Norderstedt. Seniorenbeiratsvorsitzende Christine Schmid möchte in Norderstedt ein Wohnprojekt mit einer Genossenschaft ins Leben rufen. Ihre Pläne.
Christine Schmid (72) ist zur Vorsitzenden des neuen Seniorenbeirats der Stadt Norderstedt gewählt worden, der aus neun Frauen und elf Männern besteht, die zwischen 61 und 79 Jahre alt sind. Zwölf von ihnen gehörten bereits dem vorherigen Seniorenbeirat an, der zum neunten Mal nach 1989 gewählt worden ist. Sie repräsentieren die 24.415 Bürgerinnen und Bürger, die das 60. Lebensjahr in Norderstedt vollendet haben.
Frau Schmid,
leben Sie gerne in Norderstedt?
Christine Schmid: Ja, natürlich. Norderstedt ist inzwischen meine Heimat geworden. Unsere Kinder sind hier aufgewachsen, wir haben hier gut Fuß gefasst, beruflich und privat.
Warum haben Sie für den Seniorenbeirat kandidiert?
Ich bin schon seit vier Jahren Mitglied im Seniorenbeirat und habe im Arbeitskreis Soziales mitgewirkt. Ich gehöre auch dem Landesseniorenrat an. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, Seniorinnen und Senioren zu unterstützen und Projekte voranzutreiben. Ich wollte mich weiterhin für ihre Interessen vor Ort und im Land einsetzen.
Waren Sie vorher schon einmal kommunalpolitisch aktiv?
Nein. Kommunalpolitisch bin ich noch nicht aktiv gewesen. Ich verfolge aber politische Themen in den lokalen und überregionalen Medien, insbesondere seniorenpolitische Themen.
Welche Aufgabe haben Sie als neu gewählte Vorsitzende des Seniorenbeirats?
Meine Aufgabe ist es, die Mitglieder des Seniorenbeirats zusammenzuführen und die Arbeit in den Arbeitsgruppen zu begleiten. Zurzeit haben wir acht neue Mitglieder und alle drei Arbeitskreise wurden neu besetzt. Wir treffen uns einmal im Monat, um zu besprechen, welche Projekte wir vorrangig anstoßen wollen. Zudem ist es meine Aufgabe, das vorhandene Netzwerk und die guten Kontakte zur Verwaltung, zur Politik und zu anderen Senioren-Organisationen wie den Altenheimen, dem Pflegestützpunkt oder dem Albertinen-Hospiz weiter auszubauen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit gehört dazu.
Was sind das für Menschen, die dem Seniorenbeirat angehören?
Die Seniorenbeiräte kommen aus allen möglichen Berufsgruppen. Es sind Ärzte, Erzieherinnen, Lehrer, Betriebsräte, Kaufleute, Taxifahrer, Kriminalbeamte, Altenpflegerinnen und selbstständige Unternehmer darunter. Wir alle wollen das Leben für die älteren Mitbürger in Norderstedt lebenswerter gestalten und für sie etwas in der Stadt bewirken.
Ist Norderstedt eine seniorenfreundliche Stadt?
Ja. Norderstedt ist gut vernetzt und hat viele Angebote für Senioren wie den Pflegestützpunkt. Mit dem Norderstedter Hospiz, für das sich der Seniorenbeirat schon viele Jahre eingesetzt hat, haben wir jetzt auch Betreuungsplätze für die schwerstkranken Menschen. Das war vorher mit den Belegbetten im Volksdorfer Hospiz nicht ausreichend. Wir brauchen so ein Hospiz hier vor Ort.
Wo drückt der Schuh? Was sind die Probleme für die ältere Generation in Norderstedt?
Wir werden aufgrund des demografischen Wandels eine Zunahme der älteren und hochbetagten Menschen erfahren. Da ist uns das Wohnen im Alter ein besonders Anliegen. In Norderstedt fehlt es an bezahlbaren, altersgerechten und barrierefreien Mietwohnungen, vor allem für die älteren Menschen, die nur eine kleine Rente haben. Bei vielen sozial geförderten Wohnungen ist in den letzten Jahren die Sozialbindung weggefallen. Allein lebende Senioren oder ältere Ehepaare benötigen kleine überschaubare Wohnungen ab 40 Quadratmetern oder ab 55 Quadratmetern für Paare, wie sie häufig in betreuten Wohnanlagen vorhanden sind. Diese Mietwohnungen sollten möglichst in eine gute Infrastruktur eingebettet sein. Sie müssen kurze Wege zu Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten, Apotheken, Banken und eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr haben, damit die Seniorinnen und Senioren diese Einrichtungen und ihre Freunde, Bekannten und Verwandten auch erreichen können.
Was sollte dringend verbessert werden?
Das ist das Angebot von günstigem Wohnraum für ältere Menschen. Wir würden dazu gern ein Wohnprojekt mit einer Genossenschaft ins Leben rufen, bei der ein Leben in der Gemeinschaft mit anderen erlebbar wird. Eine aktive Nachbarschaft soll gefördert werden durch Gemeinschaftsräume, Cafés und Treffpunkte und bei Bedarf mit einer niedrigschwelligen Versorgung durch einen sozialen Dienstleister für die ambulante Pflege. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist die Einsamkeit. Wie können wir Menschen aus der Einsamkeit herausholen? Dafür würden wir gern auch in Norderstedt ein präventives Hilfsangebot von Hausbesuchen einführen, wie es das bereits erfolgreich in Hamburg oder Lübeck gibt. Dafür haben wir auch im vorigen Jahr einen entsprechenden Prüfauftrag an die Verwaltung gestellt.
Was sind das für Hausbesuche?
Da erhalten ältere Menschen ab 75 Jahren auf Wunsch ein kostenloses Besuchs- und Beratungsangebot, das ihnen Informationen zu Themen wie Pflege, Unterstützung im Haushalt, Ernährung, Bewegungsangebote, soziale Treffpunkte, Wohnsituation, Barrierefreiheit oder Besuchs- und Begleitdienste gewährt. Norderstedt braucht ein Gesamtkonzept, um den Veränderungen in den nächsten Jahren gewachsen zu sein. Ein Viertel der Bevölkerung in Norderstedt sind Senioren.
Welche Aufgabe hat dabei der Seniorenbeirat?
Der Seniorenbeirat kann dazu im Sozialausschuss Anträge stellen und hat in den städtischen Gremien Rede- und Antragsrecht. Unsere Anliegen müssen angehört werden.
Was kann der Seniorenbeirat erreichen?
Der Seniorenbeirat kann sich für die Bedürfnisse und das Wohl der Seniorinnen und Senioren einsetzen. Ob und wie schnell unsere Ideen und Vorschläge umgesetzt werden, liegt nicht in unserer Hand. Wir können uns aber dafür einsetzen, dass Prozesse beschleunigt werden durch unsere Kontakte zur Verwaltung und Politik.
Wie geht er dabei vor? Wie sieht die Arbeit des Seniorenbeirats konkret aus?
Es gibt die drei Arbeitskreise: Soziales, Kultur sowie Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr. Die Mitglieder dieser Arbeitskreise treffen sich einmal im Monat und beraten die Themen, die sie voranbringen wollen. Zudem besuchen sie die entsprechenden Ausschüsse der Stadtvertretung, um dort ihre Anliegen zu vertreten und Anträge zu stellen. Einmal im Monat laden wir auch alle Bürgerinnen und Bürger zu öffentlichen Sitzungen ein. Da können sie uns Fragen stellen, Probleme aufzeigen und Informationen einholen.
Wann ist das?
Jeden dritten Mittwoch im Monat von 14 bis 17 Uhr, meist in einem der Sitzungssäle im ersten Stock des Rathauses. Wegen Corona sind diese öffentlichen Sitzungen aber zuletzt oft ausgefallen. Und per Videokonferenz können wir sie leider noch nicht anbieten. Auf unserer Internetseite www.seniorenbeirat-norderstedt.de steht, wann das nächste Treffen ist. Wir bieten auch zweimal wöchentlich Beratungen in unserem Büro im Foyer des Rathauses an, das dienstags von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 14.30 bis 16.30 Uhr besetzt ist.
Was hat der Seniorenbeirat in der Stadt bereits durchsetzen können?
Der Seniorenbeirat hat sich in der Vergangenheit besonders für den Bau des Albertinen-Hospizes in Norderstedt und den Aufbau einer Altenpflegeschule mit Unterstützung des Instituts für berufliche Aus- und Fortbildung eingesetzt, sowie für den Erhalt der Verbraucherzentrale.
Was ist mit dem neuen Pflaster auf dem Rathausplatz? Ist das nun besser für die älteren Mitbürger?
Auf jeden Fall. Da gibt es jetzt keine Stolperfallen mehr und die Unfallgefahr für Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, ist reduziert. Sie können dort jetzt ohne Angst und Probleme flanieren und auf dem Wochenmarkt einkaufen gehen. Auch für Familien mit Kindern ist das jetzt besser. Das Kopfsteinpflaster war zwar schön anzusehen. Aber es bereitet Menschen mit Behinderungen große Probleme. Und wir wollen niemanden ausschließen. Menschen mit Behinderung müssen in die Gemeinschaft integriert werden. Je älter die Menschen werden, desto mehr körperliche Einschränkungen müssen sie in Kauf nehmen.
Würden Sie sich weitere solche Erleichterungen für die Senioren wünschen?
Auf jeden Fall. Es muss überall barrierefreie Zugänge zu allen öffentlichen Einrichtungen und zu Ärzten, Banken und Supermärkten geben. Barrierefreiheit ist uns ein wichtiges Anliegen.
Besteht eine Zusammenarbeit mit dem Jugendbeirat? Hat die jüngere Generation ähnliche Probleme wie die ältere?
Wir haben mal ein Kickerturnier mit dem Jugendbeirat veranstaltet. Das war eine gute Aktion. Es ist ganz wichtig, dass junge und alte Menschen in Verbindung bleiben, aufeinander zugehen, gegenseitig Rücksicht nehmen und sich über gemeinsame Themen austauschen. Wir unterstützen uns, wo wir können.
Werden Sie ausreichend von der Verwaltung bei Ihrer Arbeit unterstützt?
Im Großen und Ganzen ja. Wenn wir Unterstützung brauchen, können wir an die Verwaltung herantreten. Wir sind aber diejenigen, die auf die Verwaltung zugehen müssen. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und die neue Sozialdezernentin Katrin Schmieder haben uns ihre Unterstützung zugesagt. Wir können uns jederzeit an sie wenden. Die Verwaltung hat ein offenes Ohr für uns.
Fühlen Sie sich von der örtlichen Politik in Ihrer Arbeit wertgeschätzt?
Grundsätzlich ja. Aber die Wertschätzung ist noch ausbaufähig. Wir können Fragen stellen und müssen uns noch mehr bemerkbar machen.