Bad Segeberg. Segebergs Politiker beschließen, dass der nach dem Schriftsteller Gustav Frenssen benannte Weg einen anderen Namen erhalten soll.

Er war von 1954 bis 1955 Kultusminister, von 1955 bis 1963 Innenminister, von 1963 bis 1971 Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein und von 1971 bis 1983 Präsident des Landtages von Schleswig-Holstein. Aber er war als NSDAP-Mitglied auch Bürgermeister von Eckernförde und Schleswig: Helmut Lemke (1907-1990) war eine schillernde Persönlichkeit in Schleswig-Holstein. Jetzt wird wieder kontrovers über ihn diskutiert: In Bad Segeberg gibt es seit knapp 50 Jahren die kleine Querverbindung Dr.-Helmut-Lemke-Straße – nach dem Willen der örtlichen CDU aber nicht mehr lange. Sie will diesen und weitere Straßennamen auf den Prüfstand stellen und nach Möglichkeit verändern.

Beschlossene Sache ist inzwischen, dass es künftig keinen Gustav-Frenssen-Weg mehr geben wird. Frenssen (1863- 1945) war ein deutscher Schriftsteller des völkischen Nationalismus, ab 1932 des Nationalsozialismus. Seine Werke gehörten zur Massenliteratur des Kaiserreichs und der NS-Zeit, die damals verbreitete kolonialistische, rassistische und antisemitische Vorstellungen vermittelten. Den Gustav-Frenssen-Weg gab es in Bad Segeberg seit 1957. Die Segeberger Stadtvertretung fasste den Beschluss einstimmig, diesen Namen aus dem Stadtbild zu tilgen. Jetzt wird ein neuer Straßenname gesucht, wobei eine Frau als Namenspatin bevorzugt wird.

Die Debatte über umstrittene Straßennamen hält in Bad Segeberg aber an – und wird durch einen neuen Anlauf der CDU mächtig befeuert. Die Fraktion legt jetzt eine „Shortlist“ vor, mit der sich die Stadtvertreter in der Kreisstadt beschäftigen sollen. Über jeden dieser Straßennamen muss nach Ansicht der Segeberger CDU diskutiert werden. Die Hindenburgstraße, die Dr.-Helmut-Lemke-Straße und die Waldemar-von-Mohl-Straße sollen nach Möglichkeit neue Namen bekommen. Hintergrund ist die Nazi-Vergangenheit der Namenspaten.

Anpassungsbereitschaft und Selbstgleichschaltung

Waldemar von Mohl (1885-1966) war in den Jahren 1932 bis 1945 Landrat des Kreises Segeberg und Mitglied der NSDAP. In einem 2013 durch den Kreis Segeberg in Auftrag gegebenen Gutachten wird von Mohl „als typisches Beispiel für die Rolle traditioneller Eliten im Dritten Reich“ eingeordnet. Diese Eliten seien durch Anpassungsbereitschaft und zum Teil vorauseilende Selbstgleichschaltung zu Akteuren des NS-Unrechtsregimes geworden, „auch wenn sie der NS-Ideologie innerlich fern standen“. Bekannt ist aber auch, dass Waldemar von Mohl einem jüdischen Kaufmann in Bad Segeberg vor der Zwangstrennung von seiner nichtjüdischen Frau bewahrt hat, indem er ihn in einer Polizeizelle verstecken ließ.

Paul von Hindenburg (1847-1934) hat als Reichspräsident Hitler zur Machtübernahme verholfen und damit die Umwandlung Deutschlands in eine Diktatur eingeleitet. Über seine Motive wird heute noch diskutiert.

Der frühere Ministerpräsident Lemke soll als Bürgermeister von Eckernförde in der Nazizeit dafür gesorgt haben, dass Menschen ins Gefängnis kamen. Im Kreis Segeberg hatte der in Wahlstedt wohnende Helmut Lemke zu seinen Lebzeiten stets einen besonderen Stellenwert: Von 1955 an war er 21 Jahre Kreisvorsitzender der CDU, zudem gab er in der Segeberger Kalkberg-Arena viele Jahre den symbolischen „Startschuss“ für die Karl-May-Spiele. In der Kreisstadt – und nicht nur dort – war der frühere Ministerpräsident ein populärer „Alt-Landesvater“.

Für die Segeberger CDU sind das keine Argumente, um an dem Straßennamen festzuhalten. Sie möchte sich von dem früheren Ministerpräsidenten distanzieren. Auf Antrag der CDU soll sich eine Expertenrunde mit sämtlichen Straßennamen in Bad Segeberg befassen.

Bürgermeister Toni Köppen hat sich im Fall Lemke noch nicht entschieden. „Ich weiß, dass er in der CDU nicht unumstritten ist. Ich werde mir eine Meinung bilden, auch wenn die Entscheidung natürlich bei den Stadtvertretern liegt.“ Er sagt aber auch deutlich: „Wenn es eine nicht unumstrittene Vergangenheit gibt, sollte man eine solche Ehrung – und ein Straßenname ist eine Ehrung – auch zurücknehmen.“

Segebergs Politiker wären nicht die Ersten im Kreis Segeberg, die andere Straßennamen beschließen, weil die Namensgeber eine dunkle Nazi-Vergangenheit hatten. In Henstedt-Ulzburg entschied sich die Gemeindevertretung 1997, die Heinrich-Petersen-Straße in Clara-Schumann-Straße umzubenennen – damals übrigens gegen die Stimmen der CDU-Fraktion. Petersen war Nazi-Gruppenleiter, bevor er 1933 von seiner Partei zum örtlichen Bürgermeister ernannt wurde. Bereits 1983 hatte die Henstedt-Ulzburger CDU eine Änderung des Straßennamens, der seit 1967 bestand, abgelehnt. Initiatoren der Aktion vor 24 Jahren waren das „Bündnis gegen die Verdrehung der Geschichte“, dem damals unter anderem die Jusos und der Verband der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) angehörten.