Kreis Segeberg. Das Abendblatt hat sich wieder auf Spurensuche begeben. Heute: Ein Agententhriller auf dem Flugplatz Hartenholm.
Um den kleinen Flugplatz Hartenholm an der Bundesstraße 206 zwischen Bad Bramstedt und Bad Segeberg ranken sich viele Geschichten. Es traf und trifft sich hier die Pop- und Rockwelt, aber in der Vergangenheit gab es viele düstere Schlagzeilen. Es gab Zeiten, da blickte die ganze Welt auf diesen Platz, der im Laufe von 64 Jahren eine wahrhaft stürmische Geschichte erlebt hat.
Wechselhafte Geschichte des Flugplatzes Hartenholm
Tatsächlich gibt es kaum einen Platz im Kreis Segeberg, der so geheimnisumwittert ist wie dieser unscheinbare Flugplatz, der sogar Einzug in die internationale Presse und Literatur gefunden hat. Hier wurde im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte geschrieben – egal, ob von Piloten, von Fallschirmspringern, von Rockgitarristen, Filmemachern oder Schriftstellern.
Das Geheimnisvolle beginnt schon beim Namen, der so irreführend ist, wie vieles, was hier im Laufe von sechs Jahrzehnten geschehen ist. Der Flugplatz Hartenholm liegt nicht in Hartenholm, sondern auf dem Gebiet der Gemeinde Hasenmoor.
Der missverständliche Ortsnamenzusatz „Hartenholm“ ist durch die ursprüngliche Lage der Gründerfirma – einer Baumschule – auf Hartenholmer Gemeindegebiet zu erklären. „Inzwischen wissen aber wohl die meisten, dass der Flugplatz auf dem Gebiet unserer Gemeinde Hasenmoor liegt“, sagt Bürgermeister Frank Lütt (48), der seit zwei Jahren an der Spitze der Gemeindevertretung steht.
Iranische Waffengeschäfte im beschaulichen Hasenmoor?
„Das Schwert Gottes“ ist der Titel eines Agententhrillers von Larry Collins aus dem Jahre 1998. Er beschreibt, rein fiktiv natürlich, wie vom Privatflugplatz islamische Fundamentalisten an Waffen gelangen: Der Verdacht, dass sich eine Gruppe islamischer Fundamentalisten dreier Atomsprengköpfe bemächtigt hat, löst eine internationale Krise aus. 2001 erscheint der Roman auch in deutscher Sprache.
Ganz abwegig schien der Plot dieses internationalen Bestsellers damals nicht zu sein: Immerhin gab es Mitte der 1990er-Jahre Untersuchungen über mögliche illegale Waffengeschäfte iranischer Geschäftsleute, die in Hartenholm abgewickelt wurden. Erhärtet wurde dieser Verdacht allerdings nicht. Tatsächlich aber sorgte er für internationale Schlagzeilen.
Alles begann 1994 mit einem Bericht im Nachrichtengazin „Der Spiegel“. Dem Bericht zufolge wollten der in London lebende iranische Investor Mussa Chajir Habibollahi und sein Vertrauter Mehdi Kaschani den kleinen Flugplatz nutzen, um illegal Ersatzteile für die iranische Luftwaffe zu beschaffen. Zudem, so wurde beschrieben, könnten Agenten und Attentäter über Hartenholm unbemerkt einreisen, da es dort keine Grenzschutz- oder Zollkontrollen gibt. Habibollahis Geschäftsführer in Hartenholm, Jan Ghorbani-Mink, ließ die Vorwürfe sofort dementieren.
Verfassungsschutz warnt 1994 die Landesregierung
Auch die schleswig-holsteinische Landesregierung und der Verfassungsschutz dementierten die Existenz eines Dossiers über den Regionalflughafen Hartenholm. Weder beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln noch in seinem Landesamt gebe es einen Bericht der „Arbeitsgruppe Iran“ zu möglichen illegalen Waffengeschäfte iranischer Geschäftsleute über Hartenholm, erklärten einmütig die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) und der damalige Leiter des Landesfassungsschutzes, Michael Wolff. Regierung und Landesamt hätten auch vom Präsidenten des Bundesamtes, Eckard Werthebach, die Zusicherung erhalten, dass es kein derartiges Dossier gebe.
Aber immerhin: Ende 1994 warnte das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz die Landesregierung in Schleswig-Holstein vor illegalen Aktionen iranischer Geschäftsleute auf dem Flugplatz Hartenholm...
Die Gerüchte und Berichte gehen weiter. Nicht nur iranische, sondern auch türkische Nuklearschmuggler sollen den Flugplatz Hartenholm als Drehscheibe für kriminelle Geschäfte genutzt haben, berichtete die „Deutsche Presse-Agentur“ 1995. Das schleswig-holsteinische Justizministerium informierte das Bundeskanzleramt in Bonn. Zu diesem Zeitpunkt ermittelte die Staatsanwaltschaft bereits seit längerem gegen einen Deutschen und einen Iraner.
Sogar die New York Times berichtete aus Hartenholm
Es wurde noch internationaler: Ebenfalls 1995 berichtete die New York Times über ein „Netz von Umschlagplätzen in Europa, Russland und Mittelasien, um Komponenten für sein Atomwaffenprogramm nach Iran zu schmuggeln“. Auf diese Weise könnte Teheran in fünf Jahren zu Nuklearwaffen gelangen, hieß es damals. Einer dieser Umschlagplätze sei der nördlich von Hamburg gelegene Flugplatz Hartenholm. Der Iran wies Vorwürfe zurück, dass er an einem Atomwaffenprogramm arbeite.
Es ging nicht nur um Atomwaffen: Zu befürchten sei auch, so zitiert der „Spiegel“ Verfassungsschutzquellen, dass der Flugplatz von Teheraner Diensten als Personenschleuse genutzt werden könnte. Da Hartenholm weder Zoll- noch Grenzschutzkontrollen unterliege, könnten Agenten und Attentäter über die Flugpiste unbemerkt einreisen. Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelte 1994 außerdem wegen des Verdachts auf Geldwäsche und Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz.
Viel wurde gemunkelt, aber nichts wurde bewiesen
2013 gab es noch einmal Schlagzeilen - diesmal im „Focus“. Insgesamt 50 Kilogramm Opium, so das Magazin, sollten aus dem Iran über Frankreich nach Norddeutschland geschmuggelt werden. Spuren führten offenbar zum Flugplatz Hartenholm, der zunächst als einer von mehreren Übergabeorten im Gespräch gewesen sein soll.
Die Drogen, so der Plan, sollten aus dem Iran über Frankreich nach Norddeutschland gebracht werden. Die Wahrheit aber ist: Es wurde viel gemunkelt und tatsächlich handfest ermittelt. Aber keine dieser Anschuldigungen und Vermutungen konnte nachgewiesen werden. Alle Ermittlungen verliefen im Sande.
Es schweben also viele Fragezeichen über dem Flugplatz Hartenholm, Flugzeuge aber schweben hier schon seit einigen Jahren nicht mehr ein. Denn bis heute gibt es Ungereimtheiten um den 17 Hektar großen Platz, der seit einigen Jahren unter Zwangsverwaltung steht.
Der Verwalter hat mit Zustimmung der Gerichte Mitte 2019 den Pachtvertrag mit der Flugplatzgesellschaft gekündigt und einen Nutzungsvertrag mit der Hoha Hanseatic abgeschlossen. Alleiniger Gesellschafter der auch für das Wacken Open-Air verantwortlichen Veranstaltungsfirma ist die International Concert Service Gesellschaft (ICS) in Wacken. Als Chef der Flugplatz-Hartenholm GmbH wird aber immer noch der Iraner Massoud Abdzadeh geführt.
200.000 Besucher – das Werner-Rennen ist legendär
1957 ließen hier Baumschulbesitzer die ersten Flugzeuge mit Schädlingsbekämpfungsmitteln an Bord starten, ein Jahr später lag vom Verkehrsministerium die Zulassung als Luftfahrtunternehmen vor. Das Unternehmen wuchs und gewann an Bedeutung. Bis zu 20.000 Starts und Landungen wurden hier in besseren Zeiten registriert. Der Flugplatz wurde ein beliebtes Ausflugsziel: Vor allem die vielen Fallschirmspringer lockten Besucher an.
Fast 200.000 Besucher pilgerten an einem Wochenende vor 33 Jahren auf das Fluggelände und verursachten ein bis heute unvergessenes Chaos in den Orten Hasenmoor und Hartenholm: Am 4. September 1988 trugen hier der Comic-Zeichner Rötger Feldmann (alias „Brösel“) und der Kieler Wirt Holger (“Holgi“) Henze das legendäre Werner-Rennen aus. In einem Werner-Comic hatte das Rennen schon stattgefunden, jetzt wurde es Realität.
Fallschirmspringer starten wieder vom Flugplatz
Der Flugplatz wird zu einem Veranstaltungszentrum, nachdem es zuvor mehrfache Eigentümerwechsel gegeben hatte. 2007 und 2008 heißt es „Rock op’n Dörp“ mit Auftritten von Rock- und Tennislegenden. Die Hartenholmer Firma Logopak und deren Inhaber Christopher Hastings-Long treten als Veranstalter auf. 2018 kommt es zur Wiederholung des Werner-Rennens, 2019 zur dritten Auflage, weitere werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich folgen. Aktuell stehen coronakonforme Strandkorb-Konzerte im Fokus.
Die Gemeinde Hasenmoor mit Bürgermeister Lütt an der Spitze beobachtet die Aktivitäten mit Interesse. „Wichtig ist doch, dass sich hier immer etwas tut“, sagt der Bürgermeister, der die Serie der Strandkorbkonzerte begrüßt, „weil sie erheblich ruhiger ablaufen als die Werner-Veranstaltungen und für weniger Unruhe unter den Einheimischen sorgen.“
Die Frage der etwas verworrenen Eigentumsverhältnisse betrachtet die Gemeinde sehr gelassen im angemessenen Abstand aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Erfreut ist Frank Lütt darüber, dass die Albatros Fallschirmsport GmbH & Co. KG auf dem Gelände ihren Betrieb wieder aufgenommen hat. An den Wochenenden kommen viele Schaulustige, um die Aktivitäten der Fallschirmspringer zu beobachten.