Norderstedt. 60 Bewohner im „Haus Hog’n Dor“ in Norderstedt sowie zahlreiche Mitarbeitende infiziert. Minister Garg bringt Impfpflicht ins Spiel.
Nach dem Corona-Ausbruch in einem Senioren- und Pflegeheim in Norderstedt (Kreis Segeberg) ist ein 95 Jahre alter infizierter Bewohner gestorben. Ein weiterer sei in eine Klinik gebracht worden, sagte eine Sprecherin des Kreisverwaltung am Mittwoch. Die Behörde hatte am Montag über den Ausbruch im "Haus Hog’n Dor" informiert.
Von den insgesamt 76 Bewohnerinnen und Bewohnern sind derzeit demnach 60 infiziert – die meisten ohne oder nur mit leichten Symptomen. Von den rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Heims sind den Angaben nach mittlerweile 19 nachweislich mit dem Erreger infiziert. Von diesen seien einige nicht geimpft.
Zur Ursache des Ausbruchs gibt es eine Vermutung, aber keine abschließende Erklärung. „Aus Gründen des Datenschutzes machen wir im Zuge des laufenden Verfahrens keine näheren Angaben dazu“, hatte Kreissprecherin Sabrina Müller zuletzt erklärt.
Corona-Ausbruch in Pflegeheim: Minister bringt Impfpflicht ins Spiel
Gesundheits- und Sozialminister Heiner Garg (FDP) hatte sich nach dem Ausbruch verärgert gezeigt. Man wisse zwar noch nicht genau, was vor Ort vorgefallen sei. In Pflegeheimen, Krankenhäusern und Hospizen kümmerten sich Menschen aber um besonders schutzbedürftige Gruppen. „Dass es hier Mitarbeitende, möglicherweise sogar in größerem Umfang gibt, die sich nicht impfen lassen, das, finde ich, ist wenig verantwortungsvoll“, sagte Garg dem Norddeutschen Rundfunk.
Er habe immer gesagt, als Ultima Ratio dürfe man sich einer Diskussion über eine Impfpflicht nicht verschließen. Garg sagte aber auch, dass die Impfquoten in vielen Einrichtungen hoch seien. Ihm widerstrebe daher, alle über einen Kamm zu scheren. Nun müsse man sich über zusätzliche Schritte Gedanken machen, etwa ob bewusst ungeimpfte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zweifel nur noch mit voller Schutzausrüstung Kontakt zu Patienten haben dürften.
Personalausfall führt zu Engpässen
Der hohe Personalausfall führt mittlerweile auch zu problematischen Engpässen in der Versorgung des Heims, wie Martina Homfeldt, Geschäftsführerin von „Haus Hog’n Dor“, berichtet. Personalservicefirmen würden ihre gebuchten Dienste absagen, weil sie ihre Mitarbeiter keiner Gefahr aussetzen wollen. „Es gibt offensichtlich nach 19 Monaten pandemischer Lage in der BRD keine Krisenintervention in Form von praktischer Unterstützung seitens der Behörden für Betriebe des Gesundheitswesens“, kritisiert Homfeldt.
Das „Haus Hog’n Dor“ habe aus der Not heraus einen Antrag gestellt, geimpfte, symptomfreie Mitarbeiter trotz positiven Tests einsetzen zu dürfen – dies sei in anderen Einrichtungen auch so praktiziert worden. „Der Antrag wurde abgelehnt“, bedauert Homfeldt.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hingegen fordert eine tägliche Testpflicht für Bewohner und Mitarbeiter solcher Einrichtungen. „Wir rutschen derzeit in eine Phase ab, die für die vulnerablen Gruppen hochgefährlich ist“, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Man benötige nun einen politischen Diskurs über intelligente Lösungen ohne Lockdown und Isolation. Dazu gehöre das tägliche Testen – auch von Menschen, die geimpft oder genesen seien.
„Haus zum Steertpogg“ testet alle Besucher trotz Impfung
Wie schützen andere Senioreneinrichtungen in der Region ihre Mitarbeiter und Bewohner vor einer Corona-Infektion in ihrem Hause?
Im Seniorenheim „Haus zum Steertpogg“ in Norderstedt sind Corona-Tests an der Tagesordnung. ,,Alle Besucher müssen sich testen lassen und eine Maske tragen, wenn sie bei uns ihre Angehörigen oder Freunde besuchen“, sagt Heimleiterin Kirsten Krause. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Besucher schon geimpft sind oder nicht. Alle Mitarbeiter des Seniorenheims müssen sich ebenfalls regelmäßig testen lassen – obwohl fast alle vollständig geimpft sind. ,,Vollständig geimpfte Mitarbeiter müssen sich mindestens einmal pro Woche testen lassen“, sagt die Leiterin. Zwei Mitarbeiter, bei denen die Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, und eine Mitarbeiterin, die das Impfen ablehnt, müssen sich sogar täglich vor Dienstantritt testen lassen.
Negative Tests für Besucher verpflichtend
Die verpflichtenden Tests für Besucherinnen und Besucher und das Personal sind kostenlos und werden von Korian, Betreiber des Norderstedter Pflegeheims, bereitgestellt. Das handhaben aber offenbar nicht alle Senioreneinrichtungen so. ,,Viele Häuser testen ihre Besucher nicht in dem Maße, wie wir es tun“, sagt die Heimleiterin.
Schleswig-Holstein schreibt vor, dass Besucher grundsätzlich über ein aktuelles negatives Testergebnis verfügen müssen. Geimpfte und genesene Personen sind von der Testpflicht ausgenommen, genauso wie Kinder unter sieben Jahren. Mitarbeiter, die über eine hinreichende Immunisierung verfügen, müssen nur bei Symptomen getestet werden. Ungeimpfte Mitarbeiter sollen sich täglich einem Schnelltest unterziehen.
Auskunftspflicht über Corona-Impfung für Angestellte
Seit rund einem Monat besteht für Angestellte in Schulen, Kitas und Pflegeheimen eine Auskunftspflicht über eine Corona-Impfung. Für Beschäftigte in Krankenhäusern und Arztpraxen gilt dies schon länger. Damit will der Gesetzgeber besonders vulnerable Personen noch besser schützen.
Das „Haus zum Steertopogg“ war nach einem Corona-Ausbruch im vorigen November in die Schlagzeilen geraten. Damals waren 16 Bewohnerinnen und Bewohner, die sich infiziert hatten, an oder im Zusammenhang mit Corona gestorben. Seitdem hat es keinen einzigen Fall mehr in der Einrichtung gegeben. Kirsten Krause und ihr Team setzen alles daran, dass das so bleibt.
Corona: ,,Es kann jeden treffen, jeden Tag"
Alle 122 Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses sind vollständig geimpft – abgesehen von einer Ausnahme aus medizinischen Gründen. Es wurden bereits zahlreiche Drittimpfungen verabreicht. ,,Das macht der Hausarzt bei seiner wöchentlichen Visite“, sagt Kirsten Krause. Die ersten Mitarbeiter erhielten ebenfalls schon ihre dritte Dosis.
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Trotz Impfen und zahlloser Tests lässt sich eine Corona-Infektion aber nie ganz ausschließen. Das weiß auch die Heimleiterin. ,,Es kann jeden treffen, jeden Tag. Was ist, wenn ein Bewohner unser Haus verlässt und die Krankheit einschleppt?“ Jeden bei der Rückkehr zu testen, mache keinen Sinn, da die Tests erst nach drei bis fünf Tagen ein zuverlässiges Ergebnis bringen. ,,Wie soll das gehen? Ich kann die Leute ja nicht im Hause tagelang isolieren.“
Im Pflegeheim "Haus im Park" neun Mitarbeiter nicht geimpft
Im von der Stadt Norderstedt betriebenen Alten- und Pflegeheim „Haus im Park“ arbeiten derzeit 60 Frauen und Männer in der Betreuung der etwa 80 Bewohnerinnen und Bewohner. Nach Auskunft der Leiterin Maja Lesniewicz-Scheibel sind von den 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neun nicht geimpft. Die Impfquote liege somit bei 85 Prozent. Im „Haus im Park“ hatte es im Verlauf der Corona-Pandemie ebenfalls etliche Todesfälle an oder mit Covid-19 unter den Bewohnern gegeben. Wer derzeit als Besucher das Haus betreten möchte, muss geimpft, genesen oder frisch getestet sein. Wer einen Test ablehnt und nicht über einen hinreichenden Impfschutz verfügt, könne Besuche nur im Besucherraum wahrnehmen.
Im Kreis Segeberg sind am Dienstag 35 per PCR-Test nachgewiesene Corona-Neuinfektionen dazugekommen. Aktuell sind 221 Personen mit Corona infiziert.