Norderstedt. Hilfe für die guten Vorsätze 2022: Abendblatt-Serie mit Ernährungsexpertin Dr. Angela Stahl aus Norderstedt.
Im zweiten Teil unserer Serie zur gesunden Ernährung mit der Norderstedter Medizinerin und Ernährungsexpertin Dr. Angela Stahl geht es um Verlangen und Verzicht, Super-Food und fernöstliche Therapien und um die Frage: Blitzdiät oder dauerhafte Ernährungsumstellung?
Wie schaffe ich es, mich dauerhaft gesund und fit zu fühlen?
Mit Selbstdisziplin, Verzicht und der NLP-Methode, dem Neuro-Linguistischen Programmieren. Bei mir funktioniert das so: Halte ich ein Stück Schokolade in der Hand, das ich bereits auf meiner Zunge zerschmelzen fühle, verhandele ich mit mir: Was bringt mir der kurzfristige Genuss, wenn ich mich morgen ärgere, dass ich gestern der Verführung nicht stand gehalten und mein Kalorienbudget wieder nicht eingehalten habe? Nachdem ich dann erfolgreich mit mir verhandelt und mein Verlangen gedanklich umstrukturiert habe, lege ich das Stück Schokolade voller Stolz und dem Gefühl der inneren Erhabenheit zurück.
Was halten Sie von Blitz-Diäten?
Prinzipiell nichts. Abnehmen bedeutet eine lebenslange Umstellung des Ess- und Bewegungsverhaltens. Generell sollte man auf alle Nahrungsmittel mit einem hohen Glyxindex, sprich auf hochkonzentrierte Kohlenhydrate verzichten. Dazu zählen Süßspeisen, Kuchen, Kekse, Schokolade, Nudeln und Makkaroni. Nehmen Sie lieber ballaststoffreiche Kohlenhydrate zu sich. Der Anteil an Gemüse sollte hoch, Fleisch, Schinken, Käse und Quark sollten fettarm sein. Nehmen Sie stets Omega-3-Fettsäuren reiche Öle. Diese Nahrungsmittel auf zwei Mahlzeiten verteilen, ergänzt um das 16:8 Intervallfasten. Dazu täglich ein gutes Maß an Bewegung – und die Pfunde purzeln wie von selbst.
Sie sind ausgebildete Ernährungsmedizinerin. Wie unterstützen Sie Ihre Patienten bei der dauerhaften Änderung ihres Ernährungsverhaltens und der Verbesserung ihrer Lebensqualität?
Zunächst einmal animiere ich sie, jeden Bissen aufzuschreiben. Mit Datum, Uhrzeit und Motivation der Nahrungsaufnahme. Mit dem Ziel, wahren Hunger von emotionalem, wie aus Ärger oder Traurigkeit, zu unterscheiden und zu lernen, was man sich im Fall eines emotionalen Hungers statt des Essens geben könnte.
Auch animiere ich meine Patienten zu notieren, wenn sie einen starken Impuls hatten, etwas zu essen. Es dann aber geschafft haben, sich dem zu widersetzen und nichts gegessen haben. Weiterhin ermutige ich sie zu einer begleitenden Verhaltenspsychotherapie. Zur besseren Regulierung des Hungerverhaltens und zur Stoffwechsel-Optimierung unterstütze ich sie mit Traditioneller Chinesischer Medizin, wie Akupunktur. Es gibt wunderbare Akupunkturpunkte zur Harmonisierung des Heißhunger- und Hungergefühls.
Was hat es mit der TCM-Diätetik auf sich?
Sie ist eine der fünf großen Säulen der chinesischen Medizin und schreibt den Nahrungsmitteln medizinische Heilkräfte zu. Jedem Nahrungsmittel, das auf einen bestimmten Funktionskreis wie Leber, Herz, Milz, Lunge und Niere wirkt, wird eine bestimmte Lebensenergie (Chi-Kraft), zugewiesen. Jedes Lebensmittel hat ein sogenanntes Temperaturverhalten (kalt, kühl, neutral, warm, heiß), eine Geschmacksrichtung (scharf, süß, neutral, sauer, bitter, salzig) die Aufschluss geben über seine energetische Dynamik samt Auswirkung auf den Körper. Nach individueller Diagnose werden dem Patienten die für sein Krankheitsbild geeigneten Nahrungsmittel und Getränke samt Zubereitungsmethoden empfohlen. Bei der Behandlung von Adipositas kommen den Funktionskreisen Milz und Magen eine enorme Bedeutung zu. Sie werden auch als unsere „Mitte“ bezeichnet und haben sich nach der Elementenlehre als Wandlungsphase Erde qualifiziert. Sie bilden den Dreh- und Angelpunkt des Systems aller Funktionskreise. Die Mitte hat eine zentrale Bedeutung für die Aufnahme und Erschließung der Nahrung. Ein alter Lehrsatz aus der Chinesischen Medizin besagt, dass die Hauptaufgabe des Mitten-Funktionskreises die „Scheidung des Klaren vom Trüben ist“. Alle Einflüsse, nicht nur die Nahrung, sondern auch Wetter, Stress, Geräusche, Umwelt wirken auf unseren Mitten-Funktionskreis ein. Dieser siebt dann – vorausgesetzt, er ist gesund – die negativen Einflüsse aus und lässt sie nicht in unser System.
Wie können Sie uns dies praktisch veranschaulichen?
Stellen Sie sich eine Hausfrau vor, die ihr Küchensieb nicht putzt. Das Küchensieb entspräche dem Funktionskreis Milz und Magen. Wenn die Poren verstopft sind, kann das Sieb nicht gut sieben, und die verbleibenden Rückstände sammeln sich als Schmand. Dieser Schmand entspräche im Bild der negativen Krankheitsenergie. Die hausiert immer dann in unserem Körper, wenn unsere Mitten-Energie, hier das ungeputzte kranke Sieb, nicht funktioniert. Diese Energien sind krankmachende Faktoren. Bei Adipositas führen sie nach traditionell chinesischem Verständnis zu Fettleibigkeit.
Das fernöstliche Goji oder das mexikanische Chia werden als wahres „Super-Food“ gehandelt. Sie sollen das Altern aufhalten und Wunder beim Abnehmen bewirken. Ist dem so? Oder tun es heimische Lebensmittel wie Heidelbeeren und Nüsse ebenso?
Ich schlage vor, das Beste aus der fernöstlichen und westlichen Welt zu kombinieren. Die Goji-Beere, sie wurde schon im Handbuch für Ärzte der Ming-Dynastie erwähnt, unterstützt das Immunsystem. Sie stärkt Herz, Leber und Nieren, steigert die Potenz, reguliert den Blutdruck und lindert Schwindel und Kopfschmerzen. Sie ist reich an Antioxidantien, neutralisiert freie Radikale und verlangsamt den Alterungsprozess, denn sie regt die Collagenproduktion an, so dass wir etwas jünger aussehen können. Sie ist reich an Zink, B-Vitaminen wie B1, B2, B3 und B6, an Vitamin C und Aminosäuren.
Chiasamen sind reich an Omega-3-Fettsäuren, Proteinen und Selen. Weiterhin enthalten sie gesundheitsfördernde sekundäre und antioxidative Pflanzenstoffe. Heidelbeeren beugen oxidativem Stress vor und fangen freie Radikale ab. Sie senken das Krebsrisiko, beugen dem Alterungsprozess vor und wirken positiv auf Fettstoffwechsel, Cholesterinspiegel und Fettsäurezusammensetzung im Blut. Außerdem wirken sie präventiv gegen Schlaganfälle. Nüsse enthalten wertvolle Inhaltsstoffe wie Magnesium, Biotin, Vitamin B2, Kupfer, Mangan und Vitamin E. In der Traditionellen Chinesischen Medizin haben sie eine stärkende Wirkung auf den Nierenfunktionskreis, dem auch das Gehirn und das Nervensystem zugeordnet sind.
Wie wichtig sind Gemüse, Fleisch und Fisch auf dem wöchentlichen Speiseplan?
Ich möchte auf diese drei Lebensmittel am Beispiel der Ernährung als Vorbeugungsmaßnahme gegen Morbus Alzheimer eingehen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin empfiehlt, fünfmal am Tag frisches Obst und Gemüse zu sich zu nehmen. Frisches Obst und Gemüse enthalten wichtige Mikronährstoffe, Spurenelemente und Vitamine, insbesondere die Vitamine A, B1, B6, B12, Coenzym Q10, Folsäure, C und E. Unerlässlich für den Hippocampus, den Arbeitsspeicher unseres Gehirns. In ihm werden ständig neue Nervenzellen gebildet. Weiterhin sind in Obst und Gemüse wertvolle pflanzliche Nähr- und Farbstoffe enthalten, die durch keine Nahrungsergänzungsmittel ersetzt werden können.
Zum Super-Food Star aufgestiegen ist Kurkuma...
Das asiatische Gewürz hat große antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften und wurde wissenschaftlich auf seine Wirkung auf neurodegenerative, die Nervenzellen im Gehirn betreffende Krankheiten untersucht. So führte ein Wissenschaftler namens Lin eine Studie an Mäusen durch, die genetisch so gezüchtet wurden, dass sie das Äquivalent einer Alzheimer-Erkrankung bekamen. Die mit Kurkuma gefütterten Mäuse entwickelten nur die Hälfte der für die Alzheimer-Erkrankung typischen Eiweißablagerungen im Gehirn. Auf Grundlage der klinischen Annahme, dass Kurkuma vor Zerstörung der Nervenzellen schützt, wurde aus der Schlussfolgerung, dass Menschen, die viel Kurkuma essen, seltener an Alzheimer erkranken müssten, eine Studie in Singapur konzipiert. Dafür wurden mehr als 1000, nicht demenzkranke über 60-Jährige neuropsychologisch auf Alzheimer untersucht. Diejenigen, die angaben, oft Curry zu essen, wiesen ein um 49 Prozent geringeres Risiko für kognitive Probleme auf, als jene, die selten oder nie Curry aßen.
Wenn Patienten mich in meiner neurologischen Sprechstunde mit dem Verdacht auf eine Alzheimer-Erkrankung oder dem Wunsch nach Prävention aufsuchen, verordne ich immer auch Kurkuma-Tabletten zur Alzheimer-Prävention und kläre sie über die Notwendigkeit auf, Curry zu sich zu nehmen.
Worauf sollte man bei der Verwendung von Fleisch und Fisch achten?
Darauf, nur Bio-Produkte zu essen und auf industriell gezüchtetes Fleisch zu verzichten. Bei Fisch sollten wir daran denken, dass viele Fischarten eine hohe Quecksilberbelastung haben. Bei meinen Patienten bestimme ich oftmals die Schwermetallbelastung im Blut. Wenn diese vorliegt, kann man sie mit bestimmten Infusionen und andere medizinischen Maßnahmen ausleiten. Schwermetallvergiftungen können mitbedingende Ursache für Alzheimer, Parkinson, Krebserkrankungen und viele andere chronische Erkrankungen sein. Prinzipiell liefern Fleisch und Fisch wertvolle Proteine, die Vegetarier auch durch entsprechende Alternativen ersetzen können.
Lesen Sie in der dritten und letzten Folge was Dr. Angela Stahl über den Einfluss von Alkohol und Zucker, basischem Essen, Intervall- und Heilfasten zu sagen hat.