Kreis Segeberg. Geschäftsstellen in Henstedt-Ulzburg, Kisdorf, Lentföhrden, Alveslohe und Schmalfeld werden geschlossen. 8000 Kunden sind betroffen.

Das ist ein herber Verlust für die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum. Die VR Bank in Holstein hat angekündigt, dass sie zum 1. Januar 2022 sieben ihrer zurzeit noch 27 Geschäftsstellen schließen wird. Betroffen davon sind mit Henstedt-Rhen (Wilstedter Straße 47), Alveslohe, Schmalfeld, Lentföhrden und Kisdorf allein fünf Filialen im Kreis Segeberg sowie zwei Standorte im Kreis Pinneberg.

In keiner der fünf Filialen im Kreis Segeberg soll ein Geldautomat verbleiben. Was die betroffenen Bürgermeister mit einem Protestschreiben verhindern wollen, kündigt Amtsvorsteher Klaus Brakel vom Amt Kaltenkirchen-Land an, das nun mit Nützen innerhalb von drei Jahren vier VR-Bank-Filialen verloren hat und am schwersten betroffen ist. Dort gibt es jetzt nur noch in Hartenholm mit der Vereinigten VR Bank/Kal­tenkirchener Bank eine Bankfiliale.

8000 Kunden der Genossenschaftsbank müssen sich nun umorientieren, die darüber Mitte Oktober informiert worden seien. Die 15 Mitarbeiter würden auf die verbleibenden Filialen verteilt, so Bankensprecherin Jasmin van Gysel. Damit hat die VR Bank in Holstein seit 2019, als sie aus der Fusion der Volksbank Pinneberg-Elmshorn mit der Raiffeisenbank Bad Bramstedt-Henstedt-Ulzburg hervorging, ein Drittel ihres Filialnetzes aufgegeben.

Im Kreis Segeberg sind es sogar zwei Drittel ihrer ehemals zwölf Geschäftsstellen, die nun bald aus der Fläche verschwunden sind. „Die Standorte Weddelbrook und Wakendorf II sind nach dem ersten Corona-Lockdown in 2020 nicht mehr wiedereröffnet worden“, sagt Bankensprecherin van Gysel. „Der Standort Nützen ist leider im November 2018 abgebrannt, und es wurde 2019 entschieden, ihn nicht mehr aufzubauen.“

Damit betreibt die VR Bank in Holstein künftig nur noch vier Filialen im Kreis Segeberg: in Norderstedt (Harksheider Markt), Bad Bramstedt (Bleeck 29), Henstedt-Ulzburg (Hamburger Straße 28) und Ellerau (Berliner Damm 3-11).

Im Zuge der Fusion sollte es keine Schließungen geben

Im Zuge der Fusion würde es auf keinen Fall Personalabbau oder Filialschließungen geben, betonten die vier Bankenvorstände noch vor der Fusion Ende 2018. Das sei die Vorgabe beider Aufsichtsratsgremien gewesen. Vorstand Ingmar Kampling deutete da aber bereits an, dass die eine oder andere kleinere Filiale der damaligen Raiffeisenbank irgendwann doch auf den Prüfstand komme. „Aber frühestens in drei Jahren.“ Das ist nun offenbar der Fall gewesen und hat acht der kleineren Filialen getroffen.

Bei der Bilanzkonferenz im April dieses Jahres hieß es, dass alle zurzeit 27 Geschäftsstellen der VR Bank in Holstein „auf den Prüfstand ihrer Wirtschaftlichkeit“ gestellt würden. „Wir sind noch in der Analyse“, sagte da der für das Privatkundengeschäft zuständige Vorstand, Andreas Jeske. Die Analyse erfolge alle zwei Jahre. „Wie viele es sind, wissen wir noch nicht.“ Diese Auswertung ist nun offenbar abgeschlossen.

Jeske sagt nun dazu auf Nachfrage des Abendblatts: „Ein zweijähriger Rhythmus zur Überprüfung des Filialnetzes, wie im Frühjahr schon angedeutet, hat im Sommer 2021 zu der Entscheidung geführt, diese sieben Filialen zu schließen.“ Ausschlaggebend für die Wirtschaftlichkeit eines Standorts sei nicht nur die Kundenfrequenz vor Ort, sondern auch das veränderte Kundenverhalten in Richtung digitaler Medien und die Bewertung der weiteren Infrastruktur eines Standortes. „Natürlich fällt so eine Entscheidung nicht leicht, doch sind solche Maßnahmen für eine zukunftsfähige und schlagkräftige VR Bank in Holstein jetzt unumgänglich“, so Vorstandsmitglied Jeske. „Wir werden alle 15 betroffenen Mitarbeiter aus den Filialen weiter beschäftigen. Sie fangen zum Teil bereits im November schon in ihren neuen Standorten an.“

Die örtlichen Filialen werden immer seltener aufgesucht

Immer mehr Kunden würden ihre Bankgeschäfte telefonisch oder online über das Internet abwickeln, erklärt Bankensprecherin van Gysel. „Der Besuch der örtlichen Filiale für das alltägliche Bankgeschäft wird immer seltener.“ Das letzte Jahr mit seinen Rahmenbedingungen durch die Corona-Schutzmaßnahmen habe diesen Trend weiter beschleunigt. „Wir konnten einen Kundenkontaktrückgang vor Ort in den betreffenden Filialen von durchschnittlich 50 Prozent feststellen.“

Wenn die Kunden in die Filialen kämen, würden sie dies mit anderen Erledigungen verbinden, oder ihr Bargeld gleich beim Einkauf im Supermarkt abbuchen lassen. Bankenvorstand Jeske. „Bis heute stellen wir fest, dass sich das alltägliche Bankgeschäft zunehmend auch dort konzentriert, wo die Menschen hauptsächlich durch Arbeits- oder Einkaufswege unterwegs sind.“ Der VR Bank in Holstein sei „wichtig, dass wir da sind, wo unsere Kunden sind. Wir sind nicht weg. Nur woanders“.

Nostalgie und Historie spielen keine Rolle

Bitter enttäuscht sind die betroffenen Landgemeinden. Amtsvorsteher Brakel, der zugleich Bürgermeister von Nützen ist, sagt: „Das hätten wir auch ohne Fusion haben können. Die Fusion hat die Schließung der Filialen bestimmt nicht verlangsamt.“ Besonders tragisch sei es gerade für die älteren Bürger, dass keine Bankautomaten oder Kontoauszugsdrucker in den Geschäftsstellen verbleiben sollen. „Das werden wir aber gemeinsam mit den anderen betroffenen Bürgermeistern fordern.“

Das bestätigt der Leitende Verwaltungsbeamte des Amtes Kisdorf, wo 11.300 Bürger innerhalb von drei Jahren vier ihrer fünf Bankfilialen verloren haben. „Das ist nicht gut für die Daseinsvorsorge der Menschen auf dem Land. Ein Bankautomat ist das Mindeste, was wir erreichen müssen.“ Dass die VR Bank mit der Filiale in Lentföhrden, die 1919 als Spar- und Darlehenskasse entstand, auch die ehemalige Keimzelle der Raiffeisenbank Bad Barmstedt zumacht, zeige, welchen geringen Stellenwert Nostalgie und Historie dabei noch haben.

Schwer enttäuscht ist auch Schmalfelds Bürgermeister Klaus Gerdes. „Ich werde jetzt meine Bank wechseln“, sagt er. „Den Bankvorständen ist es offenbar egal, wo die älteren Menschen bleiben. Da brechen schwere Zeiten an.“

Schmalfelds Bürgermeister will die Bank wechseln

Alveslohes Bürgermeister Peter Kroll sagt: „Das ist ein herber Rückschlag für unsere Gemeinde und ein schlechtes Zeichen für den ländlichen Bereich.“ Amtskollege Wolfgang Stolze aus Kisdorf sagt: „Wir sind natürlich enttäuscht. Das ist vor allem für die ältere Bevölkerung problematisch. Zumindest können sie ihr Geld jetzt noch im Supermarkt abheben.“ Wer jetzt aber seine Wertsachen im Schließfach verwahren möchte, müsse sogar bis nach Norderstedt ausweichen, so Bürgermeister Stolze. In Henstedt-Ulzburgs gebe es dieses Angebot nicht mehr.

Henstedt-Ulzburgs Bürgermeisterin Ulrike Schmidt bedauert ebenfalls die Schließung der VR-Bankfiliale auf dem Rhen. „In diesem Ortsteil leben viele Seniorinnen und Senioren, die ihre Bankgeschäfte gerne noch persönlich erledigen. Das wird an diesem Standort nun leider nicht mehr möglich sein“, sagt sie. Das Positive sei, dass die Filiale in der Hamburger Straße 28 innerhalb des Verbundes gestärkt werde und es in Hen­stedt-Ulzburg damit „weiterhin eine Anlaufstelle für sämtliche Bankgeschäfte geben wird“, so Schmidt.

2017 hatte bereits die Sparkasse Südholstein ihre Geschäftsstelle in Henstedt-Rhen geschlossen.