Norderstedt. Wilhelm.tel gleicht enorme Verluste 2020 im Arriba-Bad, im Stadtpark und bei den Verkehrsbetrieben mehr als aus.
Die Corona-Pandemie war rein geschäftlich für die Stadtwerke Norderstedt kein Problem – im Gegenteil. 2020 fuhr das städtische Unternehmen mit allen seinen Sparten einen nie dagewesenen Rekordgewinn ein. Der Norderstedter Energieversorger hat unter dem Strich mit einem Überschuss von 17,26 Millionen Euro abgeschlossen, knapp 3,6 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Das ergibt sich aus dem Jahresabschluss für 2020, den die Stadtwerke der Stadtvertretung zur Abstimmung vorgelegt hatten. Einstimmig gaben die Kommunalpolitiker ihr Ja-Wort dazu.
Stadtwerke Norderstedt melden Rekordgewinn für 2020
Ob mit oder ohne Corona-Pandemie – der Grund für das erfolgreiche Geschäftsjahr hat einen Namen: wilhelm.tel. Der auf Basis der Glasfaserverlegung operierende Telekommunikationsanbieter ist so etwas wie der Kraftprotz im Stadtwerkekonzern. Gut 16,8 Millionen Euro haben die Konzernsöhne und -töchter im vorigen Jahr an die Stadtwerke abgeführt, den mit Abstand größten Teil wilhelm.tel. Die Gewinnabführung liegt etwa sechs Millionen Euro über der Summe von 2019 – ein Aufschlag, der auf den Gesamtgewinn durchschlägt.
Im vorigen Jahr entzündete sich am Gewinn der Stadtwerke ein heftiger Streit zwischen Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und den Politikern, die vom Überschuss in Höhe von knapp 13,7 Millionen Euro nur gut 5,7 Millionen Euro in den allgemeinen städtischen Haushalt fließen lassen wollten. Der Rest sollte in die Gewinnrücklage der Stadtwerke eingestellt werden, um die durch Corona entstandenen und weiter zu erwartende Defizite des Arriba-Bades, des Stadtparks und der Verkehrsgesellschaft auszugleichen. Die Verwaltungschefin wollte mit dem Geld aber gerne Corona-Löcher im Haushalt stopfen und forderte elf Millionen Euro für den allgemeinen Etat. Die Kommunalpolitik setzte sich schließlich durch.
Stadtwerke: Fünf Millionen Euro fließen in Haushalt der Stadt
In diesem Jahr hingegen ging die Debatte darüber, wie der Überschuss aus der Stadtwerke-Bilanz verwendet werden soll, geräuschlos über die Bühne. Die Stadtwerke behalten gut 12,2 Millionen Euro, fünf Millionen schüttet der lokale Energieversorger an den städtischen Haushalt aus. Bei der Harmonie mag eine Rolle gespielt haben, dass die Stadt deutlich mehr Gewerbesteuer einnimmt als erwartet. Auch in Norderstedt ist die Wirtschaft angesprungen, die Betriebe haben für die Monate Juni, Juli, August und September jeweils mehr als 110 Millionen Euro an die Stadt überwiesen, erheblich mehr als geplant.
„Die Coronapandemie und der Zwang, zu Hause zu arbeiten und auf Kontakte möglichst zu verzichten, hat sich positiv auf die Einnahmen von wilhelm.tel ausgewirkt“, sagt Stadtwerkesprecher Oliver Weiß. Während das klassische Telefon in den Zeit vor Corona immer weniger zum Einsatz kam, habe es im vorigen Jahr einen klar gegenläufigen Trend gegeben. So hätten die Stadtwerke registriert, dass die Norderstedter verstärkt zum Hörer greifen. Das gelte auch für kurze Nachfragen, für die sonst das E-Mail-System genutzt werde.
Stadtwerke: Arriba- und Stadtpark-Bad leiden unter Lockdown
Auch der TV-Konsum stieg, Streaming-Dienste wie Netflix boomten. Und: wilhelm.tel steuert weiter auf Expansionskurs. Die Werkleitung erwartet eine positive Entwicklung durch die vermehrte Nachfrage von Wohnungsbaugesellschaften einerseits und benachbarten Gemeinden andererseits. „Für Hamburg wird davon ausgegangen, dass mehr als 60 Prozent der mehrgeschossigen Wohnungen an das Versorgungsnetz angeschlossen werden können“, heißt es im Abschlussbericht.
Andererseits gibt es auch Mitglieder des Stadtwerke-Konzerns, die massiv unter dem Lockdown gelitten haben. Am heftigsten betroffen war das Arriba-Bad mit seinem Ableger am Stadtparksee. Durch die langen Schließzeiten hat sich der Umsatz im Vorjahr um 2,539 Millionen Euro im Vergleich zu 2019 mehr als halbiert. Auch für das erste Quartal, als das Bad noch geschlossen war, fehlen Erlöse von 800.000 Euro. „Wir gehen davon aus, dass sich die Situation durch die Öffnung deutlich verbessert“, sagt Weiß. Zudem erwarten die Stadtwerke, dass sich Umstrukturierungen auszahlen, Markenauftritt und Angebot würden überprüft.
Stadtwerke: Umsatz im Stadtpark geht zurück
Auch die Verkehrsbetriebe, ebenfalls Teil des Stadtwerke-Konzerns, und zuständig für den Norderstedter Streckenbereich der U1 und A2, haben das Jahr 2020 mit Mindereinnahmen abgeschlossen. 2019 kauften die Fahrgäste Fahrkarten im Wert von gut 4,1 Millionen Euro, im Vorjahr sank die Summe auf 3,4 Millionen Euro. Auch hier nennen die Stadtwerke die Pandemie als Ursache.
Der Umsatz im Stadtpark sank von gut 1,8 auf gut 1,3 Millionen Euro. „Wir konnten nur einen Teil der gewohnten Veranstaltungen anbieten, und das mit mehr Aufwand und weniger Besuchern“, sagt Kai Jörg Evers, Geschäftsführer der Stadtpark-Gesellschaft. Er und sein Team planen für das nächste Jahr wie in virusfreien Zeiten.