Norderstedt. Antigen-Schnelltests als nicht kindgerecht kritisiert – deswegen will ein Vater die Tests nun in Eigenregie kaufen.

Die Nerven vieler Eltern von Kleinkindern in Norderstedt liegen blank. „Es ist ein tagtäglicher Kampf. Und ich kann nicht erkennen, dass die Politik wirklich weiß, in was für einer untragbaren Situation wir uns befinden“, sagt Thomas Stumpf. Der Norderstedter ist zweifacher Vater und Mitglied im Vorstand des Landesverbandes der Landeselternvertretung der Kitas.

Corona: Eltern fordern Lollitests für Kita-Kinder

Die untragbare Situation sieht nach seinen Angaben so aus: Sein vierjähriger Sohn Leonhard besuchte die evangelische Kita Vicelin am Immenhorst. Dort seien derzeit drei von vier Gruppen in Quarantäne, betroffen seien 80 Kinder, sagt Stumpf. „In vielen anderen Kitas sieht es nicht anders aus: Die Kita ,Ministerne‘ an der Tangstedter Landstraße war schon geschlossen, mir sind positive Fälle aus der Kita Thomaskirche bekannt. Viele Erzieherinnen und Erzieher stecken sich über die Kinder an und werden langsam zur Mangelware. Es herrscht Notbetreuung“, sagt Stumpf. „Und vom Gesundheitsamt kommt nichts. Jede Kita macht, was sie für richtig hält.“

Stumpf hat den Eindruck, dass der Blick der Politik zu sehr auf den Schulen liegt. Bei den Kitas hingegen habe man die Durchseuchung mit dem Corona-Virus quasi akzeptiert. Aus seiner Sicht müssten die Corona-Maßnahmen an den Kitas in Schleswig-Holstein deutlich verschärft werden. Eine entscheidende Rolle spiele für ihn dabei das Testen der Kinder. Über die Kleinkinder werde die Pandemie in die Familien getragen, die dann in Quarantäne müssen – mit all den Belastungen, die das bedeute.

Im Land Schleswig-Holstein ist das Testen der Kita-Kinder keine Pflicht, das Gesundheitsministerium stellt aber den Eltern derzeit für das Testen der Kleinsten wöchentlich pro Kind drei Antigen-Schnelltests zur Verfügung. Doch diese Tests, bei denen man den Kindern mit einem Wattestäbchen tief in die Nase bohren müsse, hält Stumpf für absolut nicht kindgerecht. „Die Kinder wehren sich oft mit Händen und Füßen dagegen. Es ist jedes Mal eine große Herausforderung mit viel Geschrei. Teilweise müssen die Eltern die Kinder festhalten und ihnen das Stäbchen unter Zwang in die Nase stecken“, sagt Stumpf.

Eltern scheuen den Kampf mit dem Kind und stellen Tests ein

Die Folge: Viele Eltern lassen das Testen sein. Oder die Tests werden so oberflächlich gemacht, dass sie keine verlässlichen Ergebnisse bringen. „Dreimal die Woche dieses Theater – da machen viele Eltern nicht mehr mit. Wir brauchen dringend kindgerechte Tests, damit wir zuverlässig Infektionen in den Kitas erkennen und eine weitere Ausbreitung verhindern“, sagt Stumpf.

Deswegen schaut er sich derzeit für seine Kita auf dem Markt nach den sogenannten Lolli-Tests um. Bei diesem Testverfahren, das laut Stumpf weit verbreitet in Nordrhein-Westfalen in Kitas eingesetzt würde, würden die Kinder an einem Stäbchen lutschen und über die Analyse des Speichels könnte dann eine mögliche Virenlast ermittelt werden.

„Das Land Schleswig-Holstein lehnt diese Test derzeit noch ab und hält sie für wenig aussagekräftig“, sagt Stumpf. „Dabei werden sie sogar vom Robert Koch-Institut empfohlen. Ich denke: besser Lolli-Tests als gar keine oder nur unsachgemäß ausgeführte.“ Das Problem sei, die Tests auf dem Markt zu bekommen. Und das zu einem Preis, der den Eltern zuzumuten ist.

Gesundheitsminister Heiner Garg hat in der Tat eine eindeutige Meinung zu den Lolli-Tests bei Kita-Kindern. In der Sozialausschuss-Debatte des Landtages darüber bezeichnete er sie laut NDR als „de facto nutzlos“. Zumindest wenn man sie als Antigentest einsetzen wolle, also die Eiweißstrukturen des Coronavirus erkennen müsse. Da lieferten Speicheltests laut Robert Koch-Institut keine belastbaren Ergebnisse. Das Land lehne die Tests aber nicht grundsätzlich ab. Man beobachte den Markt und wolle sie gegebenenfalls nutzen, wenn die Funktion und Sicherheit gegeben und nachgewiesen sein sollte – was derzeit nicht der Fall sei.

Speichel muss mit PCR-Tests überprüft werden – das dauert

Aussagekräftige Ergebnisse lieferten hingegen die sogenannten Lolli-Pooltests, die in vielen Bundesländern auch in Kitas und Schulen gemacht würden. Dabei kommen alle Teststäbchen mit den Speichelproben einer Kitagruppe in einen Behälter. Die Gruppenprobe werde dann in einem Labor innerhalb von ein bis zwei Tagen per PCR-Test untersucht. Danach könne zuverlässig gesagt werden, ob das Virus unter den Kindern vorhanden war, nicht aber bei welchem Kind genau.

Bei einem positiven Befund müssten alle Kinder sofort in Selbstisolation bis von jedem in einem zweiten Schritt noch mal ein einzelner PCR-Test erfolgte. Erst bei einem negativen Ergebnis, dürfe das Kind wieder in die Kita kommen. Das Land hält dieses Verfahren für nicht sehr praktikabel. „Für Kommunen, die das umgesetzt hatten, bedeutete es für Eltern häufig und wiederholt die Notwendigkeit einer Eigenbetreuung der Kinder“, teilt das Ministerium mit. Daneben wären in Deutschland auch nicht genügend Laborkapazitäten vorhanden, um die PCR-Tests derart auszuweiten.

Corona: Minister für Einsatz von Antigenschnelltests

Minister Garg bleibt beim flächendeckenden Einsatz der aus seiner Sicht auch für Kita-Kinder geeigneten und ungefährlichen Antigenschnelltests. Mögliche Infektionen würden so bereits vor dem Gang in die Kita entdeckt und damit andere Kinder geschützt. „Die Mitarbeitenden in den Kitas, Eltern und Land leisten täglich mit hohem Engagement einen wertvollen Beitrag, damit die Kinder gut und möglichst sicher durch die Pandemie kommen“, sagt Garg. 5,5 Millionen Selbsttest seien verteilt worden. „Allen Mitarbeitenden und insbesondere den Eltern, die die Tests mit hoher Eigenverantwortung für ihre Kinder nutzen, gilt mein herzlicher Dank!“

Rückendeckung bekommt Heiner Garg vom Koalitionspartner CDU. Katja Rathje-Hoffmann, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, spricht sich klar für die Antigen-Schnelltests und gegen Lolli-Tests aus: „Eltern wissen am besten, wie sie mit ihren eigenen Kindern diese Tests durchführen können, um möglichst optimal verwertbare Testergebnisse zu erzielen“, so die Abgeordnete. „Dem Wunsch nach einem sogenannten Lolli-Test müssen wir nach derzeitigen Erkenntnissen eine Absage erteilen, da dieses Testverfahren nicht den allgemeinen Anforderungen entspricht. Zudem besteht nach wie vor die Gefahr, dass Teile des Lollis verschluckt werden können.“