Norderstedt. Hilfe für die guten Vorsätze 2022: Letzter Teil der Abendblatt-Serie mit Ernährungsexpertin Dr. Angela Stahl.

In der letzten Folge unserer Interviewserie mit der Norderstedter Ernährungsmedizinerin Dr. Angela Stahl geht es um den Einfluss von Alkohol und Zucker, um basisches Essen, Intervall- und Heilfasten, und die Frage: Lebt länger, wer sich gesund ernährt?

Vegan, vegetarisch oder Vollwert, Frau Stahl?

Ich persönlich halte eine gesunde Vollwertkost für optimal. Sie ist reich an Vitaminen, Spurenelementen, Aminosäuren und gesunden, mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Zusätzlich sollten wir unseren Stuhl untersuchen lassen und gegebenenfalls unsere Darmflora mit Prä- und Probiotika behandeln, um so unser Immunsystem optimal zu unterstützen. Und uns bei Bedarf der in Folge zwei Intervall-Hypoxie-Therapien zur Genesung unserer Mitochondrien unterziehen.

Was halten Sie von basischer Ernährung, bei der weitgehend auf säurebildende Lebensmittel verzichtet wird?

Sehr viel! Ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt ist Grundvoraussetzung für einen gesunden Stoffwechsel. Ist das Säure-Basen-Gleichgewicht gestört, sind wir empfänglicher für Infektionskrankheiten. Ein Zustand der Übersäuerung ist ein sich über Jahre entwickelnder, schleichender Prozess, bei dem die körpereigenen Basenreserven aufgebraucht werden und säurebildende Stoffe überhand nehmen. Das Resultat: übersäuertes Bindegewebe, Schlackenstoffbildungen samt Entwicklung chronischer Krankheiten und klinischer Beschwerden wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen, Hautirritationen, Kopfschmerzen, Infektionsanfälligkeit, Konzentrationsprobleme etc.

Eine einseitige Ernährung mit vielen säurebildenden Lebensmitteln wäre zuckerreich, reich an Kaffee und an Fleisch. Ein ungesunder Lebensstil mit wenig Bewegung und Schlaf, viel Stress und Alkoholgenuss, Rauchen und wenig Flüssigkeit.

Wie können wir entgegenwirken?

Indem wir auf Fette, Zucker, Fleisch und Milchprodukte verzichten und basische Teesorten wie Brennnessel, Fenchel oder Gemüsesäfte trinken, Kräuter und Gewürze wie Petersilie und Ingwer und viel Obst und Gemüse essen. Auch trägt ein gesunder PH-Wert des Stuhlgangs zu einer gesunden bakteriellen Besiedelung des Darmes bei. Ein gesunder Darm spielt in der Prävention von chronischen Erkrankungen und in der Immunabwehr eine wesentliche Rolle.

Stichwort Milchprodukte – was empfehlen Sie?

Letztendlich konnte bisher noch nicht geklärt werden, was genau die gesundheitsfördernden oder schädlichen Wirkungen der Milch ausmachen. Wer wenige Nährstoffe zu sich nimmt, kann sich natürlich mit Milch ausgewogener ernähren. Wer sich vielfältig und ausgewogen mit hochwertigen Lebensmitteln ernährt, für den hat Milch keinen erhöhten Mehrwert. Einerseits enthält Milch viel Kalzium, was Knochenbrüchen und Osteoporose vorbeugen soll. Andererseits führt sie zu Übersäuerung. Um das zu neutralisieren, wird wiederum Kalzium benötigt.

Blattspinat und Gemüse können ebenfalls den Kalziumbedarf decken. Ziegen- und Schafsmilch werden oft besser vertragen als Kuhmilch. Beliebte Alternativen sind pflanzliche Milchsorten wie Soja-, Hafer, Reis- oder Mandelmilch.

Wie viel Alkohol ist noch okay?

Alkohol ist ein Nervenzellgift. In Deutschland trinken rund 20 Prozent der Erwachsenen zu viel Alkohol, unabhängig von Alter, Bildung und Geschlecht. Erhöhter Alkoholkonsum ist ein schleichender, unmerklicher, gefährlicher Prozess. Ihn stellt man meist erst dann fest, wenn es schon zu spät ist.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen empfiehlt, dass Frauen höchstens 12 Gramm Alkohol pro Tag trinken dürfen. Das wäre ein kleines Bier (0,3 l) oder ein Glas Wein (0,125 l). Für Männer gelten höchstens 24 Gramm Alkohol täglich. Das sind z.B. zwei kleine Biere (insgesamt 0,6 l) oder ein großes Glas Wein (0,25 l). Zwei Tage in der Woche sollten alkoholfrei sein, damit das Trinken nicht zur Gewohnheit wird.

Kritisch wird es, wenn man feststellt, dass man trinkt, um Stress abzubauen, Probleme zu vergessen oder sich nach einem arbeitsreichen Tag einfach mal „etwas Gutes gönnen und runterfahren“ will. In meiner Praxis behandele ich Patienten mit erhöhtem Suchtdruck mit Akupunktur und chinesischen Arzneimitteln. Zusätzlich ist eine psychotherapeutische Begleitung unerlässlich.

Macht zu viel Zucker süchtig? Wodurch kann ich ihn ersetzen?

Je mehr Zucker wir zu uns nehmen, desto mehr davon wollen wir essen. Je stringenter wir auf Zucker verzichten, desto weniger Appetit haben wir darauf, und der „Zuckerjanker“ lässt nach. Es gibt viele gute Rezepte, die uns ermöglichen, unter Verzicht auf Zucker Kuchen zu backen und Zuckerersatzstoffe zu benutzen.

Wie überzeugt sind Sie vom Intervall- bzw. klassischen Heilfasten? Wie lange sollte man dies am Stück anwenden?

Fasten insgesamt ist eine brillante präventive Maßnahme. Ob als Intervallfasten mit 16:8, also 16 Stunden fasten, acht Stunden essen, oder 5:2, fünf Tage essen, zwei Tage Fasten, oder als wochenweises Fasten.

Die bekannteste Fastenmethode ist das klassische Heilfasten nach Buchinger. Erlaubt sind kalorienfreie Getränke wie Wasser und Tee und der Verzehr von Gemüsebrühe. Zellreinigungsprozesse können besser ablaufen, das Fasten fördert sozusagen die körpereigene „Müllabfuhr“ und ist Bestandteil der Immunabwehr. Nach dem Buchinger-Fasten muss man seine Ernährung dauerhaft umstellen und regelmäßige Fastentage einlegen beziehungsweise mit dem Intervallfasten beginnen, um einen Jojo-Effekt zu vermeiden.

„Wir leben nicht, um zu essen, sondern wir essen, um zu leben.“ Das hat der griechische Philosoph Sokrates einmal gesagt. Machen Sie uns Mut: Können wir mit gesundem Essen unser Leben verlängern?

Ja, das können wir. Das beste Beispiel sind die Einwohner von Okinawa, der Insel der Hundertjährigen. Die Menschen auf Okinawa sind die am besten dokumentierte Bevölkerungsgruppe als Beispiel für gute Gesundheit und Langlebigkeit. In Okinawa kommen auf 100.000 Einwohner 58 Hundertjährige. In den USA sind es 17,3 und in Japan 34,3. Die Bewohner Okinawas sind bis ins hohe Alter hinein gesund und vital. 82 Prozent der 92-Jährigen und 66 Prozent der 97-Jährigen versorgen sich dort noch selbstständig.

Was ist ihr Geheimnis?

Die Menschen in Okinawa ernähren sich vorrangig von komplexen Kohlenhydraten – wie Süßkartoffeln – mit einem niedrigen glykämischen Index. Sie verzichten weitgehend auf Getreide und Reis. Einfache Zucker kommen in ihrer Ernährung fast nicht vor. Sie nehmen wenig gesättigte Fettsäuren zu sich, reichlich Antioxidantien, wenig Fleisch, meiden Salz, Zucker und Milchprodukte, essen täglich frischen Fisch und Hülsenfrüchte. Ihre durchschnittliche Kalorienzufuhr pro Tag beträgt lediglich 1785 Kalorien. Sie essen lediglich so viel, bis sie nicht mehr hungrig sind.

Weiterhin weisen die Mahlzeiten der Okinawas eine sehr niedrige Energiedichte auf. Die pflanzenbetonte Ernährung ist wesentlich reicher an Kalium, sekundären Pflanzenstoffen, Vitamin C und E und Folsäure. Sie enthält weniger Phosphat und Natriumchlorid. Und ist damit stark basenbildend, da proteinarm und mineralstoffreich.

Zur Lebensweise der Okinawas ist noch anzumerken, dass sie sich auch in ihrer Mentalität von unserem westlichen Kulturkreis deutlich unterscheiden. Sie bewegen sich regelmäßig und leben in einer lebendigen Religiosität, in engen Familienbanden und Freundeskreisen. Sie glauben, dass sie ihre gute Gesundheit und ein langes Leben der Ernährung des Qi, also der Lebensenergie verdanken, und lassen sich bei gesundheitlichen Problemen sowohl vom Mediziner als auch vom traditionellen Schamanen behandeln.