Borstel. Borsteler Lungenforscher starten Studie für ein neuartiges Diagnostikverfahren. Dieses könnte frühzeitige Hinweise auf Krankheiten geben.

Jeder kennt den kleinen Pieks. Wenn der Arzt wissen will, ob sich im Körper eine Entzündung breit macht oder ob die Blutfette mal wieder aus dem Ruder laufen, nimmt er Blut ab. Künftig könnte es vielleicht noch leichter sein, Krankheiten im Körper zu erkennen – beim Pusten. Wissenschaftler des Leibniz Lungenzentrums am Forschungszentrum Borstel arbeiten an einer neuen Diagnosetechnik für Patienten mit Lungenproblemen. Sie testen ein Gerät, das die Atemluft analysiert und Hinweise auf Krankheiten identifiziert.

„Dass unser Atem Informationen über den Gesundheitszustand enthält, ist bereits seit der Antike bekannt“, sagt die Sprecherin des Forschungszentrums, Britta Weller. „Schon zu dieser Zeit wurde der Atemgeruch interpretiert und gab Hinweise auf Krankheiten wie Diabetes oder Funktionsstörungen der Leber.“ Tiere mit einem ausgeprägten Geruchssinn wie Hunde oder Ratten seien in der Lage, Krankheiten wie zum Beispiel Krebs frühzeitig am Menschen wahrzunehmen.

Die Mitarbeiter der Forschungsgruppe Bioanalytische Chemie von Dominik Schwudke am Forschungszentrum sind davon überzeugt, dass eine umfangreiche Analyse des menschlichen Atems mittels massenspektroskopischer Methoden neue Diagnosemöglichkeiten eröffnet. Franziska Waldow, Leiterin dieser Pilotstudie, sagt dazu: „Zunächst werden gesunde Probanden untersucht, um die Methodik dieser hochsensitiven Technik sowie die Datengrundlage zu testen.“ Dazu plant die Forschungsgruppe Messungen mit freiwilligen Probanden von Januar bis März 2022.

COPD oder Lungenkrebs könnten früher erkannt werden

Aktuell beschränke sich das medizinische Werkzeug zur Erkennung und Identifizierung von Krankheiten der Lunge primär auf Funktionsuntersuchungen oder die Radiologie. Diese Methoden zeigen Veränderungen aber häufig erst im fortgeschrittenen Krankheitsstadium an. Atemanalytik hingegen ist besonders interessant für die Früherkennung von Lungenkrankheiten wie COPD, Lungenkrebs oder auch Infektionen der Luftwege. Die zu untersuchenden Moleküle stammen aus dem Blut der Probanden und gelangen über den Gasaustausch in der Lunge in die Atemluft. Da der Blutkreislauf sämtliche Organe miteinander vernetzt, können mittels Atemanalytik auch medizinische Informationen abseits des Atemapparates gewonnen werden. Die Technologie für diese Studie habe die Plasmion GmbH in Augsburg entwickelt. Sie werde nun in allen Details erprobt, um in Kliniken eingesetzt werden zu können, teilte das Forschungszentrum mit.

FZ Borstel sucht freiwillige Probanden ab 18 Jahren

Die Forschung an einer derartig minimal invasiven Diagnostik sei von großem Interesse für die Weiterentwicklung personalisierter Medizin im Rahmen der Forschung am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und am Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL). „Was dieses Projekt so reizvoll für mich macht, ist die Möglichkeit, modernste Technologie, hier Massenspektrometrie, direkt mit einer medizinischen Anwendung zu verbinden. Es braucht ja nur kontrolliert ausgeatmet zu werden,“ sagt Richard Küchler vom Forschungszentrum, der seine Masterarbeit über diese Studie schreibt und im Rahmen dieser Arbeit den Probanden zudem Einblicke in die aktuelle Lungenforschung geben möchte.

Für die Studie des Forschungszentrums werden gesunde Probanden gesucht, die bereit sind, bei einem Einzeltermin ihren Atem analysieren zu lassen. Sie müssen mindestens 18 Jahre alt. Auf atemanalytik.fz-borstel.de informieren die Wissenschaftler über die Studie. Dort ist auch eine Registrierung möglich.