Norderstedt. Die Stadtwerke und die Betreiber-Familie Farhadi haben sich über einen Pachtvertrag zerstritten. Wie der Prozess läuft.
Sechs Stunden und fünf Zeugenaussagen später mussten die Stadtwerke Norderstedt am Montag vor dem Oberlandesgericht Schleswig eine vorläufige Niederlage einstecken. Der Senat hat zwar noch kein Urteil gefällt, gibt aber eine klare Richtung vor, in die es am 8. September bei der Beschlussverkündung wohl gehen wird: Die Vermutung liegt nahe, dass die Stadtwerke eine juristisch fragwürdige Taktik angewendet haben, um den jetzigen Pächter des Strandhauses im Norderstedter Stadtpark, die Familie Farhadi, aus dem kürzlich um 20 Jahre verlängerten Vertrag herauszubekommen.
Streit um das Norderstedter Strandhaus vor Gericht
Aber von vorne: Das Strandhaus am Stadtparksee, das zum Arriba-Strandbad und damit zu den Stadtwerken gehört, hat sich in den vergangenen Jahren unter der Familie Farhadi zu einer angesagten Location in Norderstedt entwickelt. Die Pächter haben mit durchschnittlich 90 Veranstaltungen im Jahr viel Geld eingenommen, von dem auch die Stadtwerke als Vermieter profitierten. Nach außen hin schien die Zusammenarbeit überaus erfolgreich zu laufen. Eine Win-win-Situation auf beiden Seiten.
Doch dann kam es im vergangenen Herbst zum Bruch. Ein Streit im Stadtpark um das gastronomische Angebot entbrannte (das Abendblatt berichtete). Seitdem wird er vor Gericht weitergeführt und verschlingt zumindest aufseiten der Stadtwerke jede Menge Steuergelder für Anwaltskosten. Dabei stellt sich der Außenstehende, der im Stadtpark einfach seinen Kaffee trinken und ab und an After-Work-Partys feiern möchte, vor allem die Frage: Was ist vorgefallen, dass diese augenscheinlich erfolgreiche Partnerschaft zerbrach?
Arriba-Leiter verlängert Pachtvertrag um 20 Jahre
Eine entscheidende Rolle in dem Fall spielt Ruud Swaen. Noch im Mai 2020 hat der damalige Arriba-Chef den Pachtvertrag mit den Strandhaus-Betreibern Janett und Aydin Farhadi verlängert – um stattliche 20 Jahre. Zuvor verlängerte sich der Deal immer nur um ein Jahr zum Jahresende. Doch die Gastronomen wünschten sich mehr Planungssicherheit. Swaen gab sie ihnen – offenbar aber ohne Kenntnis seines Arbeitgebers, den Stadtwerken, wie der 61-Jährige am Montag vor Gericht als Zeuge einräumte.
„Ich war überzeugt, dass ich einen guten Deal abgeschlossen habe“, sagte Swaen. Es sei immer darum gegangen, mit dem Strandhaus „so viel Umsatz wie möglich zu generieren“ – auch um die Verluste des anliegenden Arriba-Strandbads zu subventionieren. „Ich konnte machen, wie ich es für richtig hielt. Es gab nicht eine Situation, in der man mir gesagt hat, das geht nicht“, sagte Swaen vor dem Senat aus.
Arriba-Leiter Swaen verlässt Stadtwerke im Oktober
Einen öffentlichen Vertrag mit diesem finanziellen Umfang abzuschließen, lag augenscheinlich aber doch außerhalb der Kompetenz des Arriba-Leiters. Ende 2020 gaben die Stadtwerke bekannt, dass Ruud Swaen wegen einer „neuen Organisationsstruktur“ das Unternehmen verlassen wird. Nach 26 Dienstjahren.
Es heißt, die Werkleitung habe erst von der Vertragsverlängerung erfahren, als der Streit im Stadtpark hochkochte und man den Pächter so schnell wie möglich loswerden wollte. Kündigungen seien nun aber unwirksam gewesen.
Vor dem Oberlandesgericht sprach Swaen leise, wirkte geknickt. Es war sein erster Auftritt in der Öffentlichkeit nach seinem Ausscheiden. Mit den Stadtwerken hat er sich auf einen Aufhebungsvertrag geeinigt. Zum 1. Oktober verlässt er das Unternehmen offiziell. Bis dahin wird er zu den genauen Umständen wohl weiter schweigen. Der Anwalt der Stadtwerke attestierte ihm eine Nähe zur Familie Farhadi und fragte, ob diese sogar Swaens Anwaltskosten tragen würde. Er schüttelte mit dem Kopf, verneinte.
PED bekundet Interesse am Strandhaus und klagt
Zwar traten sich in der Verhandlung am Montag die zerstrittenen Parteien in Form von Aydin Farhadi und Christoph Clauß vom Strandhaus sowie Werkleiter Jens Seedorff und Theo Weirich gegenüber – den Antrag hatte aber eine ganz andere, dritte Partei gestellt, nämlich die PED Verwaltungsgesellschaft mbH, die sich in den Kampf um das Strandhaus Anfang des Jahres einschaltete. Die Firma bekundete ihr Interesse an der Gastronomie im Stadtpark und klagte vor der Vergabekammer.
Die Stadtwerke hätten die Stelle des Betreibers öffentlich ausschreiben müssen. Ansonsten verstießen sie gegen das Vergaberecht. PED bekam zunächst Recht. Die Strandhaus-Pächter legten Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Sie werfen der PED und den Stadtwerken Absprache vor, um den derzeitigen Betreiber loszuwerden. Zu diesem Urteil tendierte auch der vorsitzende Richter Dr. Jens Hilgenhövel: „Wir haben gewisse Zweifel“, sagte er, ob die PED überhaupt „echte Absichten“ hätte oder nur „Mittel zum Zweck“ und „verlängerter Arm“ der Stadtwerke sei.
Auslöser: Widersprüchlich abgeschlossene Verträge
Eine Verbindung zu den Stadtwerken gibt es, wie bereits PED-Geschäftsführer Henning Kinkhorst, der vor Gericht nicht persönlich erschien und nur durch seinen Anwalt vertreten wurde, bestätigte: Einer der Gesellschafter, Holger Hübner, der auch das Wacken-Open-Air-Festival veranstaltet, steht in Kontakt mit dem städtischen Unternehmen. Schon seit Jahren rüstet wilhelm.tel das Wacken-Open-Air mit Wlan aus.
Ausgelöst worden ist der Streit im Stadtpark offenbar durch zwei widersprüchlich abgeschlossene Verträge. Die Gastronomin Anne Rumpel, Chefin der Spotz Seeterrassen, hat von der Stadtpark GmbH, die ebenfalls den Stadtwerken zugehörig ist, die rechtliche Zusicherung bekommen, über das gastronomische Angebot im Park zu bestimmen. Im Vertrag der Strandhaus-Pächter ist eine solche Einschränkung nach eigenen Aussagen aber nicht fixiert worden.
Man hätte den Erfolg des Strandhauses nie infrage gestellt und würde gern mit einem konstruktiven Partner ein Veranstaltungskonzept entwickeln, sagte Werkleiter Jens Seedorff. Ob die Stadtwerke mit dem jetzigen Pächter noch einmal zusammenfinden, ist allerdings fraglich. Aufeinandertreffen werden die beiden Parteien in nächster Zeit vorwiegend im Gerichtssaal. Eine Reihe zivilrechtlicher Klagen stehen noch aus. Doch die Strandhaus-Betreiber wollen weitermachen.