser Ort ist zentral. Der Hausarzt, die Apotheke, der Zahnarzt, Edeka und Aldi sind nicht weit. Das ist für eine Seniorenresidenz, wie sie mittlerweile bezeichnet wird, top.“
Auf Grafiken sind Entwürfe zu sehen, wie es künftig entlang der Dorfstraße aussehen könnte. Bei GWK rechnet man mit 14 bis 16 Monaten Bauzeit. Im Optimalfall wären die neuen Wohnungen also Ende 2023 bezugsfertig.