Henstedt-Ulzburg. An der Gemeinschaftsschule Rhen haben Schüler ihre erste Corona-Schutzimpfung erhalten. Wie die Aktion lief.

Mit suchenden Blicken trottet eine Gruppe von drei Jungs auf Martina Schmidt zu. Die Sekretärin der Gemeinschaftsschule Rhen empfängt das Trio mit den wichtigsten Fragen. „Habt ihr alles dabei? Den Ausweis, den Impfpass, die Versicherungskarte? Dann setzt euch dorthin.“ Die Henstedt-Ulzburger Schule ist eine der ersten im Kreis, in der Schülerinnen und Schüler eine Corona-Schutzimpfung erhalten können. Landesweit ist das erst seit knapp einer Woche möglich, seitdem sind mobile Impfteams in Schleswig-Holstein unterwegs.

Auf dem Rhen sind es 40 Mädchen und Jungen, die das Angebot – inklusive der Zweitimpfung 21 Tage später – annehmen. Hierfür wurden Chemie-, Physik- und PC-Räume im Obergeschoss umfunktioniert, der Bereich wird für rund zwei Stunden zum Mini-Impfzentrum. In einem Raum werden Spritzen und Unterlagen vorbereitet, im zweiten gibt es Gruppen-Aufklärungen, im dritten und vierten individuelle Gespräche und dann die Impfungen mit dem Biontech-Wirkstoff.

Die Impflinge werden aus den Klassenzimmern gebeten

Die Aufregung ist groß – allerdings eher bei der Schulleitung als bei den Jugendlichen. Rektor Hanno Schmedes hetzt hektisch von Klassenzimmer zu Klassenzimmer, damit alle Angemeldeten den Termin mitbekommen. „Wir gehen durch die Klassen und sagen: Wer den Antrag zur Impfung gestellt hat – bitte einmal mitkommen.“ Der Aufwand ist höher als gedacht. Denn Schulbetrieb und Impfaktion können gar nicht autonom voneinander laufen, wie sich schnell herausstellt. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, auf dem Parkplatz einen „Impfbus“ vorzufahren oder alles gleich in eines der benachbarten Impfzentren in Norderstedt oder Kaltenkirchen auszulagern?

„Anfangs wurden wir nur gebeten, die Räume bereitzustellen“, so Schmedes. Doch er und Martina Schmidt kennen die Jugendlichen, die sich ihrerseits bei Fragen an die vertrauten Personen wenden. So wie ein Junge, der eine Bescheinigung über eine Erkältung dabei hat – und davon ausgeht, deswegen nicht geimpft werden zu können. Die Sekretärin zweifelt, ob ein Schnupfen tatsächlich ein Ausschlusskriterium ist. In diesem Moment kommt Dr. Lukas Wöhrmann hinzu, er ist einer der Impfärzte. „Hattest du Fieber?“ Nein, antwortet er. Man einigt sich, die Eltern anzurufen - die Impfung wäre eigentlich möglich.

Viele Teenager sind bereits über die Impfungen aufgeklärt

Wöhrmann ist mit dem mobilen Impfteam im Dauereinsatz, am Morgen hatte man bereits eine Schule in Norderstedt besucht, am Nachmittag folgte eine dritte in der Region. „Alle Kinder sind sehr gut aufgeklärt, die Informationen wurden meistens mit den Eltern durchgegangen. Wir versuchen, keine Erwachsenen-, sondern eine Kinderaufklärung zu machen. Die meisten Kinder haben nur die Frage, wann sie wieder Sport machen können.“ Ein Thema sind die Herzmuskelentzündungen, bei denen US-Studien eine statistische Häufung bei minderjährigen Geimpften gefunden hatten. „Bei zehn Millionen Personen sind sieben Herzmuskelentzündungen aufgetreten. Es konnte kein Zusammenhang mit der Impfung nachgewiesen werden, aber die Kinder werden auf die Symptome hingewiesen.“

Die Ständige Impfkommission hatte ihre Empfehlung am 16. August auf 12- bis 17-Jährige erweitert. Das war für viele Familien eine wichtige Entscheidungsgrundlage. „Wir haben bei uns alle Eltern mit ins Boot geholt“, sagt Hanno Schmedes. „Hier passiert nichts gegen den Willen der Eltern. Wir hatten vorher schon eine hohe Impfbereitschaft. In einer zehnten Klasse, die ich in Physik unterrichte, waren zum Beispiel acht von 20 Kindern geimpft.“

Impfdebatte an der Schule „eher entspannt“

Schulleiter Hanno Schmedes reservierte vier Fachräume für das  Impfteam. Das Kollegium ist bereits zu 100 Prozent durchgeimpft.
Schulleiter Hanno Schmedes reservierte vier Fachräume für das Impfteam. Das Kollegium ist bereits zu 100 Prozent durchgeimpft. © Christopher Herbst | Christopher Herbst

Etwa 300 der 425 Schülerinnen und Schüler – ausgenommen sind diejenigen unter 12 Jahren, also die fünften und zum Teil die sechsten Klassen – sind impfberechtigt. Grundsätzlich gilt: Bei 12- und 13-Jährigen muss mindestens ein Elternteil schriftlich einwilligen, Mutter oder Vater darf bei der Impfung dabei sein. In der Gemeinschaftsschule war das aber bei keinem Kind der Fall. „Ab 14 reicht es, wenn die Kinder unterschreiben“, so Schmedes.

Die vielerorts aufgeheizte Impfdebatte sei an seiner Schule im Vergleich eher entspannt. Das Kollegium ist mittlerweile sogar zu 100 Prozent durchgeimpft. „Auf Diskussionen mit Corona-Leugnern oder Impfgegnern wollen und werden wir uns nicht einlassen.“ Er wisse von „zwei, drei Eltern“ an der Schule, die diesem Lager zugeordnet werden können. Das ist eben hier nicht anders als im Rest der Gesellschaft.

Der Betrieb der Impfzentren endet am 26. September

Unterdessen hat das Gesundheitsministerium entschieden, dass die 28 Impfzentren in Schleswig-Holstein nur noch bis Sonntag, 26. September, betrieben werden. Falls es die Situation danach erfordert, sollen im Auftrag des Landes mobile Impfteams oder temporäre Impfstationen eingerichtet werden. Zudem sind über impfen-sh.de ab sofort nur noch Einzeltermine für die Zentren buchbar – vor Ort gibt es dann den zweiten Termin, dieser kann aber auch in einer Praxis vereinbart werden, sofern der Zeitpunkt der Zweitimpfung in den Oktober fällt.

Für mehrere Gruppen ist es nun möglich, Auffrischungsimpfungen mit den mRNA-Stoffen (Biontech/Moderna) zu erhalten, sofern die letzte Impfung mindestens sechs Monate zurückliegt. Das betrifft Menschen im Alter von 80+, Immungeschwächte und Immunsuppremierte (u. a. Patienten mit HIV oder in einer Krebstherapie) sowie solche, die vollständig mit einem Vektorimpfstoff (Astrazeneca/Johnson & Johnson) geimpft wurden. Das Gesundheitsministerium schlägt zudem eine bundesweite Herabsenkung der Altersgrenze auf 60+ vor. In Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie der Eingliederungshilfe wird die Auffrischungsimpfung in Zusammenarbeit mit Arztpraxen organisiert.

Das Infektionsgeschehen im Kreis ist mit 26 weiteren nachgewiesenen Infektionen relativ stabil. Derzeit weiß das Gesundheitsamt von 316 Infizierten, in Quarantäne befinden sich 668 Personen. Die Inzidenz sank leicht auf 45,5. Die Zahl der Covid-19-Patienten in Krankenhäusern hat sich auf neun erhöht, zwei davon liegen auf einer Intensivstation.